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Praxis
Austauschbarkeit und Abgabe von Rabattarzneimitteln
§ 4 Absatz 1 des Rahmenvertrages legt zunächst die grundsätzliche Verpflichtung des Apothekers zur Auswahl fest und bestimmt die Voraussetzungen für die Arzneimittelauswahl. Diese müssen sowohl bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln als auch bei der Abgabe preisgünstiger Arzneimittel nach Absatz 4 erfüllt sein.
In der Regel unterstützt die Apothekensoftware in geeigneter Weise die Prüfung dieser Voraussetzungen. Bei der namentlichen Verordnung ist eine Ersetzung nur möglich, wenn der Arzt die Ersetzung nicht ausgeschlossen hat (Kreuz im Aut-idem-Kästchen).
Die allgemeinen Voraussetzungen für die Arzneimittelauswahl sind:
a) gleicher Wirkstoff
Die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe und Derivate eines Wirkstoffes gelten als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn ihre Eigenschaften unterscheiden sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit (§ 24b AMG, bezugnehmende Zulassung für Generika).- b) gleiche Wirkstärke
- c) gleiche Packungsgröße
- d) gleiche oder austauschbare Darreichungsform
- e) gleicher Indikationsbereich
f) keine einer Ersetzung des verordneten Arzneimittels entgegenstehenden betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften
Grundsätzlich gelten diese Bestimmungen für die Arzneimittelauswahl auch für Betäubungsmittel. Dies bedeutet, dass auch Betäubungsmittel substituierbar sind. Sofern Rabattverträge über Betäubungsmittel geschlossen wurden, sind diese zu beachten. Die Vorschriften der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) stehen dem nicht grundsätzlich entgegen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, Bundesopiumstelle) führt auf seiner Homepage www.bfarm.de zur Frage "Kann die ‚Aut-idem-Regelung‘ bei Verschreibungen auf einem BtM-Rezept angewendet werden?" Folgendes aus:
"Sie ist grundsätzlich für das Verschreiben von Betäubungsmitteln möglich. Ein ‚Aut-idem-Kästchen‘ ist auch Bestandteil des BtM-Rezepts. Grundsätzlich trägt die ‚Aut-idem-Regelung‘ der gestiegenen Anzahl von Generika auch im Betäubungsmittelbereich Rechnung.
Der Apotheker ist entsprechend § 17 Abs. 5 ApBetrO verpflichtet, jede vorgenommene Änderung auf der Verschreibung zu vermerken (z. B. durch die PZN-Nr. des belieferten BtM). Seitens der Bundesopiumstelle wird eine Rücksprache des Apothekers mit dem Arzt bezüglich des tatsächlich belieferten Betäubungsmittels schon im Hinblick auf den verbesserten Informationsstand der Beteiligten (Arzt, Patient und Apotheke) und die damit verbundene Erhöhung der Patientencompliance empfohlen.
Bei transdermalen therapeutischen Systemen ist insbesondere auf die Angabe der eindeutigen Bezeichnung des Fertigarzneimittels i. S. der BtMVV, Art des Pflasters (Matrix bzw. Reservoirpflaster) und Freisetzungsrate zu achten!
Insgesamt soll die in § 1 Abs. 3 BtMVV geforderte lückenlose ‚Dokumentationskette‘ geschlossen bleiben. Die Dokumentation nach amtlichem Formblatt ist für jedes Fertigarzneimittel (Generikum) getrennt vorzunehmen."
Pharmazeutische Kompetenz und Verantwortung
§ 4 Absatz 3 des Rahmenvertrages regelt Fälle, in denen ausnahmsweise von der Verpflichtung zur Abgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels abgewichen werden kann. In Fällen der Akutversorgung und im Notdienst sowie bei pharmazeutischen Bedenken kann im Einzelfall von der Verpflichtung zur Abgabe des rabattbegünstigten Arzneimittels abgesehen werden.
Akutversorgung und Notdienst
In dringenden Fällen, in denen das rabattbegünstigte Arzneimittel nicht in der Apotheke verfügbar ist, darf die Apotheke ein anderes Arzneimittel nach den Vorgaben des Absatz 4 (eines der drei preisgünstigsten bzw. das verordnete Arzneimittel) abgeben.
PharmazeutischeBedenken
Für die Apotheken besteht aufgrund der Neufassung des Rahmenvertrages explizit die Möglichkeit, von der Verpflichtung zur Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel abzusehen, wenn der Abgabe aus Sicht des Apothekers im konkreten Einzelfall pharmazeutische Bedenken (§ 17 Absatz 5 Apothekenbetriebsordnung) entgegenstehen.
Pharmazeutische Bedenken bestehen, wenn durch den Präparateaustausch trotz zusätzlicher Beratung des Patienten der Therapieerfolg oder die Arzneimittelsicherheit im konkreten Einzelfall gefährdet sind.
Beispiel Fentanylpflaster
In bestimmten Situationen besteht besonderer Anlass, die Ersetzung mit einem rabattbegünstigten Arzneimittel auf pharmazeutische Bedenken hin zu überprüfen. Dies gilt sicher für alle der BtMVV unterliegenden Arzneimittel, wie Fentanylpflaster.
Eine Nicht-Abgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels kann aus einem schwerwiegenden Problem oder – häufiger – einer Kombination mehrerer Probleme aus verschiedenen Fallgruppen (siehe A bis G in der Tabelle) resultieren.
Tab. 1: Die Verpflichtung für die Abgabe von Rabattarzneimitteln kann bei pharmazeutischen Bedenken entfallen. Im Folgenden sind Beispiele aufgeführt, bei denen pharmazeutische Bedenken angezeigt sind. | |
Fallgruppen |
Beschreibung mit Beispielen |
A |
Problematische Arzneistoffe
• Geringe therapeutische Breite: z. B. Opioide
• Hohes Nebenwirkungspotenzial: z. B. Opioide
|
B |
Problematische Applikationsformen bzw. Applikationssysteme bei Austausch
• TTS/Pflaster (z. B. Fentanyl)
• ...
|
C |
• Gefährdung des Therapieerfolgs oder der Arzneimittelsicherheit durch Non-Compliance
• Ältere Patienten mit Polypharmazie
• ...
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D |
Problematische Dosierung (mit Applikationshilfen)
• Tropfen (Peroralia, …)
• Säfte (Peroralia)
|
E |
Problematische (lebensbedrohliche) Erkrankungen
• Maligne Tumorerkrankungen
• ...
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F |
Problematische Patientengruppen
• Patienten mit neurologischen oder psychischen Krankheiten
• Ältere, multimorbide Patienten
• …
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G |
Problematische Hilfs- und Zusatzstoffe für bestimmte Patienten
• Allergie gegen Farb- oder Konservierungsstoffe oder Sulfite
• Alkohol, z. B. bei Alkoholikern
|
Am konkreten Beispiel Fentanylpflaster ist folgend dargestellt, wie in der Apotheke vorgegangen werden könnte:
Die Apothekensoftware prüft bei der Verordnung bezüglich rabattbegünstigter Arzneimittel auf PZN-Basis neben dem gleichen Wirkstoff, der gleichen Packungsgröße, der gleichen oder austauschbaren Darreichungsform auf Basis der entsprechenden Angabe im ABDA-Artikelstamm und dem gleichen Indikationsbereich bezüglich der Wirkstärke sinnvollerweise zunächst auf Basis der Freisetzungsrate in µg Fentanyl/h.
Danach ist die Beladung mit mg Fentanyl je Pflaster zu vergleichen und bei Abweichungen zu prüfen, ob die Abgabe des/eines rabattbegünstigten Arzneimittels (noch) der BtMVV bezüglich einer möglichen Überschreitung der verordnungsfähigen Höchstmenge entsprechen würde.
Hinweis: Auf dem Betäubungsmittelrezept muss unter anderem Folgendes angegeben werden:
Arzneimittelbezeichnung, soweit dadurch eine der nachstehenden Angaben nicht eindeutig bestimmt ist, jeweils zusätzlich Bezeichnung und Gewichtsmenge des enthaltenen Betäubungsmittels je Packungseinheit, bei abgeteilten Zubereitungen je abgeteilter Form, Darreichungsform.
Menge des verschriebenen Arzneimittels in Gramm oder Milliliter, Stückzahl der abgeteilten Form (die Angabe N1, N2 oder N3 reicht nicht).
Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder im Falle, dass dem Patienten eine schriftliche Gebrauchsanweisung übergeben wurde, der Vermerk "Gemäß schriftlicher Anweisung".
Wenn alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind, könnten der Abgabe aus Sicht des Apothekers im konkreten Einzelfall pharmazeutische Bedenken entgegenstehen. Wenn ein Arzneimittelanwendungsrisiko (Beeinträchtigung des Therapieerfolges oder der Arzneimittelsicherheit) für den Patienten auch durch individuelle Beratung des Patienten oder des Pflegenden nicht ausgeschlossen werden kann, ist das verordnete, dem Patienten bzw. dem Pflegenden bereits bekannte/gewohnte Pflaster abzugeben.
Solche Anwendungsrisiken sind bei hochpotenten Opioiden wie Fentanyl in Verbindung mit der Darreichungsform Pflaster vor allem eine mögliche Überdosierung (auch durch gegebenfalls unterschiedliche Applikationshäufigkeiten der Pflaster – Wechsel des Pflasters alle zwei versus alle drei Tage) sowie durch mögliche Fehlanwendungen in der ambulanten Selbstapplikation (z. B. durch das Zerschneiden der Pflaster) als auch eine verminderte Wirksamkeit.
Zur Frage der Teilung von Fentanylpflastern verweisen wir auf die entsprechende AMK-Meldung (s. Kasten).
TEILUNG VON FENTANYLPFLASTERN
Information der Arzneimittelkommission vom 18. Oktober 2007Aus Apotheken wurden der Geschäftsstelle der AMK mehrfach ärztliche Verordnungen zu Fentanylmatrixpflastern übermittelt, die die Anweisung zur Teilung der Pflaster durch den Patienten enthielten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat auf Bitten der AMK in zwei Schreiben vom 8. März 2007 und 10. Oktober 2007 hierzu eine arzneimittelrechtliche Bewertung vorgenommen, die den Fachkreisen zugänglich gemacht werden kann und die wir hier in Kurzform referieren: • Die Teilung von Matrixpflastern ist nach den bestehenden arzneimittelrechtlichen Zulassungen nicht zulässig.
• Auch wenn ein expliziter Hinweis auf Nichtteilbarkeit fehlt, bedeutet dies nicht eine rechtliche Tolerierung der Pflasterteilung.
• Therapeutisch notwendige niedrigere Dosierungen sind durch geringere Dosisstärken abzudecken.
• Aus Gründen der Anwendungssicherheit ist die Teilung des Pflasters nicht akzeptabel.
• Die Gewährleistung der Dosiergenauigkeit nach Zuschnitt und eine fachgerechte Lagerung unbenutzter Pflasterhälften dürfen nicht in den Verantwortungsbereich des Anwenders verlagert werden. Ergänzend weist die AMK darauf hin, dass ein Zerschneiden von Membranpflastern den unkontrollierten Austritt des halbfesten oder flüssigen Inhaltes auf die Haut bewirkt, so dass bei Arzneistoffen hoher Wirkstärke wie Fentanyl Intoxikationen die Folge sein können. |
Transdermale therapeutische Systeme (TTS) mit Fentanyl unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich Matrix- versus Reservoirprinzip sondern auch in der Größe, der Klebefolie bzw. dem verwendeten Klebstoff und damit den Hafteigenschaften. Weiterhin sind unterschiedliche Hautverträglichkeiten (Kolophonium?) aus der Praxis bekannt.
Der verordnende Arzt kann im Übrigen durch das Aut-idem-Kreuz weiterhin ein bestimmtes Arzneimittel vorschreiben, das der Apotheker nicht austauschen darf.
Annex
Die von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. ebenfalls aufgeworfene Frage der (Nicht-)Umstellung von Stufe-III-Opioiden auf Morphin (s. DAZ 2008 148 (12): 1213 -1216) stellt sich in diesem Zusammenhang (§ 129 bzw. Rabattverträge, aut idem) überhaupt nicht, da es sich nicht um den gleichen Wirkstoff handeln würde (aut simile).
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. Martin Schulz
Geschäftsführer Arzneimittel der ABDA, der BAK und des DAV e. V.
Jägerstr. 49/50, 10117 Berlin
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