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Management
Sie haben einen Mund zum Reden – aber zwei Ohren zum Zuhören
Eine Faustregel besagt, dass bei einem Beratungs- und Verkaufsgespräch 60 bis 70 Prozent des Redeanteils auf den Kunden und nur 30 bis 40 Prozent auf den Apotheker und seine Mitarbeiter entfallen sollten. In den meisten Apotheken ist es eher umgekehrt. Der Kunde wird mit einem enormen Detailwissen beeindruckt, in der Hoffnung, dass er ein Produkt erwirbt.
Allerdings: Gott gab uns – nach Goethe – zwei Ohren, aber nur einen Mund, damit wir doppelt so viel zuhören wie sprechen. Darum sollte jedes Mitglied des Apothekenteams regelmäßig das Zuhörverhalten analysieren und nach einem Beratungsgespräch überprüfen:
- "Habe ich den Kunden immer ausreden lassen? Oder bin ich ihm ins Wort gefallen?"
- "Wie hoch ist mein Level des innerlichen Beteiligtseins?"
- "Habe ich Fragen gestellt – und nicht nur in Aussageform kommuniziert?"
Wer dabei feststellt, dass er über unzureichende Zuhörkompetenz verfügt, muss sein Zuhör-Know-how erweitern und das Kommunikationsverhalten verändern.
Das aufnehmende Zuhören
Genauso wie es verschiedene Fragetechniken gibt, existieren nach dem Kommunikationsexperten und Trainer Lothar Stempfle unterschiedliche Formen des Zuhörens. Die einfachste bezeichnet er als "aufnehmendes Zuhören": Der Apotheker – und natürlich gelten die folgenden Hinweise auch für die Mitarbeiter – schweigt und wartet, bis der Kunde zu Ende gesprochen hat. Mit Äußerungen wie "Ja, richtig", "Ich verstehe" oder durch bestätigendes Kopfnicken signalisiert er dem Kunden, dass sie immer noch auf derselben Wellenlänge funken, und motiviert ihn zum Weiterreden.
Gerade diese Selbstverständlichkeit fällt vielen Apothekern schwer. Aufgrund ihres Wissensvorsprungs werden sie häufig – unbewusst und ohne böse Absicht – dazu verleitet, mehr zu reden als zuzuhören. Sie lassen sich ausgiebig über die enormen Vorteile eines Produktes aus dem Sicht- und Freiwahlbereich aus – und vergessen darüber, dass sie zunächst einmal herausfinden müssten, was der Kunde überhaupt braucht und wünscht.
Im schlimmsten Fall ist das Nicht-zuhören-Können eine Folge der Einstellung zum Gesprächspartner, der nicht wertgeschätzt wird. Das berühmt-berüchtigte Aneinandervorbeireden droht, wenn der Apotheker nicht bedenkt, dass er den Erwartungen und dem Bedarf des Kunden nur auf die Spur kommt, wenn er sich selbst zurücknimmt und intensiv zuhört.
Durch das aufnehmende Zuhören hält der Apotheker das Gespräch im Fluss und sorgt dafür, dass seine Zuhörkonzentration auf einem hohen Niveau bleibt. Automatisch überprüft er, ob er die Aussagen des Kunden verstanden hat. Bereits diese "einfache" Form des Zuhörens führt dazu, dass Missverständnisse ausgeschlossen werden können.
Kundenäußerungen verstehen und umschreiben
Das "verstehend-umschreibende Zuhören" verrät einen bereits höheren Grad des innerlichen Beteiligtseins – und dieses innerliche Beteiligtsein ist das entscheidende Kriterium für die Qualität des Zuhörens. Dabei nutzt der Apotheker die Zeit, in der der Kunde spricht, um sich darüber Klarheit zu verschaffen, was der Gesprächspartner sagen will. Das innere Beteiligtsein drückt sich dadurch aus, dass er dessen Äußerungen in eigenen Worten oder mit anderen Ausdrücken wiedergibt. Wer derart verbalisiert und paraphrasiert, signalisiert: "Ich bin ernsthaft gewillt, dir zu folgen und dich zu verstehen." Mit der Umschreibung betritt der Apotheker die Gedanken- und Vorstellungswelt des anderen Menschen.
Hier kommt es darauf an, intuitiv zu erspüren und zu erhören, was der Kunde wünscht und in eigenen Worten zu wiederholen. Dies sollte in einer Sprache geleistet werden, die frei ist von irritierendem Fachvokabular.
Beratungsgespräch
Wichtige Zuhörtechniken im Überblick• Grundregel: Apotheker und Mitarbeiter müssen dem Kunden schlicht und einfach zuhören und ihn reden und ausreden lassen: Reden ist Silber, Schweigen und Zuhören sind Gold. • Aufnehmendes Zuhören: schweigen, ausreden lassen, bestätigende Kurzäußerungen und nonverbale Signale senden! • Verstehend-umschreibendes Zuhören: Äußerungen des Kunden mit eigenen Worten wiederholen und mit anderen Ausdrücken umschreiben (Verbalisierung, Paraphrasierung). • Aktives Zuhören: hohes Maß an innerlichem Beteiligtsein ausdrücken durch mitfühlende Empathie, Körpersprache und wertschätzende Fragen vertiefen. • Tipp: Nehmen Sie sich regelmäßig einen bestimmten Tag und eine bestimmte Zeit vor, zu der Sie Ihr Zuhörverhalten analysieren wollen und es dann gegebenfalls bewusst ändern. |
Aktiv zuhören und auf Körpersprache achten
Beim "aktiven Zuhören" versucht der Apotheker, auf das einzugehen, was der Kunde zwischen den Zeilen zum Ausdruck bringt. Als aktiv Zuhörender ist er auf dessen Körpersprache fokussiert. Er spürt nach, wie dem anderen zumute ist. Er zieht in Betracht, wie etwas gesagt und von welchen non-verbalen Zeichen es begleitet wird. Wer diese Kunst beherrschen will, muss über ein aufnahmefähiges Bewusstsein verfügen, durch das ein wahrhaftiges innerliches Beteiligtsein überhaupt erst ermöglicht wird.
Bekanntlich wirken wir zu nur 7 Prozent über den Inhalt des gesprochenen Wortes, die Stimme macht immerhin 38 Prozent aus. Zu 55 Prozent jedoch entscheidet die Körpersprache über unsere Wirkung auf andere Menschen. Die Zahlen gehen auf Untersuchungen des Psychologen Albert Mehrabian zurück und zeigen, wie wichtig Gestik, Mimik, Ton, Physiologie und Körperausdruck in der Kommunikation sind. Beim aktiven Zuhören signalisiert der Apotheker dem Kunden mit "Hand und Fuß", dass er sich hochkonzentriert auf das einlässt, was dieser sagt. Er steht quasi mit dem ganzen Körper dafür ein, dass er innerlich an dem beteiligt ist, was der Kunde von sich gibt. Zugleich gilt: Er interpretiert seinerseits dessen Körpersprache, achtet auf den Gesichtsausdruck, die Handbewegungen und Kopfhaltung.
Natürlich: Übung macht auch hier den Meister. Wer die Einstellung mitbringt, dass er sich dem Kunden mit Zeit und in Ruhe zuwenden sollte, kann das aktive Zuhören trainieren und erlernen. Der Vorteil: Treffen Apothekenkunden auf zuhörende Apotheker, fassen sie schneller Vertrauen, weil sie merken, dass sich hier jemand auf sie einlässt, als gleichwertigen Gesprächspartner respektiert und ernst nimmt. Darum sollten der Apotheker und sein Team immer wieder die oben angesprochene Kurzanalyse ihrer Zuhörkompetenz vornehmen.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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