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- DAZ 9/2006
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Spurenelemente
Selen
Funktionen
Von den bisher etwa 20 bekannten Selen-haltigen Proteinen sind die Funktionen der Glutathionperoxidase (GSHPx) am besten erforscht - zuerst 1973 (Flohe, Deutschland, und Rotruck, USA). In die vier Untereinheiten dieses Enzyms ist jeweils ein Selenocystein-Molekül eingebaut. Die Glutathionperoxidase reduziert Peroxide wie Wasserstoffperoxid und auch Lipidperoxide. Zusammen mit Katalase, Superoxiddismutasen (SOD), GSH-Transferase und Antioxidanzien wie die Vitamine E und C bilden die bisher bekannten vier verschiedenen Varianten der Glutathionperoxidase ein komplexes System des körpereigenen Schutzsystems.
Dieses wirkt der Lipidperoxidation in Zellmembranen entgegen und verhindert vor allem die Bildung vieler zellschädigender Produkte des gesamten oxidativen Stoffwechsels. In diesem Stoffwechsel entstehen intermediär hochreaktive Sauerstoffradikale wie Superoxid-Ionen, Hydroxyradikale und Hydroperoxide. Das Enzym GSHPx katalysiert die Oxidation von reduziertem Glutathion zum oxidierten Glutathion als Glutathiondisulfid. Bei dieser Reaktion werden z.B. organische Peroxide (ROOH) umgesetzt und abgebaut. Bei einer Exposition von Ozon sowie der Aufnahme oxidierter Fette, bei der angeborenen (genetisch bedingten) und bei der ernährungsbedingten Muskeldystrophie (durch Vitamin E-Mangel) ist die Aktivität der Glutathionperoxidase erhöht.
Über diese Funktion hinaus wirken Glutathionperoxidasen vermutlich auch an der Transkriptionskontrolle von Zellen des Immunsystems mit. Weitere Selen-haltige Proteine sind an der Aktivierung des Schilddrüsenhormons T3 beteiligt bzw. als Selenoprotein P im Plasma für den Selen-Transport zuständig - mit möglicherweise ebenfalls antioxidativen Aufgaben. Es gibt auch Hinweise, dass Selen an der Bildung der Prostaglandine als Repressor beteiligt ist. Und Selen verringert auch toxische Wirkungen von Quecksilber, Cadmium und Thallium infolge der Bildung schwer löslicher Selenide. Aus zahlreichen Studien ist weiterhin bekannt, dass bei einer schlechten Versorgung mit Selen eine erhöhte Krebsrate zu verzeichnen ist. [1,2]
Resorption und Ausscheidung
Die Resorption erfolgt vorwiegend im oberen Dünndarm, wobei auch ein aktiver Transportmechanismus festgestellt wurde. Anorganisches Selen diffundiert zwar überwiegend passiv, wird aber auch durch einen natriumabhängigen Transportmechanismus im Zwölffingerdarm resorbiert. Im Blut wird Selenit von Erythrocyten aufgenommen und enzymatisch zu Selenwasserstoff reduziert. Diese Selenverbindung dient als zentraler Selenpool für den gezielten Einbau in Selenoproteine - und auch für eine Ausscheidung als Trimethylselenium-Ion. [2]
Die Normalwerte der Selenausscheidung liegen im Urin unter 0,15 mg/l. Die höchste Resorptionsrate erreicht Selen in der Form des Selenomethionins mit annähernd 100 Prozent. Selenomethionin und Selenocystein werden aktiv resorbiert und zufuhrabhängig in unspezifische Proteine eingebaut (inaktiver Selenpool) oder auch enzymatisch zum biologisch aktiven Selenwasserstoff metabolisiert. Die Selen-Normalwerte im Serum werden durchschnittlich mit 100 Nanogramm je Milliliter angegeben. Aus der Nahrung wird bei gemischter Kost eine Resorption zwischen 50 und 90 Prozent angenommen. [3] Selen kommt im Blut sowohl im Plasma als auch in zellulären Bestandteilen vor - und dort auch in höheren Konzentrationen als im Plasma. Der größte Anteil des Selens wird über die Niere ausgeschieden. Nach der Aufnahme höherer Dosen an Selen bildet sich Dimethylselen (mit knoblauchartigem Geruch), das über die Atemluft abgegeben wird. Ein gewisser Selen-Pool entsteht dadurch, dass im Blut zirkulierendes Selenomethionin unspezifisch wie Methionin in Proteine eingebaut wird, ohne dort eine spezielle Funktion auszuüben.
Selen-Mangelerscheinungen
Die allein in China auftretende Krankheit Keshan Disease ist eindeutig auf einen Selenmangel zurückzuführen. In einigen Gebieten Chinas, wo die Selenaufnahme unter 11 Mikrogramm pro Tag liegt, hat eine daraus bedingte dilatative Kardiomyopathie (Herzmuskelerweiterung) zahlreiche Todesfälle hervorgerufen. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass bei Selen-Plasma-Werten unter 60 Mikrogramm je Liter das Auftreten ischämischer (mit Blutleere einhergehender) Herzerkrankungen zunimmt. Auch beim Auftreten maligner Erkrankungen wird ein Zusammenhang mit einem suboptimalen Selen-Status vermutet. Erklärt werden könnte diese Vermutung mit der entgiftenden Wirkung von Peroxid-Radikalen durch die Glutathionperoxidase (s.o.).
Versorgung und Bedarf
Allgemein sind die Selengehalte von pflanzlichen Lebensmitteln sehr stark vom Anbaugebiet, d.h. von den Selengehalten in den Böden abhängig. Deutschland zählt wie auch Dänemark und Finnland zu Selenmangelgebieten in Europa. Große Teile Nordamerikas sind sehr gut mit Selen in Lebensmitteln versorgt - im Gegensatz zu einigen Regionen Chinas (wie oben beschrieben). Die durchschnittlichen Selengehalte in Milch, Käse, Fleisch sowie Obst und Gemüse liegen deutlich unter 10 Mikrogramm je 100 g verzehrfähigem Lebensmittel, bei Obst und Gemüse sogar überwiegend unter 1 Mikrogramm. Etwas höhere Selengehalte weisen Nüsse (Erd-, Wal- und Haselnuss zwischen 2 und 5 µg/100 g; wichtig für Vegetarier), Fische sowie Innereien wie Niere und Leber von Kalb, Rind und Schwein sowie Huhn auf (s. Tabelle). Von der EU wird eine Tagesdosis von 56 µg (PRI-Wert: Population Reference Intake), in den USA von 0,87 µg je kg/Körpergewicht empfohlen. Die Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr - sie orientieren sich an Untersuchungen über die optimale Aktivierung der Plasma-Glutathionperoxidase - liegen allgemein zwischen 40 und 100 µg/Tag; der National Research Council (NRC) in der USA empfiehlt für Männer eine tägliche Selenzufuhr von 70 µg, für Frauen 55 µg. In Deutschland ist die erforderliche Versorgung offensichtlich nicht immer gedeckt. Risiken einer Unter- bzw. marginalen Versorgung bestehen vor allem dann, wenn Belastungen des Organismus durch Schwermetalle bzw. Oxidanzien (s. unter Funktionen) auftreten können, sowie bei gastrointestinalen Erkrankungen, infolge parenteraler Ernährung (unter Umgehung des Verdauungstraktes) oder bei Vegetariern, bei einer endemisch auftretenden Kardiomyopathie und der Kaschin-Beck-Krankheit mit einer starken Verformung der Gelenke - [2]. Das Kaschin-Beck-Syndrom wurde in Korea und in der Mandschurei als chronische Osteoporose, beginnend bereits im frühen Kindesalter ab 5 Jahren, festgestellt. Zu den Risikogruppen einer Selen-Unterversorgung zählen neben Frühgeborenen (mit verhältnismäßig niedrigem Selenspeicher) und Kindern mit angeborenen Stoffwechselerkrankungen, parenteral ernährten Personen (s.o.) auch Alkoholiker. Alkoholische Getränke enthalten in der Regel extrem wenig Selen (deutlich unter 1 µg je 100 ml).
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