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Kammergericht muss erneut über DocMorris verhandeln

BERLIN (ks). Am 20. Dezember 2007 hat der Bundesgerichtshof (BGH) das im November 2004 ergangene Urteil des Berliner Kammergerichts aufgehoben, mit dem DocMorris verboten wurde, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland zu vertreiben und hierfür zu werben. Zugleich verwies er den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. In den Entscheidungsgründen geben die Karlsruher Richter ihren Berliner Kollegen eine recht eindeutige Marschroute vor.

Die BGH-Richter trafen in der Revisionsinstanz des bereits seit dem Jahr 2001 anhängigen Rechtsstreit zwischen dem Verband Sozialer Wettbewerb und dem früher für die holländische Internetapotheke DocMorris verantwortlichen Apotheker keine eigene abschließende Entscheidung. Wohl aber zeigten sie dem Kammergericht auf, was es bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung des Falles zu berücksichtigen habe. Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch, wie er vorliegend geltend gemacht wurde, kann nur dann Erfolg haben, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten des Beklagten zur Zeit seiner Begehung ebenso begründet war wie auf Grundlage der nunmehr gegebenen Rechtslage. Vor 2004 war in Deutschland der Versandhandel mit Arzneimitteln verboten – insofern konnte seinerzeit der Unterlassungsanspruch durchgehen. Zum 1. Januar 2004 wurde der Versandhandel jedoch erlaubt – auch von anderen EU-Mitgliedstaaten aus. Für den BGH ist daher eines klar: Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung im Jahr 2004 war das Gericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen, als es DocMorris ein unzulässiges Verhalten unterstellte. Voraussetzung für einen zulässigen Arzneimittelversandhandel ist allerdings, dass das Arzneimittel entsprechend der einschlägigen deutschen Vorschriften versandt wird und die Apotheke zum Versandhandel befugt ist. Die Befugnis zum Versand regelt für deutsche Versandapotheken das hiesige Apothekenrecht. Für EU-ausländische Apotheken ist dem BGH zufolge das eigene nationale Recht einschlägig, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht. Letztere Voraussetzung hatte das Kammergericht in seiner ersten Entscheidung verneint – aus Sicht des BGH hat es dabei einen "zu strengen Maßstab" angewandt.

Nicht allein das ­geschriebene Recht zählt

Zwar habe das Berufungsgericht noch zutreffend angenommen, dass die Anforderungen an EU-ausländische Versandapotheken gewährleisten soll, dass das deutsche Schutzniveau nicht unterschritten wird. Jedoch sei es davon ausgegangen, dass für die Vergleichbarkeit allein das – den deutschen Sicherheitsstandards nicht annähernd gerecht werdende – geschriebene Recht der Niederlande maßgeblich sei. Diese Beurteilung, so der BGH, widerspreche der Regelung des § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a Arzneimittelgesetz, nach der nicht allein die jeweils gegebenen Gesetzeslagen miteinander zu vergleichen seien, sondern die "jeweilige Rechtslage im Blick auf die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards". Dies ergebe sich aus der Bestimmung, die dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) aufgibt, regelmäßig eine aktualisierte Übersicht über diejenigen Mitgliedstaaten zu veröffentlichen, in denen für den Versandhandel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht entsprechende Sicherheitsstandards bestehen (sogenannte Länderliste).

Knackpunkt Präsenzapotheke

Die Ausführungen des Kammergerichts, die Vergleichbarkeit sei schon deshalb nicht gegeben, da es für eine niederländische Versandapotheke nicht notwendig sei, auch eine Präsenzapotheke zu betreiben, lässt der BGH so ebenfalls nicht gelten: "Auch wenn das niederländische Recht den Versandhandel nicht von der Führung einer Präsenzapotheke abhängig macht, kann dieser Umstand einem Versandhandelsunternehmen nicht entgegen gehalten werden, das tatsächlich eine Präsenzapotheke betreibt." So sei auch das BMG in seiner Länderliste davon ausgegangen, dass die deutschen und holländischen Sicherheitsstandards nur dann vergleichbar sind, soweit die Versand- zugleich Präsenzapotheke ist.

Länderliste mit Bindungswirkung

Nun hat das Kammergericht erneut zu prüfen, ob DocMorris tatsächlich die nötigen Schutzstandards eingehalten hat. Dabei müsse es sich insbesondere an der im Juni 2005 veröffentlichten Länderliste orientieren – und diese schreibt der BGH ohne große Erläuterungen eine Bindungswirkung für die Gerichte zu, jedenfalls "insoweit, als sie feststellt, dass in bestimmten Mitgliedstaaten der Europäischen Union – gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung vergleichbare Sicherheitsstandards bestanden haben". In der neuerlichen Verhandlung werde das Gericht der zwischen den Parteien streitigen Frage nachgehen müssen, ob DocMorris auch früher eine Präsenzapotheke betrieben hat. Ob dies der Fall ist, ist laut BGH nicht etwa anhand der deutschen Erfordernisse an eine Versandapotheke zu beurteilen, sondern nach den niederländischen Vorschriften. Sollte das Kammergericht zu der Feststellung kommen, dass diese Erfordernisse eingehalten wurden, müsse die Klage abgewiesen werden.


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