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Arzneimittel und Therapie
Infektionsquelle Krankenhaus Ruf nach dem GesetzgeberKrankenhausinfektionen werden nicht nur vom Robert Koch-Institut (RKI) als ein infektiologisches Problem höchsten Ranges angesehen. Auch die deutsche Versicherungswirtschaft fürchtet die hohen Kosten, die durch nosokomiale Infektionen entstehen. Sie drängt zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene auf eine gesamtnationale Präventionsstrategie. Die Politik solle sich endlich des Problems annehmen. Die Bundesregierung verweist dagegen auf bestehende Regelungen, mit denen das Problem zu lösen sein sollte.
Soeben hat die Allianz Deutschland AG zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene ihren Report "Krank im Krankenhaus" vorgestellt. Er soll für das Problem nosokomialer Infektionen sensibilisieren und einen Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit leisten. In Beiträgen und Interviews mit führenden Wissenschaftlern wird darüber informiert, welche Rolle der Einsatz von Antibiotika bei der Entstehung von resistenten Bakterien spielt und welche Gefahren von Erregern ausgehen, die mit keiner der zur Verfügung stehenden antimikrobiellen Substanzen zu bekämpfen sind. Angeprangert wird vor allem der wahllose und oft unnötige Einsatz von Antibiotika: Begünstigt werde die Resistenzentwicklung, so Prof. Dr. Axel Kramer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, durch den falschen Einsatz der antimikrobiellen Substanzen, Unterdosierung sowie zu kurze oder zu lange Anwendungsdauer.
RKI-Empfehlungnicht verbindlich
Welche gesetzlichen Vorschriften zur Umsetzung der Krankenhaushygiene in den einzelnen Krankenhäusern zu beachten sind, ist Sache der einzelnen Bundesländer. Bislang gibt es nur in Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen eine Krankenhaushygieneverordnung. Eine Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut liegt zwar vor, hat aber keinen verbindlichen Charakter. Kramer fordert daher, dass die Politik endlich die Krankenhaushygiene oben auf ihre Agenda nehmen soll.
Regierung: Gesundheitsämter können einschreiten
Die Bundesregierung sieht dagegen keinen besonderen Handlungsbedarf. Das ist einer Antwort zu entnehmen, die namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit am 30. Juli 2007 auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Die Linke gegeben wurde. Auf die Frage, ob es sinnvoll wäre, die RKI-Empfehlungen als obligatorische Richtlinie mit Sanktionierungsmechanismen auszugestalten, verweist sie darauf, dass die gegenwärtigen Regeln als ausreichend anzusehen sind, wenn sie konsequent angewendet werden. Krankenhausträger und die im Krankenhaus tätigen medizinischen Berufsgruppen seien heute schon verpflichtet, nach dem Stand des Wissens zu handeln. Dazu gehöre auch die Einhaltung der Hygienevorschriften. Dem Öffentlichen Gesundheitsdienst werde mit §36 Infektionsschutzgesetz die Überwachung von Krankenhäusern auferlegt. Wenn grobe Verletzungen der Einhaltung der RKI-Empfehlungen vorliegen würden, ohne dass das im Einzelfall sachlich begründet wäre, könne das jeweilige Gesundheitsamt Maßnahmen gegen das betroffene Krankenhaus einleiten, die bis zur Schließung der Einrichtung gehen können.
Nosokomiale Infektionen unterliegen in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Infektionskrankheiten keiner Meldepflicht. Allerdings sind die Krankenhäuser nach § 23 Infektionsschutzgesetz dazu verpflichtet, nosokomiale Infektionen und das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen aufzuzeichnen und zu bewerten. Diese Aufzeichnungen müssen auf Verlangen dem zuständigen Gesundheitsamt vorgelegt werden. Kommt ein Krankenhaus dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nach, können Bußgelder verhängt werden. Darüber, ob eine Meldepflicht wie in Irland üblich, die Situation verbessern könnte, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
Vorbild Niederlandeund Dänemark
Internationalen Erhebungen zufolge infizieren sich zwischen 3,5 und 9% aller stationär aufgenommenen Patienten im Krankenhaus mit nosokomialen Erregern. Die Bundesregierung verweist auf Zahlen, nach denen in Deutschland von den jährlich etwa 16 Millionen vollstationär behandelten Patienten 3,5% an nosokomialen Infektionen erkranken. Das sind zwischen 500.000 bis 800.000 Patienten. Im internationalen Vergleich sei diese Rate sehr gering. Über die Anzahl der durch nosokomiale Infektionen ausgelösten Todesfälle gebe es keine verlässlichen Schätzungen. Vor allem nosokomiale Lungenentzündungen und Sepsis gehen mit einem hohen Sterberisiko einher. An einer Sepsis versterben bis zu 35% der Patienten. Führende Krankenhaushygieniker gehen davon aus, dass jährlich 3500 Patienten in Deutschland infolge einer nosokomialen Infektion sterben. Das Risiko für nosokomiale Infektionen wäre ihrer Meinung nach um ein Drittel zu reduzieren, wenn die allgemein anerkannten Präventionsstrategien konsequent umgesetzt werden würden. Als Beispiel werden die Niederlande und Dänemark angeführt. Dort sei es gelungen, durch eine national einheitlich durchgesetzte Präventionsstrategie Selektion und Ausbreitung Methicillin-resistenter Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) drastisch zu reduzieren. In den Niederlanden und Skandinavien sollen die nosokomialen Infektionsraten nur 10% der der deutschen betragen.
Mangelhafte Umsetzung der RKI-Empfehlung
Dagegen haben in Deutschland MRSA-Infektionen in den letzten Jahren stark zugenommen. Dafür wird eine mangelhafte Hygiene und Vorsorge in vielen Kliniken verantwortlich gemacht. Die Hygiene- und Präventionsempfehlungen des RKI würden nicht konsequent umgesetzt.
Um das Problem wie in den Niederlanden und Skandinavien in den Griff zu bekommen, ist nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene auch für Deutschland eine bundesweit einheitliche Präventionsstrategie notwendig. Die Prävention muss in der Einheit von Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention realisiert werden, so Kramer. Hauptziel der Primärintervention sei die Etablierung des antiinfektiven Multibarrieresystems einschließlich dessen ständiger Optimierung und laufender Überwachung sowie die Erfolgskontrolle als Kernpunkt der Surveillance. Das antiinfektive Multibarrieresystem beinhaltet die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Unterbrechung von Infektionswegen, Aufbereitung von Medizinprodukten, Tragen von Bereichs- und Schutzkleidung, Schutzimpfungen, Isolierung und Barrierepflege, desinfizierende Flächenreinigung und ausgewogene Antibiotikastrategie. Um die Selektion und Ausbreitung multiresistenter Erreger einzudämmen, sei eine nationale Antibiotikastrategie und -kontrolle dringend notwendig.
QuelleZunahme von Krankenhausinfektionen. Deutscher Bundestag - 16. Wahlperiode. Drucksache 16/6185
Krank im Krankenhaus. Ein Report der Allianz. 20. September 2007. Abrufbar unter www. allianz.com
- Ein Viertel aller nosokomialer Infektionen wird durch Methicillin-resistente-Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) verursacht. Sie sind immer häufiger nicht mehr nicht nur gegen Beta-Lactam-Antibiotika und Methicillin resistent, sondern auch gegen andere Antibiotika wie Ciprofloxacin, Erythromycin, Clindamycin, Gentamicin, Vancomycin und Linezolid.
- Eine zweite Problemgruppe bilden Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) • Bei ihnen wird auf deutschen Intensivstationen die stärkste Resistenzzunahme verzeichnet.
- Infektionen mit Extend-Spectrum-Beta-Lactamase-bildenden Enterobakterien (ESBL) sind in Deutschland bislang nur sporadisch aufgetreten, europaweit gibt es allerdings über 20 dokumentierte Ausbrüche, so dass erhöhte Wachsamkeit erforderlich ist.
- An vierter Stelle stehen Infektionen mit multiresistenten Pseudomonaden , die nur noch durch ältere, mit schweren Nebenwirkungen behaftete Antibiotika bekämpft werden können.
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