Immunologie

Immunsystem aus dem Lot

Das Immunsystem ist ein komplexes Netzwerk mit exakt aufeinander abgestimmten Regelmechanismen, das Bedrohungen durch Viren, Pilze, Bakterien und Parasiten erfolgreich abwehren kann. Wie das gelingt, ist dem in DAZ 11 (2007) veröffentlichten Artikel "Grundprinzipien des Immunsystems" zu entnehmen. Ist oder wird das komplexe Regelwerk gestört, resultieren Erkrankungen, zu denen Erbkrankheiten, Infektionskrankheiten, Allergien und Autoimmunkrankheiten zählen.

Im Idealfall besteht ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen dem Erkennen eines pathogenen Eindringlings und der dadurch hervorgerufenen Immunantwort (s. Abb. 1, S. 67 ff). Leider kommt es aber immer wieder zu einer Verschiebung des Gleichgewichts, wobei man beide Richtungen beobachten kann: Man wird ständig krank, jeder Windhauch führt zu einer Infektion und man hat den Eindruck, dass das Immunsystem einfach nicht ausreichend reagiert. Das wird dann als Immundefizienz bezeichnet. Das andere Ende der Skala beherrschen Allergien und Autoimmunerkrankungen, bei denen entweder z.B. unschädliche Pollen oder Nahrungsbestandteile mit zum Teil heftigen Immunreaktionen bekämpft werden, beziehungsweise sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen wendet und diese zerstört.

Bei Immundefizienzen kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen Erkennen des Pathogens und effizienter Immunantwort. Dieses Ungleichgewicht kann auf verschiedene Arten entstehen: Entweder wird das Pathogen nicht als Fremd erkannt oder es kann nicht effizient bekämpft werden. Und an beiden Komponenten sind sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem beteiligt. So verwundert es nicht, dass Defekte im Komplementsystem oder bei Phagozyten, aber auch Defekte bei den B- und T-Zellen zu Immundefizienzen führen können.

Primäre Immundefizienzen:Folge von Gendefekten

Je nachdem, ob der Defekt erblich bedingt oder im Laufe des Lebens erworben wurde, unterscheidet man zwischen den so genannten primären und den sekundären Immundefizienzen. Häufig werden die Gendefekte, die zu einer primären Immundefizienz führen, rezessiv vererbt. Das heißt, dass sowohl vom Vater als auch von der Mutter ein entsprechender Defekt vererbt werden muss, um wirklich zu einer Erkrankung zu führen. Anders ist es bei den X-chromosomal vererbten Immundefizienzen, wie z.B. dem X-gekoppelten Hyper-IgM-Syndrom, der X-gekoppelten Agammaglobinämie, dem X-gekoppelten lymphoproliferativen Syndrom oder der X-gekoppelten SCID (severe combined immuno deficiency). Hier ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine phänotypisch gesunde Mutter, die aber Trägerin eines defekten X-Chromosoms ist, einen kranken Sohn bekommt, immerhin 50 %.

Bubble-Babys: Hoffnung auf Gentherapie

Gerade SCID ist eine schwere Erkrankung, die dazu führt, dass betroffene Kinder direkt nach der Geburt in eine keimfreie Umgebung gebracht werden müssen und nur als "bubble babies" leben können. Bei diesen Kindern fehlt der komplette adaptive Teil des Immunsystems. Sie können also weder T- noch B-Zellen ausbilden und ihnen kann derzeit nur mit einer Knochenmarkspende geholfen werden. Gentherapeutische Ansätze, um diesen Kindern intakte Genkopien zu verabreichen, zeigten erste viel versprechende Ergebnisse. Allerdings ist die Gentherapie noch weit davon entfernt, routinemäßig eingesetzt zu werden. Agammaglobinämien sind dagegen vergleichsweise "harmlos". Hier ist "nur" die Entwicklung der B-Zellen gestört und es gibt Möglichkeiten, die fehlenden Antikörper über entsprechende Immunglobulinpräparate zu substituieren oder auftretende Infektionen frühzeitig mit Antibiotika oder Virusstatika zu bekämpfen.

Sekundäre Immundefizienzen durch Viren und Tumoren

Sehr viel häufiger als die primären sind allerdings die sekundären Immundefizienzen. Deren Ursachen können neben einer HIV-Infektion beispielsweise in Tumoren des blutbildenden Systems liegen. Aber auch Chemo- oder Strahlentherapien nach Tumorerkrankungen führen zu sekundären Immundefizienzen. Eine Mangelernährung oder aber psychosomatische Störungen können sich ebenfalls in einer gesteigerten Infektanfälligkeit äußern. Gerade in diesen Fällen kann man sich sehr gut vorstellen, dass eine Supplementation mit Vitaminen und Spurenelementen oder eine Behandlung des Grundleidens zu einer Verbesserung der Symptomatik führt. Im Allgemeinen sind diese Probleme aber wohl von untergeordneter Relevanz, da die Durchschnittsbevölkerung über die tägliche Nahrungszufuhr ausreichend mit Vitaminen und Spurenelementen versorgt ist. Lediglich ältere Menschen sollten eine Supplementation mit Vitaminen und Spurenelementen ernsthaft in Erwägung ziehen, wie eine Studie in den Niederlanden kürzlich gezeigt hat [Wolvers et al., 2006].

Immunstimulanzien zur Stärkung?

Bestimmte Virusinfektionen, beispielsweise mit Papillomviren oder Herpes-simplex-Viren, können auf ein geschwächtes Immunsystem hindeuten, so dass in solchen Fällen an den Einsatz eines Immunstimulans gedacht werden kann (Abb.1a). Durchforstet man die Arzneistoffe auf immunstimulierende Wirksamkeit, findet man derzeit nur zwei chemisch-synthetische Wirkstoffe: Dimepranol-4-acetamido-benzoat: Inosin und Imiquimod. Ersterer stimuliert die Proliferation und Differenzierung immunkompetenter Zellen und stört gleichzeitig die virale Replikation. Eventuell ist hier der Toll-like-Rezeptor 3 (TLR3) involviert, der von seinem Liganden poly (I:C) aktiviert wird.

Die Wirkung von Imiquimod als Immunstimulans zur topischen Behandlung von Genitalwarzen ist vermutlich über eine Aktivierung des TLR7 zu erklären. TLR7-Agonisten adressieren vor allem Zellen, die nach Stimulation verstärkt Typ-I-Interferone wie IFNα ausschütten. Insofern könnten z.B. der TLR7-Agonist Isatoribin (7-Thia-oxoguanosin) oder sein oral bioverfügbares Prodrug ANA975 potenzielle Arzneimittel gegen Virus-Infektionen sein, indem sie die körpereigene IFNα-Ausschüttung stimulieren. Ob diese allerdings die derzeit eingesetzten, rekombinant hergestellten Alfa-Interferone entbehrlich machen würden, ist hoch spekulativ. Sicherlich werden aber weitere TLR7-Agonisten entwickelt und getestet werden, die klären werden, ob dieser Rezeptor als ein realistisches Arzneimitteltarget validiert werden kann.

Den Immunstimulanzien-Markt dominieren nach wie vor Naturstoffe. Vitamine und Mineralstoffe wurden bereits erwähnt. An der Grenze zu Nahrungsergänzungsmitteln sind Pflanzenextrakte z. B. vom Sonnenhut, der Mistel oder von Schwarzkümmel anzusiedeln. Oft wird auch der Extrakt aus Pelargonium-sidoides -Wurzeln zur Immunstimulation eingesetzt, selbst wenn dafür eigentlich primär eine antimikrobielle Wirkung gezeigt wurde und das entsprechende Präparat bei einer akuten Bronchitis indiziert ist.

Den Wirkmechanismus dieser pflanzlichen Immunstimulanzien kennt man nicht genauer, aber man kann sich vorstellen, dass hier, ebenso wie bei den bakteriellen Immunstimulanzien wie Bacillus Calmette-Guérin (BCG) die Toll-like Rezeptoren stimuliert werden und damit zunächst das angeborene Immunsystem aktiviert wird. Auf diese Weise wird die ursprünglich schlechte Erkennung des Pathogens umgangen und die normale Immunantwort induziert. Kommt es anschließend auch zu einer Aktivierung spezifischer Komponenten gegen das ankommende Pathogen, hat man den gewünschten Effekt einer schnellen und wirksamen Infektabwehr. Leider ist dies nicht immer gesichert der Fall – das weiß jeder, der sich trotz der Einnahme eines pflanzlichen Immunstimulans eine satte Erkältung eingefangen hat.

Biologicals: High-Tech-Immunstimulanzien

Als "High-Tech"-Wirkstoffe unter den Immunstimulanzien kann man die Biologicals bezeichnen (Tab. 1). Diese Arzneimittel sind der Natur nachempfunden und deshalb eigentlich auch Naturstoffe: Mit der genauen Kenntnis der Abläufe bei einer Immunantwort wurden Signalmoleküle identifiziert, die bei der Infektabwehr eine wichtige Rolle spielen. Zu ihnen gehören die Alfa-Interferone, die natürlicherweise bei einer Virusinfektion gebildet werden und die Zellen in einen antiviralen Zustand versetzen. Insofern ist es nahe liegend, dass eine der Hauptindikationen der rekombinanten Alfa-Interferone die Behandlung chronischer Hepatitiden ist. Innerhalb der Interferon-Familie gilt das Gamma-Interferon ebenfalls als Immunstimulans – aktiviert es doch gleichermaßen das angeborene wie das adaptive Immunsystem, indem es einerseits Makrophagen, Monozyten und Natürliche Killerzellen aktiviert, andererseits aber auch B- und T-Zellen mobilisiert und zur Differenzierung anregt.

Während einer aggressiven Tumortherapie werden auch immunkompetente Zellen zerstört mit der Folge einer massiven, sekundären Immunsuppression. Eine Verbesserung des Allgemeinzustandes der betroffenen Patienten kann durch die Gabe der Kolonie-stimulierenden Faktoren (Peg-)Filgrastim (G-CSF, Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor) oder Lenograstim (GM-CSF, Granulozyten/Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor) erreicht werden. Diese Proteine stimulieren bestimmte hämatopoetische Zellen zur Proliferation und Differenzierung.

Aldesleukin und Tasonermin zählen ebenfalls zu den immunstimulierenden Biologicals. Diese Wirkstoffe sind die rekombinanten Varianten der Signalmoleküle Interleukin 2 (IL-2) und Tumornekrosefaktor Alfa (TNF-α). Beide Signalmoleküle nehmen physiologisch eine Schlüsselrolle im Immunsystem ein: IL-2 ist das wichtige Signal bei der Aktivierung und Differenzierung vor allem der T-Lymphozyten, und TNF-α ist der zentrale Mediator bei Entzündungsprozessen. Man kann daraus bereits abschätzen, dass die Anwendung dieser Medikamente äußerst schwierig und nebenwirkungsreich ist.

Das Immunsystem selbst zeigt noch etliche Möglichkeiten, mit welchen Signalmolekülen eine Stimulation erreicht werden kann. Allerdings müssen derartige Arzneistoffe meist in einer unphysiologisch hohen Konzentration eingesetzt werden, so dass die unerwünschten Wirkungen entsprechend groß sind. Es bleibt abzuwarten, inwieweit gerade die Agonisten des Toll-like-Rezeptors 7 hier nebenwirkungsärmere Alternativen bieten.

Allergien: eine Überreaktion des Körpers gegen Fremdes

Tränende, juckende Augen, angeschwollene Nasenschleimhäute, juckende Nasen mit häufigem Niesreiz oder sogar asthmatische Anfälle sobald eine Katze in der Nähe ist, im Frühjahr die Haselnussbüsche oder die Birken und im Sommer die Gräser blühen – die Zahl derer, die unter diesen Symptomen leiden, steigt stetig. Es handelt sich dabei um eine Überreaktion des Immunsystems auf ein an und für sich harmloses Antigen: Von Gräserpollen oder Katzenhaaren gehen für unseren Körper nun wirklich keine ernstzunehmenden Gefahren aus – zumindest nicht im "Normalfall". Aber das Immunsystem von Allergikern attackiert diese Stoffe mit schweren Waffen, so dass im Extremfall ein derart sensibilisiertes Immunsystem sogar zur Gefahr für den eigenen Organismus werden kann.

Allergien zählt man zu den so genannten Überempfindlichkeitsreaktionen, und zwar vom Typ I oder Soforttyp (Abb. 2). Hier ist das zentrale Ereignis die Aktivierung von Mastzellen durch IgE. Normalerweise sind IgE-Antikörper bei der Abwehr von Infektionen mit Parasiten wichtig, die über die Atemwege oder den Darm in unseren Körper eindringen können. Diese Antikörper binden bevorzugt auf der Oberfläche der Mastzellen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie Granula enthalten, aus denen sie bei Bedarf Histamin und Proteasen freisetzen, um damit einen an das IgE-Molekül gebundenen Parasiten zu schädigen. Leider werden inzwischen vermehrt IgE-Moleküle gebildet, die ein kleines, harmloses Allergen erkennen. Auch dann kommt es zu einer Quervernetzung der IgE-Moleküle auf der Mastzelloberfläche mit dem Resultat, dass die Granula ihre Inhalte freisetzen.

Therapeutische Ziele: Mastzellen und IgE

Aus diesem Mechanismus leiten sich die therapeutischen Angriffspunkte ab (Abb.1b). Allen voran werden bei Allergien Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren wie Cromoglicinsäure und Nedocromil eingesetzt, um einerseits die Degranulation der Mastzellen zu verhindern, andererseits die Wirkung des freigesetzten Histamins zu unterbinden. Bei den Antihistaminika, genauer den H1 -Rezeptorantagonisten, wird heute zwischen Wirkstoffen der ersten und der zweiten Generation unterschieden, wobei diejenigen der zweiten Generation eine weniger stark ausgeprägte sedierende Wirkung aufweisen (Tab. 2). Die sedierende Wirkung lässt sich auf eine Blockade der zentralen H1 -Rezeptoren zurückführen, die normalerweise Wachheit vermitteln. Die nicht oder wenig sedierenden H1 -Antihistaminika der 2. Generation vermögen die Blut-Hirn-Schranke nur schwer zu überwinden und können so die zentralen H1 -Rezeptoren weniger gut blockieren.

Geht die allergische Reaktion über den einfachen Heuschnupfen hinaus, sind Glucocorticoide wie Methylprednisolon oder Prednisolon einzusetzen. Diese Wirkstoffe hemmen Proliferation, Wachstum und Differenzierung, Adhäsion, Migration und Chemotaxis von Monozyten/Makrophagen, Neutrophilen und T-Zellen und verhindern dadurch die Reaktivität des Immunsystems auf das Allergen. Außerdem verhindern sie die Transkription spezifischer, proinflammatorischer Gene und greifen daher auch in die Folgeprozesse der allergischen Reaktion ein. Allerdings sind Glucocorticoide mit erheblichen unerwünschten Wirkungen behaftet.

Ein gentechnisch hergestelltes Antiallergikum ist Omalizumab. Es handelt sich dabei um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, das heißt, das ursprünglich in der Maus hergestellte Protein wurde in den Bereichen, die nicht für die Antigenerkennung relevant sind, gentechnisch so verändert, dass Omalizumab nun eigentlich ein Antikörper-Protein mit einer menschlichen Sequenz ist. Dieser Antikörper besitzt eine Spezifität, die sich gegen alle IgE-Antikörper richtet. Das wurde dadurch erreicht, dass der Antikörper an ein Epitop auf der konstanten Domäne der IgE-Antikörper bindet. Über diese konstante Domäne binden die IgE-Antikörper auch an Fc-Rezeptoren auf den Mastzellen, so dass Omalizumab nun mit der Bindung der IgE-Antikörper an diese Fc-Rezeptoren konkurriert. Dadurch wird dann auch die Degranulation verhindert und zwar unabhängig von der Spezifität der jeweiligen IgE-Antikörper. Durch dieses geniale Konzept steht ein gentechnisch hergestelltes Molekül zur Verfügung, dass bei jeder IgE-vermittelten Allergie eingesetzt werden könnte. Da dieses Medikament aber extrem teuer ist, ist eine Anwendung nur sehr schweren Fällen vorbehalten.

Hyposensibilisierung soll Toleranz steigern

Die genannten Therapieansätze greifen an der bereits induzierten Immunreaktion an. Interessanter wäre es, noch früher zu intervenieren, damit es gar nicht mehr zu einer Reaktion des Immunsystems kommt. Hierzu müsste das Immunsystem so umtrainiert werden, dass mögliche Allergene toleriert werden. Dies ist das Prinzip der Desensibilisierung/Hyposensibilisierung, bei der in der allergenfreien Jahreszeit wöchentlich steigende Mengen des relevanten Allergens subkutan injiziert werden. Da hierbei – wenn auch selten – anaphylaktoide Reaktionen auftreten können, muss der Patient nach der Injektion 30 min beobachtet werden. Insgesamt ist es ein sehr aufwendiges und langwieriges Verfahren, dem sich dann auch nur Patientinnen und Patienten unterziehen, die einen hohen Leidensdruck durch die Allergie erfahren. Wesentlich angenehmer ist die so genannte SLIT (sublinguale Immuntherapie), wobei hier entweder Tropfen oder Tabletten sublingual die entsprechenden Allergene freisetzen und darüber das Immunsystem an die Pollen gewöhnen. Tabletten sind derzeit nur für Gräserpollen zugelassen, bei den Tropfen sind inzwischen schon verschiedene Mischungen auf dem Markt. Allerdings sind mittlerweile auch Tabletten beispielsweise gegen Hausstaub-, Birkenpollen- und Katzenhaarallergie in der fortgeschrittenen Entwicklung. Inwieweit die sublinguale Immuntherapie an die Ergebnisse der subkutanen Injektionen herankommen, bleibt jedoch abzuwarten.

Innovative Option: Toll-like-Rezeptoren

Eine interessante innovative Option bieten auch hier die Toll-Like-Rezeptoren. In präklinischen Tests induzierten die meisten TLR-Agonisten eine Immunantwort der TH 1-T-Helfer-Lymphozyten. Entsprechend ihrer Zytokinproduktion werden nämlich CD4-positive T-Helferzellen in TH 1-Zellen und TH 2-Zellen eingeteilt. TH 1-Zellen produzieren u. a. Interferon gamma (IFN-γ), Tumor-Nekrose-Faktor beta (TNF-β) und Interleukin-2 (IL-2). TH 2-Zellen hingegen produzieren bevorzugt IL-4, IL-5, IL-6, IL-10 und IL-13 und induzieren dadurch Immunantworten, die zu einer hohen allergenspezifischen IgE-Produktion durch B-Lymphozyten und zu weiteren charakteristischen Merkmalen allergischer Immunreaktionen führen. Ein plausibler Interventionsansatz bei der Behandlung von Allergien und Autoimmunerkrankungen bestünde daher in einer Verschiebung der T-Helferzelldifferenzierung in Richtung einer TH 1-Zellantwort. Ein Beispiel für einen Entwicklungswirkstoff in diesem Sinne ist der kovalent an Kreuzkraut-Allergen gekoppelte TLR9-Agonist 1018 ISS CpG, der in Phase-II/III-Studien die Symptome bei den behandelten Patienten verbesserte.

Autoimmunerkrankungen: wenn das Immunsystem den Körper angreift

Bei Autoimmunerkrankungen spielen die Typen II bis IV der Überempfindlichkeitsreaktionen eine wesentliche Rolle, wobei sich hier die Antikörper- bzw. T-Zell-Antwort gegen körpereigene Strukturen richten.

Die Typ-II-Überempfindlichkeitsreaktion ist dadurch gekennzeichnet, dass es durch Bindung von Antikörpern (IgG, IgM) an Antigene auf körpereigenen Zellen zur Komplement-Aktivierung und zur Fc-Rezeptor-vermittelten Rekrutierung von Immunzellen und damit zur Entzündung kommt. Über die Bindung von Antikörpern können körpereigene Zellen auch durch zytotoxische Zellen oder durch Komplement vermittelt getötet werden.

Die Überempfindlichkeitsreaktion Typ III unterscheidet sich von Typ II dadurch, dass es sich um lösliche Antigene handelt, die mit IgG-Antikörpern Immunkomplexe ausbilden, die sich dann über Fc-Rezeptoren an Gewebe binden können und dadurch Komplement und Phagozyten aktivieren.

Eine Typ-IV-Reaktion tritt dann auf, wenn durch Antigen aktivierte T-Zellen ihre Zielzellen abtöten oder dazu bewegen, übermäßige Mengen an Zytokinen und Entzündungsmediatoren freizusetzen, die das Gewebe schädigen.

Mehr als 60 Autoimmunerkrankungen

Mehr als 60 Autoimmunerkrankungen sind bislang bekannt, die sich zum einen bezüglich des beteiligten Wirkmechanismus unterscheiden lassen, sprich, ob eher eine T-Zell-Antwort oder eher eine Antikörperantwort beteiligt ist. Zum anderen, ob sich die Autoimmunerkrankung auf ein bestimmtes Organ beschränkt oder aber systemisch auftritt. Einige Beispiele für entsprechende Krankheitsbilder sind in der Tabelle 3 aufgeführt.

Ähnlich wie bei der Allergie tritt bei den Autoimmunerkrankungen formal eine "normale" Immunantwort auf. Dabei ist allerdings auch hier die Diskriminierung zwischen "selbst" und "fremd" gestört, d.h. körpereigene Strukturen, die eigentlich toleriert werden sollten, werden plötzlich bekämpft.

Wie die Zahl der möglichen Autoimmunerkrankungen zeigt, funktionieren die Mechanismen der zentralen Toleranz im Thymus (für autoreaktive T-Zellen) und im Knochenmark (für B-Zellen) bzw. die Mechanismen der peripheren Toleranz nicht immer (Abb. 3). Sowohl genetische als auch Umweltfaktoren können dazu führen, dass Antikörper oder T-Zellen diese Kontrollinstanzen unterlaufen und es ins System schaffen, wo sie sich dann gegen körpereigene Strukturen richten.

Genetische Faktoren betreffen häufig eine unzureichende Präsentation körpereigener Antigene. In diesen Fällen werden im Thymus oder über MHC-Oberflächenproteine zu wenig oder gar keine Epitope "eigener" Protein "gezeigt", so dass die T-Zellen, deren Rezeptoren derartige Epitope erkennen, nicht aussortiert und in die Apoptose geschickt werden.

Es können aber auch Signalmoleküle, die für die Inaktivierung autoreaktiver Zellen in der Peripherie sorgen sollen, von genetischen Veränderungen betroffen sein, so dass die Mechanismen der peripheren Toleranz nicht mehr sicher greifen.

Prädisponierende genetische Faktoren

Genetische Faktoren können somit für Autoimmunerkrankungen prädisponieren. Es bedarf dann nur noch eines kleinen Anstoßes, z.B. durch eine harmlose Infektion, um autoreaktive Zellen zu aktivieren. Einige Autoimmunerkrankungen werden mittlerweile mit konkreten Infektionen in Zusammenhang gebracht (Tab. 4). Dabei scheinen nicht nur zufällig vorhandene autoreaktive Zellen mit aktiviert zu werden. Vielmehr besitzt das Pathogen tatsächlich auch Oberflächenstrukturen, die denen auf bestimmten körpereigenen Zellen täuschend ähneln. Man spricht dann von molekularer Mimikry.

Zentrale Entzündungsmediatoren im Visier

Die resultierenden Autoimmunerkrankungen sind sehr unterschiedlich in ihrem Erscheinungsbild. Allerdings sind sehr oft entzündliche Prozesse als Folge des selbstzerstörerischen Immunsystems beteiligt. Insofern richten sich viele der Therapieansätze wie z.B. bei Morbus Crohn oder rheumatoider Arthritis symptomatisch gegen die Entzündungsmechanismen (Abb. 1c). Hier haben sich rekombinant hergestellte Wirkstoffe bewährt, die gezielt zentrale Entzündungsmediatoren abfangen: Der Tumornekrosefaktor alfa wird sowohl von den Antikörpern Infliximab und Adalimumab als auch vom Fusionsprotein Etanercept gebunden. Weitere "Abfangkonzepte" wie das pegylierte Anti-TNF-α-Antikörperfragment Certolizumab pegol oder der pegylierte lösliche TNF-α-Rezeptor sind in fortgeschrittenen Phasen der Entwicklung. Der in der Entzündungssignalkaskade etwas weiter unten angesiedelte Mediator Interleukin-1 wird in seiner Signalwirkung durch den rekombinanten Rezeptorantagonisten Anakinra gehemmt.

Ein anderer rekombinanter Antikörper erweitert das Spektrum der Therapieoptionen der rheumatoiden Arthritis: Rituximab, der zunächst erfolgreich beim Non-Hodgkin-Lymphom eingesetzt wurde, sorgt dafür, dass aktivierte B-Lymphozyten aus dem Körper entfernt werden. Die Ratio, ihn auch bei der rheumatoiden Arthritis einzusetzen, besteht darin, dass er natürlich auch B-Zellen entfernt, die Autoantikörper produzieren.

Andere Strategien zielen auf die fehlgeleiteten T-Lymphozyten, die mehr oder weniger spezifisch inhibiert werden. Subsumiert werden diese Therapieansätze unter "Immunsuppression", womit deutlich wird, dass das gegen falsche, weil körpereigene Strukturen reagierende Immunsystem gehemmt werden soll.

Heterogene chemisch-synthetische Immunsuppressiva

Betrachtet man das Arzneimittelsegment der Immunsuppressiva systematisch, so findet man eine extrem heterogene Wirkstoffgruppe, deren Vertreter in entsprechenden Listenwerken wie in der Roten Liste an ganz unterschiedlichen Stellen einsortiert sind (Tab. 5). So findet man beispielsweise Chloroquin und Hydroxychloroquin bei den Antiinfektiva, da sie als Antimalariamittel in den Markt eingeführt wurden, obwohl sie inzwischen sehr häufig in der Rheumatherapie eingesetzt werden. Ihr genauer Wirkmechanismus ist ebenso unklar, wie der der Goldpräparate wie Auranofin oder Natriumaurothiomalat, die jedoch deutlich immunsuppressive Wirkungen zeigen. Sulfasalazin wird zu den Antiphlogistika gezählt, wirkt aber ebenfalls immunsuppressiv. Bei den Zytostatika ist Methotrexat zu finden, das als Folsäure-Antagonist zu den Antimetaboliten gezählt wird, in hohen Dosen in der Tumortherapie und in niedrigeren Dosen bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird. Cyclophosphamid ist ebenfalls gleichzeitig Zytostatikum und Immunsuppressivum. Als Alkylans hemmt es bevorzugt sich schnell teilende Zellen, was nicht nur auf Tumorzellen, sondern auch auf aktivierte Immunzellen zutrifft. "Echte", chemisch-synthetische Immunsuppressiva sind laut Roter Liste dagegen Azathioprin und Leflunomid, die beide in die Nukleotid-Synthese eingreifen und dadurch die DNA-Synthese bei sich schnell teilenden Zellen – also auch bei aktivierten Lymphozyten – inhibieren.

Vielfältig sind die Angriffspunkte der Glucocorticoide, die bereits im Zusammenhang mit der Therapie von Allergien genannt wurden. Sie hemmen breit die immunkompetenten Zellen sowohl des angeborenen als auch des adaptiven Immunsystems und beeinträchtigen die Expression von Entzündungsmediatoren. Entsprechend breit ist darum auch das Indikationsgebiet der Glucocorticoide, allerdings auch das Spektrum an unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Häufig in Kombination mit Glucocorticoiden werden einige zu den Naturstoffen zählende Immunsuppressiva zur Prophylaxe akuter Transplantatabstoßungsreaktionen eingesetzt. Streng genommen handelt es sich bei Transplantatabstoßungsreaktionen zwar nicht um Autoimmunerkrankungen, da hier nicht körpereigene, sondern implantierte körperfremde Strukturen erkannt werden. Allerdings richtet sich auch hier das Immunsystem gegen Körperbestandteile, gegen die es im konkreten Fall nicht reagieren sollte.

Fließender Übergang: Zytostatikum – Immunsuppressivum

Bereits im Zusammenhang mit den chemisch-synthetischen Wirkstoffen wurde deutlich, dass der Übergang zwischen dem Einsatz als Zytostatikum und als Immunsuppressivum oft fließend ist. Daher verwundert es nicht, dass etliche initial als Tumortherapeutika erforschte Arzneistoffe ebenfalls als Immunsuppressiva zugelassen wurden. So beispielsweise auch der Wirkstoff Mycophenolatmofetil, der als Fermentationsprodukt von Penicillium -Arten zu den Naturstoffen zu zählen ist (Tab. 6). Mycophenolsäure hemmt sehr effizient die Nukleotid-Synthese und ist erstaunlich selektiv bezüglich Lymphozyten, weshalb es sich vermutlich auch als Therapeutikum bei Autoimmunerkrankungen eignen würde. Die Indikation für die beiden zugelassenen Wirkstoffe ist jedoch die Prophylaxe akuter Transplantatabstoßungsreaktionen. Bei diesen Abstoßungsreaktionen spielen T-Zellen eine wichtige Rolle. Deshalb sind unter dieser Indikation vor allem auch Wirkstoffe zu finden, die relativ selektiv T-Zellen inhibieren.

Eine der bekanntesten Substanzen ist Ciclosporin, das ein aus Tolypocladium inflatum gams isoliertes zyklisches Undecapeptid ist und in die Signaltransduktionswege zur Aktivierung von T-Lymphozyten eingreift. Ähnliche Wirkmechanismen entfalten die Arzneistoffe Tacrolimus, Rapamycin und Everolimus, so dass auch sie vor allem bei Transplantationen eingesetzt werden.

Eine Aktivierung der T-Lymphozyten verhindern ebenfalls die beiden Antikörper Basiliximab und Daclizumab. Im Gegensatz zu Ciclosporin, Tacrolimus, Rapamycin und Everolimus, die intrazelluläre Zielstrukturen ansteuern, binden die beiden Antikörper an die α-Untereinheit des Interleukin-2-Rezeptors auf der Oberfläche von T-Lymphozyten. Diese Untereinheit wird erst exprimiert, wenn die T-Zellen aktiviert wurden. Durch die Bindung der Antikörper an den hoch-affinen IL-2-Rezeptor wird eine Bindung von Interleukin-2 und dadurch die weitere Mobilisierung der T-Lymphozyten verhindert.

Immunsuppressiva bei Multipler Sklerose

Andere Antikörper wie Efalizumab oder Natalizumab blockieren die Einwanderung von T-Lymphozyten in das entzündete Gewebe. Natalizumab ist in Europa nur zur Therapie der schubförmig remittierenden Multiplen Sklerose zugelassen, obwohl auch positive Studienergebnisse zur Behandlung des Morbus Crohn vorliegen. Allerdings soll Natalizumab erst dann bei Multipler Sklerose eingesetzt werden, wenn die Erkrankung trotz Behandlung mit einem Beta-Interferon hochaktiv ist oder schwer und rasch fortschreitend verläuft.

Nach wie vor sind Beta-Interferone die wichtigsten Immunsuppressiva bei der Therapie der Multiplen Sklerose, obwohl über das Wirkprinzip nach wie vor mehr spekuliert wird als man wirklich weiß. Ein interessantes anderes Konzept bei der Therapie der Multiplen Sklerose wird mit Glitameracetat verfolgt. Dieser Wirkstoff ist ein Gemisch aus hydrophilen Polypeptiden, die zufällig aus den L-Aminosäuren Lysin, Alanin, Glutamin und Tyrosin (ungefähres molekulares Verhältnis 5:3:1,5:1) synthetisiert werden. Diese Polypeptide haben eine Molmasse zwischen 5.000 und 9.000 Da und ähneln sehr stark dem Myelin-basischen Protein, das wahrscheinlich die Zielstruktur der autoreaktiven Immunzellen ist. Insofern könnte man die Anwendung von Glatirameracetat als Versuch einer Toleranzentwicklung gegen das körpereigene Myelin-basische Protein interpretieren. Zusätzlich hat man beobachtet, dass Glatirameracetat das Verhältnis von den entzündungsfördernden TH 1-Zellen hin zu den entzündungshemmenden TH 2-Zellen fördert und die so genannten Treg -Zellen aktiviert. Diese Treg -Zellen dienen physiologisch dazu, in der Peripherie T-Zellen zu kontrollieren und ein Überschießen der Immunantwort zu verhindern. Gerade diese Effekte sind auch Ziele neuerer Entwicklungen: Damit würde man weniger die Symptome behandeln als vielmehr die körpereigenen Kontrollelemente des Immunsystems mobilisieren.

Sicherlich sind Ansätze, die körpereigene Kontrollfunktion zu mobilisieren, sehr Erfolg versprechend. Ein Versuch, mit dem agonistischen Anti-CD28-Antikörper TGN1412 die Treg -Zellen selektiv zu aktivieren, endete in einem Fiasko: Die sechs Probanden zeigten innerhalb kurzer Zeit schwerste Reaktionen mit Organversagen. Dieser Test zeigt recht deutlich, wie komplex das Netzwerk unseres Immunsystems aufgebaut ist und wie gut normalerweise unser Körper das Gleichgewicht aus Erkennen und (angemessen) Reagieren ausbalanciert.

Literatur:

Akira, S, Takeda, K: Toll-like receptor signalling. Nature Reviews on Immunology 4, 499-511(2004).

Dass, S, Vital, EM, Emery, P: Rituximab: novel B-cell depletion therapy for the treatment of rheumatoid arthritis. Expert Opinion on Pharmacotherapy 4, 2559-2570 (2006).

Gay, NJ, Gangloff, M, Weber, ANR: Toll-like receptors as molecular switches. Nature Reviews on Immunology 6, 693-698 (2006).

Romagne, F: Current and future drugs targeting one class of innate immunity receptors: the Toll-like receptors. Drug Discovery Today 12, 80-87 (2007).

Ulevitch, RJ: Therapeutics targeting the innate immune system. Nature Reviews on Immunology 4, 512-520 (2004).

Wolvers, DAW, van Herpen-Broekmans, WMR, Logman, MHGM, van der Wielen, RPJ, Albers, R: Effect of a mixture of micronutrients, but not of bovine colostrum concentrate, on immune function parameters in healthy volunteers: a randomized placebo-controlled study. Nutrition Journal 5, 28 (2006). doi:10.1186/1475-2891-5-28

Anschrift der Verfasser:

Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Theo Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie, Biozentrum, Marie-Curie-Str. 9, 60439 Frankfurt/Main

Prof. Dr. Angelika Vollmar, Pharmazeutisches Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München, Butenandtstr. 5, 81377 München

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.