Arzneimittel und Therapie

Behandlung der Opiatabhängigkeit

Neues Kombinationspräparat soll Missbrauch reduzieren

Ein etablierter Bestandteil der Therapie Opiatabhängiger ist die medikamentöse Substitution. Die dafür eingesetzten Arzneimittel werden jedoch häufig missbräuchlich angewendet. Das zur Behandlung der Opiatabhängigkeit neu zugelassene Präparat Suboxone® , eine fixe Kombination aus Buprenorphin und Naloxon, soll dazu beitragen, diesen Missbrauch zu reduzieren. In Deutschland soll Suboxone® Anfang März dieses Jahres verfügbar sein.

In Deutschland werden zur Substitutionstherapie hauptsächlich DL-Methadon, Levomethadon (Polamidon®) und Buprenorphin (Subutex®) eingesetzt (siehe Kasten "Substitutionstherapie in Zahlen"). Ein großes Problem stellt die missbräuchliche Anwendung dieser Substanzen durch die Patienten dar. Dabei wird die ursprüngliche Darreichungsform (Tablette, orale Lösung) so verändert, dass sich die Substanzen intravenös oder intranasal applizieren lassen.

Ziel ist vor allem, durch die Steigerung der Bioverfügbarkeit eine Wirkungsverstärkung – in der Szenesprache als "Kick" bezeichnet – zu erreichen.

Häufig nehmen Patienten während einer Substitutionsbehandlung zusätzlich ohne Wissen des behandelnden Arztes weitere Medikamente (z. B. Tranquilizer) oder Drogen ein (siehe Kasten "Beikonsum").

Diese Formen des Missbrauchs sind meist mit einer erheblichen Gesundheitsschädigung verbunden. So führt der unkontrollierte gleichzeitige Konsum mehrerer Substanzen zu Wechselwirkungen, die nicht selten tödlich verlaufen.

Werden Tabletten, die als Hilfsstoff Talkum enthalten, zermahlen, aufgelöst und intravenös appliziert, können sich in den Augen und inneren Organen Fremdkörpergranulome bilden. Häufig wird auch die in der Apotheke hergestellte Methadon-Lösung missbräuchlich intravenös angewendet. Durch den – je nach Rezeptur – darin enthaltenen Fruchtsaft oder Sirup ist die Osmolarität dieser Lösung jedoch so hoch, dass das betroffene Gefäß dabei regelrecht "verödet" wird. Die Injektion einer solchen Lösung kann bis zum Verlust von Extremitäten, zu Thrombosen und Embolien führen, Schlaganfälle und Herzinfarkte sind zu beobachten.

Kombination mit Naloxon kann Missbrauch reduzieren

Auch Buprenorphin, das seit 2000 in Deutschland zur Substitutionstherapie zugelassen ist, wird missbräuchlich verwendet. Die zur sublingualen Anwendung bestimmten Tabletten (Subutex®) werden vom Anwender entweder zermahlen und nasal appliziert oder in Wasser aufgelöst und intravenös injiziert.

Mit der fixen Kombination aus Buprenorphin und Naloxon in Tablettenform steht jetzt ein neues Medikament zur Verfügung, mit dem einerseits eine effektive Substitution möglich ist, andererseits aber die Möglichkeiten des Missbrauchs stark eingeschränkt werden. In Suboxone® ist der Partialagonist Buprenorphin mit dem Antagonisten Naloxon im Mengenverhältnis vier zu eins (vier Anteile Buprenorphin auf einen Anteil Naloxon) kombiniert. Wendet der Patient die Tabletten nach Auflösung intravenös an, entfaltet zunächst Naloxon durch Blockade der Opiatrezeptoren im Gehirn seine Wirkung. Für einen opiatabhängigen Patienten bedeutet dies, dass er für einen Zeitraum von 15 bis 90 Minuten ein Entzugssyndrom durchleiden muss, das jedoch nicht lebensbedrohlich ist und keine dauerhaften gesundheitlichen Schäden hervorruft. Es soll dem Patienten jedoch vermitteln, dass diese Art der Anwendung nicht sinnvoll ist und ihn von weiteren Missbrauchsversuchen abhalten. Wird das Präparat wie vorgesehen sublingual angewendet, kommt Naloxon nicht zur Wirkung, da es nur sehr schlecht über die Sublingualschleimhaut resorbiert werden kann. Es wird vielmehr mit dem Speichel geschluckt und nach der Darmpassage in der Leber zu unwirksamen Metaboliten abgebaut. Buprenorphin entfaltet nach sublingualer Resorption und Bindung an die Opioidrezeptoren (µ-Rezeptoren) im Gehirn seine Wirkung, die dazu führt, dass bei regelmäßiger Einnahme das Verlangen des Suchtpatienten nach Opiaten vermindert ist.

Studien zeigen Nutzen der Substitutionsbehandlung

Die Substitutionstherapie suchtkranker Menschen ist – nicht zuletzt wegen ihres Missbrauchspotenzials – nicht unumstritten. Dass sie in Deutschland jedoch bereits Erfolge aufweisen kann, zeigen die Ergebnisse der dreijährigen COBRA-Studie (Cost benefit and risk appraisal for substitution treatment). Es handelt sich dabei um die weltweit größte Verlaufsstudie zur Substitutionsbehandlung, bei der 2694 hauptsächlich mit Methadon, Levomethadon oder Buprenorphin behandelte Patienten aus über 223 Einrichtungen in Deutschland über ein Jahr klinisch verfolgt wurden. Dabei zeigte sich, dass über 65% aller Patienten erfolgreich über ein Jahr in der Therapie gehalten werden konnten und ihren Substanzkonsum reduzierten. Über 11% aller Patienten wurden abstinent oder schafften im Studienverlauf den Wechsel in eine weiterführende drogenfreie Abstinenztherapie. Der meist sehr schlechte, durch viele akute und chronische Erkrankungen gekennzeichnete Gesundheitszustand der Patienten wurde deutlich gebessert.

Bezüglich Suboxone® zeigte sich in Ländern wie den USA, in denen das Medikament bereits eingesetzt wird, ein drastischer Verfall des Schwarzmarktpreises. Das deutet darauf hin, dass dieses Substitutionsmittel tatsächlich für eine missbräuchliche Anwendung uninteressant ist. Suboxone® darf nur im Zusammenhang mit einem umfassenden Therapieprogramm verordnet werden und soll in Deutschland ab Anfang März verfügbar sein.

Quelle

Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, Dresden, Dr. Jörg Gölz, Berlin, Priv.-Doz. Dr. Markus Backmund, München: Pressekonferenz "Neue Therapieoptionen mit Suboxone® in der Behandlung der manifesten Opiatabhängigkeit", Berlin, 26. Januar 2007, veranstaltet von der essex pharma GmbH, München.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
Sublingualtablette Die sublinguale Anwendung der weißen, hexagonalen, bikonvexen Suboxone® -Tabletten mit einem eingeprägten Schwert-Logo auf der einen Seite ist die einzige wirksame Art der Anwendung für dieses Arzneimittel.
Substitutionstherapie
in Zahlen
Im Jahre 2005 befanden sich in Deutschland 61.000 Patienten in dauerhafter Substitutionstherapie. Die verordneten Medikamente verteilten sich wie folgt:
Methadon 66,2%
Buprenorphin 17,2%
Levomethadon 15,8%
Dihydrocodein 0,7%
Codein 0,1%
(Quelle: Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung, Mai 2006)
  • Die Sublingualtabletten werden bis zur Auflösung, die nach fünf bis zehn Minuten erreicht ist, unter der Zunge gehalten.
  • Suboxone® darf nicht zusammen mit Alkohol oder anderen zentral dämpfenden Mitteln (z. B. anderen Opiaten, Tranquilizern) eingenommen werden (Gefahr der Atemdepression).
  • Der verschreibende Arzt hat die Pflicht den Patienten darüber zu informieren, dass die sublinguale Applikation die einzig wirksame und sichere Art der Anwendung darstellt.
(Quelle: Fachinformation Suboxone® Sublingualtabletten, Stand 2007)
Beikonsum bei
Buprenorphin-Patienten
Eine Analyse des Beikonsums von 1613 mit Buprenorphin substituierten Patienten ergab, dass 50,6% von ihnen weitere Substanzen konsumierten:
Cannabis 41,9 %
Benzodiazepine 14,7 %
Opiate 13,0 %
Kokain 6,3 %
Amphetamine 0,7 %
Methadon 5,2 %
(Quelle: Jörg Gölz, Berlin)

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