Die lernende Apotheke

Apotheken, die im immer härter werdenden Verdrängungswettbewerb bestehen wollen, müssen sich zu einer "lernenden Organisation" entwickeln. So mancher Apotheker jedoch rätselt, wie er diese oft erhobene Forderung mit Leben füllen und durch konkrete Maßnahmen verwirklichen soll.
Lernchancen im Apothekenalltag nutzen

Veränderungsexperten wie der Coach Dr. Reiner Czichos, München, empfehlen, in einem Meeting zu besprechen, welche Lernchancen der Alltag in der Apotheke bietet. Die Grundidee ist, die Entwicklung zur "lernenden Apotheke" nicht in einem zeit- und kostenintensiven Training voranzutreiben, sondern im Zusammenhang mit den täglich anfallenden Aufgaben. Das heißt: Die Lernfähigkeit des Apothekers und seiner Mitarbeiter und ihre Bereitschaft, aus Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen, entscheidet darüber, ob diese Entwicklung gelingt.

Menschen sind nicht zu faul zum Lernen. Menschen sind nur zu bequem und zu ängstlich, sich zu verändern. Sie lassen die Dinge – die Art und Weise, wie sie denken, handeln und sich verhalten – lieber so wie gewohnt weiterlaufen: "Veränderung ja – aber bitte nicht in meinem Bereich."

Die meisten Menschen verwechseln das Lernen mit dem Lösen von Problemen. Doch die "richtige" Problemlösung ist immer nur die Folge eines Lernprozesses, indem vorurteilsfrei danach gefragt wird, wie man sich selbst verbessern kann. Lernen kann vor allem derjenige, der bereit ist, sich selbst zu fragen, wie er sich verbessern und wie er aus Fehlern lernen kann. Das "Lernen lernen" setzt eine Fehlerkultur voraus, bei der sich jeder an die eigene Nase fasst.

Lernfähigkeit hat darum einiges mit Selbstreflexion und Selbsterkundung zu tun. In einer lernenden Apotheke ist jeder bereit, sich immer wieder zu fragen, welche Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden müssen, damit Lernprozesse verbessert und Verhaltensveränderungen ermöglicht werden können.

Klar ist: Der schwierigste Schritt auf dem Weg zur lernenden Apotheke besteht darin, diese Veränderungsbereitschaft zu wecken. Der Apotheker sollte in einem Meeting anhand konkreter Beispiele zeigen, wie Fehler, die einzelnen Mitarbeitern – oder auch ihm selbst – unterlaufen sind, letztendlich zu Verbesserungen geführt haben. So verdeutlicht er: "Die falsche Reaktion auf eine Kundenreklamation hat mich damals dazu gebracht, mich in diesem Bereich fortzubilden."

Einstellung mit Handlungen kombinieren: die "Themen-Spezialisten"

Wie immer gilt: Ohne die richtige Einstellung – hier das Lernen lernen wollen – geht gar nichts. Aber der Apotheker muss auch wissen, durch welche konkreten Handlungen er jene Veränderungsbereitschaft und jenen Lernwillen herbeiführen kann.

Eine Möglichkeit: Er entwickelt seine Mitarbeiter zu "Themen-Spezialisten". Was heißt das? In jeder Apotheke gibt es verschiedene Arbeitsabläufe und -prozesse. Der Apotheker definiert diese Prozesse und ordnet – nach Rücksprache mit dem jeweiligen Mitarbeiter – einen Prozess einem Mitarbeiter zu. Die Assistentin Müller zum Beispiel ist eine ganz exzellente Verkäuferin. Ihre Stärke liegt darin, im Frei- und Sichtwahlbereich eine fachkundige Beratung durchzuführen. Sie hat "ein Händchen" dafür, rasch Vertrauen zum Kunden aufzubauen. Und darum erhält sie vom Apotheker den Auftrag, diese Stärke zu stärken und ihre Erfahrungen an die Kollegen weiterzugeben.

Eine Alternative besteht darin, mit einem Mitarbeiter zu besprechen, dass er sich in einem Gebiet einarbeiten soll. Der Angestellte ist also noch kein Spezialist, soll sich aber zu einem solchen entwickeln. Der Mitarbeiter Huber hat Grundkenntnisse im Bereich Werbung und Marketing und soll zum Themen-Spezialisten für alles werden, was mit den Handverkaufsaufstellern und der Verkaufsförderung zu tun hat. Oder ein Kollege entwickelt sich zum Spezialisten für das Backoffice.

Lernkultur etablieren

Der Themenspezialist steht allen anderen Mitarbeitern als Experte auf seinem Gebiet zur Verfügung. Im Mittelpunkt: Die Weitergabe der Erfahrungen, die er im Apothekenalltag macht – bei Frau Müller sind dies die Beratungsgespräche im Frei- und Sichtwahlbereich. Zudem aber liest sie Fachbücher, Fachzeitschriften und Magazine zu ihrem Spezialgebiet und verfasst Zusammenfassungen, die allen interessierten Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden.

Wichtig ist: Die Mitarbeiter sollten ihr "Ja-Wort" abgegeben haben, sich also damit einverstanden erklären, ein Spezialgebiet zu übernehmen. Das Ganze soll ja schließlich auch Spaß machen – denn dass Spaß, Freude und positive Emotionen für das Gelingen von Lernprozessen keine unerheblichen Faktoren sind, ist bekannt.

Hinzu kommt: Erfolge feiern und Fehler als Startschuss für neue Lernprozesse definieren: Das ist die Saat, aus der eine gedeihliche Lernkultur erblühen kann.

Für Erfahrungsaustausch sorgen

Damit ist nicht nur der interne Erfahrungsaustausch gemeint: Apotheker und Mitarbeiter berichten von gelungenen Kundengesprächen und von Fehlern, die passiert sind, um daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Warum aber nicht auch den externen Erfahrungsaustausch forcieren?

So könnte der Apotheker einen Verkaufsprofi einladen, der dem Apothekenteam die neuesten Methoden zur Einwandbehandlung oder innovativen Argumentationsstrategie nahe bringt. Oder er führt der Apotheke frisches Ideen-Blut zu, indem er den Kontakt mit anderen Apotheken nutzt: Die Apothekenleiter und ihre Mitarbeiter tauschen sich aus, auch als Konkurrenten kann man voneinander lernen.

Vielleicht gelingt es sogar, einen oder mehrere Kunden hinzuzuziehen. Der Apotheker bittet einen Stammkunden, den er gut kennt, an dem Meeting teilzunehmen und zu berichten, welches Verbesserungs- und Lernpotenzial aus Kundensicht vorhanden ist.

Jede neue Perspektive ist eine gute Perspektive. Selbst der Praktikant kann einbezogen werden. Die besten "Berater" sind oft diejenigen, die noch nicht so lange in der Apotheke tätig sind und einen unbefangenen Blick auf die Prozesse werfen können. Sie haben noch keine Scheuklappen auf und sehen Dinge, die der lang gediente Apotheker nicht mehr sehen kann oder als gegeben und nicht veränderbar hinnimmt.

Weiterbildungsprozesse optimieren

Weiterbildung – das ist natürlich ein klassisches Lernfeld. Sinnvoll ist es, wenn der Apotheker mit dem Mitarbeiter, der eine Schulung besucht, permanent Gespräche führt – und zwar vor und nach der Schulung. Der Apotheker lässt sich vom Mitarbeiter detailliert Bericht erstatten, um die Umsetzung des Gelernten in der Apotheke optimal begleiten zu können.

Zudem sollte der Mitarbeiter nach jeder Weiterbildung die wesentlichen Lernergebnisse den Kollegen vorstellen – wiederum ist der Erfahrungsaustausch gefragt und das gemeinsame Lernen gewünscht..

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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