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Schwerpunkt Darmkrebs
Chemoprävention mit ASS: Darmkrebsrisiko gesenkt, aber mehr Nebenwirkungen
Schützt die langfristige Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) vor Darmkrebs? Dieser Frage wurde im Rahmen der Nursesę Health Study nachgegangen.
In der epidemiologischen Studie erhielten US-amerikanische Krankenschwestern im Alter von 30 bis 55 Jahren seit 1976 alle zwei Jahre Fragebögen, in denen sie unter anderem zu neu diagnostizierten Krebserkrankungen befragt wurden. Seit 1980 machten sie zusätzlich Angaben zur Arzneimittel-Einnahme. In der vorgegebenen Liste wurden "Aspirin" und "andere nicht-steroidale Analgetika" genannt. Die Teilnehmerinnen schätzten die Zahl der wöchentlich eingenommenen ASS-Tabletten, bezogen auf eine Standarddosierung von 325 mg. Sie wurden bis 1. Juni 2000 beobachtet. Bei Teilnehmerinnen, die über ein Kolorektalkarzinom berichteten, wurde Einsicht in die Patientenakten genommen. Das geschah ebenfalls bei Todesfällen aufgrund von Kolorektalkarzinomen.
Primärprävention des sporadischen Kolorektalkarzinoms
Die prospektive Kohorte bestand aus 82.911 Frauen. Nicht aufgenommen wurden Frauen mit früheren Krebserkrankungen oder entzündlicher Darmerkrankung. Da es um die Primärprävention des sporadischen Kolorektalkarzinoms ging, wurden Frauen mit einem familiären Polyposis-Syndrom oder einem erblichen nicht-polypösen Kolorektalkarzinom von der Analyse ausgeschlossen.
Regelmäßige ASS-Einnahme ...
Während der Beobachtung von 1980 bis 2000 - in rund 1,6 Millionen Personenjahren - wurden 962 Fälle von Kolorektalkarzinomen gemeldet. Frauen, die mindestens zwei Tabletten ą 325 mg ASS pro Woche einnahmen, galten als regelmäßige ASS-Anwenderinnen. Unregelmäßige Anwenderinnen nahmen weniger ein.
Regelmäßige ASS-Anwenderinnen hatten eine signifikant geringere Inzidenz von Kolorektalkarzinomen als unregelmäßige Anwenderinnen: Das multivariate relative Risiko (Verhältnis aus der Inzidenz bei regelmäßigen und bei unregelmäßigen Anwenderinnen) betrug 0,77. Nur das relative Risiko für Kolonkarzinome war unter regelmäßiger ASS-Einnahme reduziert, das relative Risiko für Rektalkarzinome nicht (0,94). Signifikant verringert war nur das Risiko für Darmkrebs in Frühstadien (0,67 für Stadium I oder II). Für die fortgeschrittenen Stadien III und IV betrug das multivariate relative Risiko 0,86.
... und mehr als zehn Jahre Einnahmedauer
Ein signifikanter Nutzen trat erst nach über zehnjähriger ASS-Einnahme auf (0,67). Eine Einnahme über mehr als 20 Jahre ergab keinen weiteren Vorteil (0,68). Die chemopräventive Wirkung war dosisabhängig: Im Vergleich zu Frauen, die gar keine ASS-Tabletten einnahmen, sank das multivariate relative Risiko für ein Kolorektalkarzinom bei Frauen mit wöchentlicher Einnahme von
- 2 bis 5 ASS-Tabletten auf 0,89
- 6 bis 14 ASS-Tabletten auf 0,78
- über 14 ASS-Tabletten auf 0,68
Teilnehmerinnen, die seit über zehn Jahren mehr als 14 ASS-Tabletten pro Woche schluckten, hatten das geringste Risiko für ein Kolorektalkarzinom (0,47).
Auch andere NSAIDs schützen
Für andere nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) bestand ein ähnlicher Zusammenhang zum Kolorektalkarzinom-Risiko: Regelmäßige Anwenderinnen (mindestens zwei Tabletten pro Woche) hatten im Vergleich zu unregelmäßigen Anwenderinnen ein reduziertes Risiko für Kolonkarzinome (0,71). Rektumkarzinome waren aber bei regelmäßigen NSAIDs-Anwenderinnen genauso häufig wie bei unregelmäßigen (1,04). Auch die Beziehung zwischen NSAIDs und Darmkrebs war stark dosisabhängig.
Mehr schwere gastrointestinale Blutungen
Die regelmäßige, langfristige Einnahme von Acetylsalicylsäure oder anderen NSAIDs reduziert das Risiko für Kolonkarzinome. Rektumkarzinome waren möglicherweise zu selten, als dass ein signifikanter Unterschied zu Tage treten konnte. Nur eine Anwendung über mehr als zehn Jahre scheint chemopräventiv wirksam zu sein. Die maximale Risikosenkung wurde durch eine wöchentliche Einnahme von über 14 ASS-Tabletten erzielt - weit mehr als für die kardiovaskuläre Prävention empfohlen wird.
Die Kehrseite der Medaille: Schwere gastrointestinale Blutungen, die eine stationäre Aufnahme oder Bluttransfusion erforderten, traten mit zunehmender ASS- oder NSAID-Einnahme häufiger auf. Die Inzidenz pro 1000 Personenjahre stieg von 0,77 bei Frauen ohne jede ASS-Einnahme auf
- 1,07 bei Einnahme von 0,5 bis 1,5 oder 2 bis 5 ASS-Tabletten pro Woche
- 1,40 bei Einnahme von 6 bis 14 Tabletten pro Woche
- 1,57 bei Einnahme von über 14 Tabletten pro Woche
Auch bei NSAIDs-Anwenderinnen im Vergleich zu NSAIDs-Nichtanwenderinnen stieg die Inzidenz von 1,01 schweren gastrointestinalen Blutungen pro 1000 Personenjahre dosisabhängig fast auf das Doppelte.
Ein Schutz vor Darmkrebs ist mit ASS oder anderen NSAIDs im Prinzip zwar möglich, aber unter den erforderlichen hohen Dosen drohen vermehrt Nebenwirkungen. In 10.000 Personenjahren können durch eine Behandlung mit ASS in der höchsten Dosiskategorie ein bis zwei Kolorektalkarzinome verhindert werden.
Dafür müssen acht zusätzliche schwere gastrointestinale Blutungen in Kauf genommen werden. Nutzen und Risiken müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen und mit anderen Chemopräventionsmethoden verglichen werden.
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