Apothekenpraxis

Beratungsräume in Apotheken

Zur erfolgreichen Information und Beratung von Patienten gehört neben der Kommunikationsfähigkeit des Apothekenpersonals auch eine zur vertraulichen Beratung einladende Atmosphäre in den Apotheken. Eine Umfrage im Kreis Soest (NRW) zeigte, dass ein Großteil der Bevölkerung die derzeitige Situation in den Apotheken für verbesserungsdürftig hält. Demgegenüber schätzen die meisten Apothekenleiter ihr räumliches Angebot als vertraulich genug ein. Aufgrund dieser Fehleinschätzung könnten sie mit ihrem Anspruch, die erste Anlaufstelle bei Arzneimittelfragen zu sein, unglaubwürdig werden.
Beratungsplätze für Patienten sind schon heute in größeren Apotheken Finnlands und Estlands (Foto) üblich. Ein Vorbild auch für deutsche Apotheken?

Apotheken müssen über Arzneimittel informieren und beraten. Diese pharmazeutische Kernaufgabe ist seit 1987 in der Apothekenbetriebsordnung fixiert. Ob die Kommunikation zwischen dem pharmazeutischen Personal auf der einen Seite und den Patienten oder Kunden auf der anderen Seite erfolgreich ist, hängt allerdings von vielen Faktoren ab, wie Gesprächsbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Vertrauen, Offenheit und Verständnis. Auch das räumliche Angebot spielt hier eine Rolle.

Wenn ein Patient oder Kunde eine Apotheke betritt, signalisiert ihm die räumliche Gestaltung: In dieser Apotheke kann ich eine vertrauliche Einzelberatung erhalten, oder in dieser Apotheke werden in erster Linie Waren zum Verkauf angeboten. Je nach Einrichtung der Apotheke sind verschiedene Beratungsangebote möglich:

  • ein selbstverständliches Angebot an jedem Platz,
  • eine Insel im sonst verkaufsaktiven Ambiente,
  • eine Beratungsecke oder
  • ein separater Beratungsraum.

Aufgrund der innenarchitektonischen Präsentation fühlt sich der Patient oder Kunde in der Apotheke – zunächst unabhängig vom Personal – mehr oder weniger zu einem vertraulichen Beratungsgespräch eingeladen. Seine Gefühle und Eindrücke haben auch Einfluss darauf, ob er sich bereitwillig auf die Beratung einlässt [1].

Die Apothekenbetriebsordnung schreibt seit 1994 vor, die Offizin so einzurichten, dass die Vertraulichkeit der Beratung gewahrt ist. In der Begründung der Änderung wurde bereits auf Diskretionszonen hingewiesen, wie sie schon damals bei den Banken selbstverständlich waren [2].

Die Bedeutung der räumlichen Gestaltung von Apotheken ist seit den 80er-Jahren, als man mit der Einführung der Informations- und Beratungsverpflichtung die Einrichtung von Beratungsecken und -räumen diskutierte, hervorgehoben worden [4]. 1996 forderte der damalige Präsident der Bundesapothekerkammer sogar die vertrauliche Beratung grundsätzlich bei jeder Abgabe eines Arzneimittels [5]. Doch stießen die Standesvertreter bei ihren Bemühungen in der Apothekerschaft nicht immer auf offene Ohren.

Nach inzwischen fast 20 Jahren gesetzlich fixierter Beratungsverpflichtung stellt sich die Frage, wie erfolgreich das Konzept der Beratungsecke, des Beratungsraumes oder auch der "Beratungsinsel" war, zumal in manchen Apotheken eine geschäftsmäßige Atmosphäre herrscht, die eine vertrauliche Beratung beeinträchtigen kann [6].

Umfrage im Kreis Soest

Die Vertraulichkeit der Beratung in Apotheken war das Thema einer repräsentativen Telefonbefragung (n = 1014 Befragte) im Kreis Soest (Nordrhein-Westfalen); ergänzend dazu wurden Apothekenleitern dieses Kreises ähnliche Fragen gestellt, um die Antworten miteinander vergleichen zu können [7]. Im Folgenden werden zuerst die Antworten der Bevölkerung zusammengefasst.

Die Hälfte der Bevölkerung ist mit der Beratung zufrieden

Auf die Frage "Für wie vertrauenswürdig halten Sie persönlich Informationen über Medikamente aus Apotheken?" erreichen die Apotheken nach den Ärzten die zweithöchste Bewertung (Abb. 1). Die Apotheken erhalten somit einen großen Vertrauensbeweis – ein Ergebnis, das sich immer wieder in vergleichbaren Untersuchungen zeigen lässt.

Ungefähr die Hälfte der Befragten gibt an, immer oder häufig in der Apotheke beraten worden zu sein. Von diesen sind nach eigenen Angaben wiederum die Hälfte ungefragt beraten worden (Abb. 2 und 3). Insgesamt werden demnach ungefähr ein Viertel der Befragten ohne eigene Aufforderung beraten. Dieser Wert zeigt, dass die Apotheken ihre Beratungspflicht zu einem beachtlichen Teil wahrnehmen, denn versteckte Beratungsangebote der Apotheken (z. B. der Versuch, über Nachfragen in ein Beratungsgespräch einsteigen zu können) werden von den Patienten sicherlich nicht immer als "unaufgeforderte" Beratung wahrgenommen, müssen also hinzugerechnet werden.

Auf eine der Kernfragen "Wenn Sie eine vertrauliche Beratung über Medikamente oder zu gesundheitlichen Problemen benötigen – würden Sie sich dann an eine Apotheke wenden?" antwortete jeweils etwa die Hälfte der Befragten mit Ja bzw. mit Nein (Abb. 4). Die zu einem späteren Zeitpunkt im Telefoninterview vorgelegte Aussage "Die derzeitige Atmosphäre in den Apotheken regt mich nicht dazu an, ein vertrauliches Gespräch zu führen", wird ebenfalls von der Hälfte der befragten Bevölkerung bejaht bzw. verneint (Abb. 5).

Höher gebildete Personen erwarten mehr Beratung

An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die soziale Herkunft der Befragten. Anhand der Zahlen lässt sich bei der ersten Frage belegen, dass sich Menschen mit einem höheren Schulabschluss und einem höheren Einkommen seltener eine vertrauliche Beratung in Apotheken vorstellen können (37,5%) als Menschen mit geringerem Schulabschluss und Einkommen (47,7%).

Ebenfalls deutlich wird dies bei der fünften Frage: Der Aussage, dass die derzeitige Atmosphäre nicht zu einem vertraulichen Gespräch anregt, stimmen Menschen mit einem höheren Schulabschluss zu mehr als 37% zu, während der Anteil der Menschen mit einem niedrigeren Schulabschluss bei dieser Frage bei nur 24% liegt (Durchschnitt: 35,2%). Zwar sind die Antworten aufgrund der Zahlenstärke dieser Untergruppen nur eingeschränkt repräsentativ, es zeigt sich aber tendenziell, dass die derzeitige atmosphärische Situation in Apotheken die Kunden mit einem höheren Schulabschluss nicht ausreichend zu einem vertraulichen Gespräch über Arzneimittel und Krankheiten motiviert!

Dies zeigt sich auch bei einer der vier Fragen, was "bei einer vertraulichen Beratung in der Apotheke wichtig" wäre (Abb. 6): Dass sie "ihr Beratungsanliegen ungestört von anderen Kunden in der Apotheke vorbringen" können, halten 79,6% der Befragten mit einem höheren Schulabschluss, aber nur 70,2% der Befragten mit einem niedrigeren Schulabschluss für wichtig oder sehr wichtig (Durchschnitt: 74,7%). Noch wichtiger ist den Befragten allerdings, dass ausreichend Zeit für die Beratung zur Verfügung steht und diese zügig und genau erfolgt.

Die Bürgerinnen und Bürger des Kreises Soest wurden auch über eine räumliche Aufteilung befragt, wie sie beispielsweise in Finnland oder Estland häufig anzutreffen ist. Dort erfolgt der normale Kundenkontakt in voneinander abgegrenzten Bereichen, in denen sich der Kunde mit dem Apotheker an einem Tisch zur Information und Beratung gegenüber sitzen. Für den eiligen Kunden steht dort ein Expressbereich zur Verfügung, mit dessen Nutzung der Kunde signalisiert, dass er keine ausführliche Beratung wünscht. Natürlich besteht auch an den Expressschaltern für das pharmazeutische Personal die Möglichkeit, wichtige Informationen zu vermitteln und ein ausführliches Beratungsgespräch anzubieten.

56,3% derjenigen Befragten im Kreis Soest, die zuvor die Frage bejahen, sich beim Wunsch nach einer vertraulichen Beratung an die Apotheken zu wenden, würden eine solche räumliche Aufteilung auch in deutschen Apotheken begrüßen (Abb. 7), wobei diesen Wunsch in erster Linie Befragte der Altersgruppe 18 bis 24 Jahre (68,3%) sowie Befragte mit Mittlerer Reife (62,1%) äußern. Am wenigsten können sich dies Befragte aus der Gruppe der älteren Menschen ab 60 Jahren (49,1%) und mit einem niedrigeren Schulabschluss (43,2%) vorstellen. Insgesamt ziehen die Befragten jedoch eine räumliche Aufteilung in Apotheken vor, die an jedem Platz eine vertrauliche Beratung ermöglicht. Ein solches Beratungsangebot wird von 73,7% begrüßt, wobei jüngere Befragte diesem Modell eher zustimmen (77, 9%) als ältere (71,4%). In der sozialen Schichtung zeigt sich bei dieser Frage kein eindeutiger Trend.

Das Beratungsangebot in einem von der Offizin abgetrennten Raum befürworten 58,3%, wobei dies eher von jüngeren (64,7%) als von älteren Befragten bevorzugt wird. Auch bei dieser Frage lässt sich kein Trend bei der sozialen Schichtung erkennen.

Zusammenfassend zeigt die Untersuchung, dass die Bevölkerung im Kreis Soest das Informations- und Beratungsangebot der Apotheken positiv beurteilt, die räumlichen Voraussetzungen in Apotheken aber verbessert werden können. Vor allem Kunden mit höherem Schulabschluss und höherem Einkommen wollen noch mehr vom Angebot überzeugt werden. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist dabei die räumliche Gestaltung des Beratungsangebots.

Apothekenleiter unterschätzen den Beratungsbedarf

Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Antworten der befragten Apothekenleiter, die sich für die Befragung zur Verfügung stellten (n = 45; 54%), wird deutlich, dass sie das Interesse der Bevölkerung an vertraulicher Beratung noch immer unterschätzen. Nur knapp die Hälfte der Apothekenleiter beurteilt ein ungestörtes Vortragen des Beratungsanliegens für den Patienten als wichtig (Abb. 8). Etwa 90% halten sogar die derzeit vorherrschende Situation am HV-Tisch für den überwiegenden Kundenanteil als ausreichend vertraulich. Konsequenterweise kann sich nur ein Fünftel der befragten Apothekenleiter eine Aufteilung des Offizinbereiches in beratungsaktive, vertraulichere Bereiche und Expressschalter nach finnischem Vorbild "gut" vorstellen (weitere 35% antworteten mit "vielleicht"; Abb. 9).

Zur vertraulichen Beratung einladen!

Die bislang meist auf Verkaufsoptimierung angelegte Innenraumgestaltung der Offizinen steht in einem gewissen Widerspruch zum häufig von Apothekern geäußerten Anspruch, die erste Anlaufstelle der Bevölkerung für Information und Beratung zu Arzneimitteln sein zu wollen. Ein verändertes Raumangebot, das noch mehr als bisher zu einem Beratungsgespräch einlädt, wäre sicherlich ein wichtiger Schritt, die Glaubwürdigkeit der Apothekerschaft in diesem Bereich zu erhöhen. Dabei gilt es vor allem, die höher gebildeten Bevölkerungsschichten zu überzeugen, die derzeit dem Beratungsauftrag der Apotheken noch etwas kritischer gegenüberstehen. Da diese Schichten bei der Meinungsbildung und in der politischen Auseinandersetzung um die Zukunft der Apotheke im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle spielen, sollten sich die Apotheker stärker bemühen, die Offizin als patientenorientiertes Beratungszentrum in Arzneimittelfragen zu gestalten.

Literatur

[1] Großmaß R: Beratungsräume und Beratungssettings, in: Nestmann F, Engel F, Sickendiek U (Hrsg.): Das Handbuch der Beratung, Band 1. dgvt-Verlag, Tübingen 2004.

[2] Dtsch. Apoth. Ztg. 133 (1993), 2220.

[3] Korzilius H: Patientensicherheit. Arzneitherapie – ein Hochrisikoprozess. Dtsch. Ärztebl. 102 (2005), 1174–1175.

[4] Thesen für die Praxis: "Der Apotheker als Gesundheitserzieher". Pharm. Ztg. 125 (1980), 650–655; Lindemann H-B: Beratungsecke – ja oder nein? Pharm. Ztg. 132 (1987), 213; Gebler H: Die Beratungsecke. Pharm. Ztg. 142 (1997), 1269.

[5] Morck H: Verbandspolitik auf dem Prüfstand. Pharm. Ztg. 143 (1998), 287-–288.

[6] Schaeffer D, Dierks M-L: Patientenberatung in Deutschland, in: Schaeffer D, Krause H (Hrsg.): Patientenberatung. Huber-Verlag, Bern 2005.

[7] Möller B: Gesundheitsberatung in öffentlichen Apotheken. Masterarbeit im Studiengang Public Health, Univ. Bielefeld 2005 (unveröffentlicht).

Korrespondenzanschrift:

Dr. Udo Puteanus

Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW, Abteilung 3 Arzneimittel

Von-Stauffenberg-Str. 36, 48151 Münster

udo.puteanus@loegd.nrw.de
Riskante Pharmakotherapie
Es ist unumstritten, dass Arzneimitteltherapie ein "Hochrisikoprozess" ist [3]. Falsche Verordnung, falsche Handhabung und falsche Einnahme von Arzneimitteln durch Patienten führen jährlich zu Tausenden von Krankenhauseinweisungen und verursachen bis zu einer halben Milliarde Euro Kosten. Es ist deshalb notwendig, dass die Apotheke den Patienten einerseits bei der Auswahl des richtigen Medikamentes im Rahmen der Selbstmedikation unterstützt und ihm andererseits bei ärztlich verordneten Arzneimitteln den Sinn der Verordnung erläutert. Besonders wichtig sind Hinweise zur Anwendung und die Aufklärung über die Wirkungen (auch die unerwünschten). Außerdem sollte die Apotheke dem Patienten behilflich sein, eine therapeutische Maßnahme in die individuelle Lebenssituation einzubauen. Beim Arzt verhindert mangelnde Zeit oftmals die dafür notwendige Tiefe des Gesprächs. Auch deshalb bietet sich hier den Apotheken eine Chance zur Profilierung.

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