Wissenswert

Thermoelektrika

Thermoelektrische Materialien wandeln Wärme direkt in elektrische Energie um. Sie könnten die Energieversorgung durch die Nutzung von Sonnenwärme und Abwärme revolutionieren.

1823 hatte der deutsche Physiker Thomas Johannes Seebeck (1770 –1831) in Reval (Tallinn) zwei Metalle zu einem Ring verbunden und eine Kontaktstelle erwärmt. Seine Kompassnadel schlug aus. Er schloss daraus, dass aufgrund des ausgleichenden Wärmetransports ein elektrischer Strom fließen müsse, der das Magnetfeld erzeugt.

Elf Jahre später beobachtete der Schweizer Uhrmacher Jean Charles Athanase Peltier (1785 –1845) den umgekehrten Effekt (Peltier-Effekt). Legte er elektrischen Strom an zwei miteinander verbundene metallische Leiter, floss Wärme von einer Kontaktstelle zur anderen. Es entstand ein Temperaturgefälle.

Der Dritte im Bunde, der einen thermoelektrischen Effekt entdeckte, war der Nordire William Thomson, der spätere Lord Kelvin of Largs (1824 –1907). Er beschrieb 1856 den Thomson-Effekt: Liegt an einem stromdurchflossenen Leiter ein Temperaturgradient, so nimmt er Wärme auf oder gibt sie ab.

Während der Thomson-Effekt keine große praktische Bedeutung hat, spielen Peltier-Kühler heute eine wichtige Rolle beispielsweise millionenfach in Campingkühlschränken. Thermoelektrische Generatoren nach dem Seebeck-Effekt stehen nun kurz vor dem Durchbruch zu ökonomisch wichtigen Anwendungen. Die erste Bewährungsprobe haben sie im Weltraum erfolgreich bestanden, wo sie seit den Apollo-Mondflügen erfolgreich eingesetzt werden. Heute sind sie vor allem für Missionen an den Rand des Sonnensystems wichtig. In Form von RTGs (Radioisotop-thermoelektrische Generatoren) versorgen sie Satelliten mit Strom in den Weiten des Alls, wo die Sonne nur noch als kleiner Fleck leuchtet und Photovoltaik-Sonnensegel keinen Strom mehr liefern können. Für die Energie der Bordgeräte sorgt hier das Isotop Plutonium-238; es hat eine Halbwertszeit von 89 Jahren und liegt in keramischer Form als Plutoniumdioxid vor. So hat der Satellit New Horizone auf dem Weg zum Zwergplaneten Pluto und zum Kuipergürtel 10,9 kg 238 PuO2 an Bord, dessen Zerfallswärme thermoelektrisch umgewandelt wird. Die RTGs sind wartungsfrei und extrem langlebig, da sie keine mechanischen Teile haben. Der Satellit wird Pluto im Juli 2015 erreichen, und sein RTG wird so lange funktionieren.


Theorie

Wer über billige Wärmequellen wie Erdwärme verfügt, kann mit solchen thermoelektrischen Schichten preiswert Strom produzieren. Island könnte zum Energiekrösus werden, mit elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff.

Auf der Suche nach höherer Effizienz

Der Seebeck-Effekt ist für jedes Metall spezifisch und entsteht durch die bei einer Temperaturdifferenz sich bildenden Thermospannung. Die thermische Energie eines Metalls teilt sich auf in die Bewegungsenergie der Elektronen (elektrische Wärmekapazität) und die Schwingungsenergie der partiell positiven Atomrümpfe (phononische Wärmekapazität). Für das Verhältnis dieser beiden Energien existieren metallspezifische Konstanten, die Seebeck-Koeffizienten oder k-Werte. Die höhere Bewegungsenergie der Elektronen am warmen Ende führt dazu, dass ein Teil von ihnen zum kalten Ende fließt und dort eine höhere Elektronendichte, das heißt eine negative Spannung, aufbaut.

USeebeck = (ka – kb) ∙ (T1 – T2)

U = Spannung; k = metallspezifischer Seebeck-Koeffizient (Volt/Kelvin); T = Temperatur (Kelvin); a, b = unterschiedliche Metalle

Technisch lässt sich der Seebeck-Effekt also nur mit elektrischen Leitern unterschiedlicher Wärmekapazität und verschiedener Seebeck-Koeffizienten nutzen. Der Wirkungsgrad solcher Seebeck-Elemente war aber lange Zeit sehr niedrig, weil in der Regel nur eine Spannung von einigen 10 Mikrovolt je 1 Kelvin Temperaturdifferenz (μV/K) auftritt. Als vor einigen Jahren die ersten Thermopaare aus Halbleitern entwickelt worden waren, stieg die Effizienz um den Faktor 3 und führte zu einer extremen Miniaturisierung. Mehrere 100 μV/K sind nun möglich.

Der Seebeck-Koeffizient hängt bei Halbleitern von der Zugabe von Fremdatomen (Dotierung) ab. Durch Zugabe von Elektronendonatoren (z. B. 5-wertigen Atomen) erhält man n-dotiertes (negativ geladenes) Material mit einem Überschuss an Elektronen, während die Zugabe von Elektronenakzeptoren (z. B. 2-wertigen Atomen) p-dotiertes (positiv geladenes) Material mit einem Mangel an Elektronen, sogenannte Löcher, ergibt. Liegt ein Temperaturgradient im Halbleiter vor, fließen sowohl Elektronen als auch Löcher vom warmen zum kalten Bereich und generieren einen elektrischen Strom. Aber der Stromfluss ist recht gering. Ein normales n/p-dotiertes Halbleiterpaar hat einen k-Wert von 400 μV/K; bei einer nutzbaren Temperaturdifferenz von 10 K entsteht eine Spannung von 4 mV. Um zum Beispiel eine Batteriespannung von 1 Volt zu erhalten, müssen 250 solche Halbleiter in Serie geschaltet sein – was dank der Miniaturisierung sehr gut auf kleinem Raum funktioniert.


Tab. 1: Thermoelektrische Materialien (K = Kelvin)
Temperaturbereich
Materialien
Tief:
ab 100 K
Elemente der V. Hauptgruppe, vor allem Bismut (Bi) und Antimon (Sb); Beispiel: BiSb-Halbleiter
Raumtemperatur
bis 400 K
Vor allem Elemente der V. und VI. Hauptgruppe; Bsp.: Halbleiter-Mischkristall Bi2 Te3 -Bi2 Se3 -Sb2 Te3
Hoch:
600 bis 1200 K
Vor allem p-dotierte Blei-Tellur- und Silicium-Germanium-Halbleiter; Einsatz in RTGs in der Raumfahrt

Widerspruch in sich

Das Problem ist die Widersprüchlichkeit thermoelektrischer Verbindungen. Optimal ist ein hoher k-Wert im Verein mit einer sehr guten elektrischen Leitfähigkeit und gleichzeitig einer möglichst niedrigen Wärmeleitfähigkeit. Diese drei Faktoren fließen gemeinsam mit der nutzbaren Temperatur in die Leistungskennzahl oder Gütezahl ZT ein. Je höher die ZT, umso besser die thermoelektrischen Eigenschaften. Jedoch lassen sich die elektrische und die thermische Leitfähigkeit meistens nicht unabhängig voneinander optimieren.

In Metallen sind die beiden Leitfähigkeiten unmittelbar proportional zueinander, da ausschließlich die freien Elektronen für den Wärmetransport sorgen. Elektrische Isolatoren wie der Diamant leiten Wärme dagegen ausschließlich über Gitterschwingungen oder optische Phononen. Das sind theoretische Quasi-Teilchen oder Schwingungsquanten, die sich keinem bestimmten Ort im Gitter zuordnen lassen. Bei Halbleitern sind sowohl Elektronen (bzw. Löcher) als auch Phononen am Wärmetransport beteiligt. Hier muss der phononische Wärmetransport reduziert werden, um einen höheren ZT zu erhalten.

Ein wesentlicher Fortschritt war die Hypothese von Mildred Dresselhaus vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA, dass Bismut-Nanostäbe mit einem Durchmesser < 10 Nanometer den ZT von 0,2 auf über 3 anheben, weil die Ladungsträger sich nur entlang der quasi eindimensionalen Stäbe bewegen können und dadurch deren Energieniveau erhöhen. In der Praxis zeigen Bi2 Te3 -Nanostäbe eine um 90% geringere thermische Leitfähigkeit.

Zum einen wird versucht, mittels Nanotechnologie die Wärmeleitfähigkeit bekannter Materialien wie Bi2 Te3 /Sb2 Te3 und PbTe herabzusetzen, ohne deren elektrische Leitfähigkeit zu verringern. Zum anderen werden neue Materialien synthetisiert und anschließend ihre thermoelektrischen Eigenschaften optimiert. Hierbei wird im Wesentlichen das PGEC-Konzept angewendet (PGEC = phonon-glass, electron-crystal). Es werden hier Verbindungen gesucht, deren Wärmeleitfähigkeit so gering wie bei Glas ist und deren elektrische Leitfähigkeit so hoch wie bei Kristallen ist. Vielversprechend sind unter anderem die Skutterudite.


Markt

Der weltweite Markt für Thermoelektrik – Kühlung und Stromerzeugung – wird zurzeit auf ein Volumen von mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Für die Sitzkühlung im Kraftfahrzeug hat sich die Anzahl der pro Jahr verkauften Einheiten nach Angaben eines Herstellers seit 2003 verfünffacht. Bei einer Steigerung der Gütezahl ZT von derzeit etwa 1 auf 2 wird mindestens mit einer Verzehnfachung des Marktvolumens gerechnet.

Ein Dorf in Norwegen

Das Mineral Skutterudit wurde 1772 bei dem norwegischen Dorf Skutterud entdeckt und diente einst zum Blaufärben hochwertigen Porzellans. Es ist sehr variationsreich und besteht aus einem Elektronenakzeptor wie Barium oder Strontium, einem Übergangsmetall wie Kobalt oder einem Platinmetall und einem Element der V. Hauptgruppe wie Arsen oder Bismut. Die Grundstruktur ist der Halbleiter CoAs3. Durch schwere Atome im freien Raum des kubischen Kristallgitters entstehen hier Streuzentren für Phononen. Dadurch verringert sich, wie gewünscht, die Wärmeleitfähigkeit. In einem künstlichen Skutterudit hat die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ernst Bauer an der Technischen Universität Wien das Arsen und Bismut durch Germanium, ein Element der IV. Hauptgruppe, ersetzt (s. Abb.).

Künstlicher SkutteroditDas Arsen des natürlichen Minerals ist hier durch Germanium ersetzt.

Quasikristalle

Große Hoffnungen richten sich auch auf Strukturen, die chemisch sonderbar aussehen, die Quasikristalle. Theoretisch hat sie der englische Mathematiker Roger Penrose bereits 1970 vorhergesagt. In einem Quasikristall befinden sich die Atome zwar in einer regelmäßigen Gitterstruktur; die Moleküleinheiten sind aber übergeordnet in eine aperiodische Struktur eingebettet. Jedes Gittermolekül ist also jeweils von einem anderen Muster umgeben. Wider Erwarten nimmt die elektrische Leitfähigkeit in Quasikristallen mit der Temperatur zu statt ab. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Metallen finden die Elektronen nicht so leicht ihren Weg durch eine quasikristalline Struktur, wenn es kühler wird. Auch sie sind deshalb vielversprechende Kandidaten für die thermoelektrische Energieumwandlung.

Innerhalb der letzten zehn Jahre wurde der ZT mehr als verdoppelt, von etwa 1 auf deutlich über 2. Ein Ende dieser Steigerung ist nicht abzusehen, denn theoretisch existiert keine Grenze. Materialien mit Werten von 3 bis 4 werden in der nahen Zukunft erwartet, mit welchen dann eine großflächige Nutzung der thermoelektrischen Elektrizitätsgewinnung aus Abwärme und Sonnenwärme erfolgen kann. Die Temperierung von Autositzen und die Stromversorgung von Armbanduhren, die es bereits gibt, werden dann sicher nur noch eine Randnotiz sein. Ein Milliardenmarkt wird entstehen.

Thermoelektrika im Netz

Innovationsforum Thermoelektrika

 

www.forum-thermoelektrik.de

Zwei Thermoelektrik-Unternehmen

 

www.micropelt.com

http://thermalforce.de

Skutterudite 

 

www.tuwien.ac.at/aktuelles/news_detail/article/4417

Literatur

Jana Sommerlatte et al.: Thermoelektrische Multitalente. Physik-Journal 6 (5), 35 – 41 (2007).

Bernd Harbrecht und Matthias Conrad: Verbotene Kristalle. Presseveröffentlichung der Philipps-Universität Marburg, 17.12.2007.

Sabine Schlecht und Harald Böttner: Nanostrukturierte Thermoelektrika. Nachrichten aus der Chemie 56 (2), 136 – 139 (2008).

 


Dr. Uwe Schulte

Händelstraße 10, 71640 Ludwigsburg

schulte.uwe@t-online.de

 

 

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