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Fortbildung
Nanotechnologie in der Pharmazie: Große Aufgaben für kleine Teilchen
Nanopartikel sind feste polymere Partikel, die zwischen 10 und 1000 nm groß sind (kolloidale Partikel). Als Bestandteile kommen natürliche Polymere wie Albumin, aber auch biokompatible, synthetische Polymere wie Polymethylmethacrylat, Polyalkylcyanoacrylat und Copolymere in Frage.
Nanopartikel können einen Arzneistoff tragen, indem sie ihn einschließen (inkorporieren) oder an ihre Oberfläche anlagern (adsorbieren).
Zur Herstellung von Nanopartikeln gibt es zahlreiche Verfahren (s. Kasten). Sehr häufig wird die Emulsionspolymerisation eingesetzt. Da sie thermodynamisch kontrolliert abläuft, führt sie zu relativ monodispersen Partikeln. Mit ihr kann man zum Beispiel Nanopartikel aus Polybutylcyanoacrylat (PBCA) - dem am schnellsten biodegradierbaren medizinisch verwendeten Material (z. B im Gewebekleber Histacryl) - in einer Größe von 220 bis 250 nm herstellen.
Wohin wandern die Nanopartikel im Körper?
Polymere sind analytisch sehr schwer in Körpergeweben und Körperflüssigkeiten zu bestimmen. Zu kinetischen Untersuchungen werden mit 14C radioaktiv markierte Nanopartikel eingesetzt. Nach intravenöser Injektion gelangen PBCA-Partikel überwiegend in Leber, Milz und Lunge. Ein kleiner Teil (0,1%) erreicht das Knochenmark. Nach 24 Stunden hat der Körper bereits 80% der Partikel ausgeschieden.
Ein Überzug aus kovalent gebundenen Polyethylenglykol-Ketten oder einem der Tenside Poloxamer 908 oder Poloxamer 1508 schützt die Nanopartikel vor Phagozytose, sodass sie länger im Blut zirkulieren und so besser an ihren Zielort gelangen können. Weil sie von den Makrophagen unentdeckt bleiben, bezeichnet man sie als Nanopartikel mit "stealth characteristics" (Tarnkappen-Eigenschaften). Ein Überzug aus Polysorbat 80 führt zu einer anderen Verteilung im Körper: Die Nanopartikel durchdringen die Blut-Hirn-Schranke und gelangen ins Gehirn.
Transport von Arzneistoffen in den Tumor
Ein Hauptanwendungsgebiet der Nanotechnologie in der Pharmazie ist die Krebstherapie. Seit einem Jahr befindet sich erstmals ein Nanopartikel zu therapeutischen Zwecken auf dem US-amerikanischen Markt: Abraxane® enthält Paclitaxel-beladene Albumin-Nanopartikel.
In der Krebstherapie sollen Nanopartikel Zytostatika gezielt an den gewünschten Wirkort - die Tumorzelle - bringen. Dabei nutzt man den Enhanced-Permeability-and-Retention(EPR)-Effekt: Nanopartikel gelangen durch das löcherige Tumorendothel gut in das Tumorgewebe und verweilen dort lange, weil dort keine lymphatische Drainage stattfindet. So konnte an Ratten mit implantiertem Lewis-Lungenkarzinom gezeigt werden, dass an Nanopartikel gebundenes Dactinomycin sich nicht nur im Primärtumor, sondern auch in der von Metastasen befallenen Lunge anreichert. Nanopartikel-gebundenes Dactinomycin begrenzt das Tumorwachstum stärker als der freie, "unverpackte" Wirkstoff.
Gezielte HIV-Therapie
Die Krankheit Aids beruht nicht nur auf der Vernichtung der T4-Helferzellen (CD4-Zellen) durch die HI-Viren, sondern auch darauf, dass die Viren sich in Makrophagen und dendritischen Zellen einnisten und dort überleben.
Makrophagen nehmen besonders gern Nanopartikel auf, HIV-infizierte Makrophagen sogar noch mehr. Für den gut zellmembrangängigen Reverse-Transkriptase-Hemmer Zidovudin erkennt man den Vorteil der Bindung an Nanopartikel erst in vivo: Die Nanopartikel bewirken eine Anreicherung des Wirkstoffs in der Leber, einem Makrophagen-reichen Organ. Mit 14C radioaktiv markiertes, an Nanopartikel gebundenes Zidovudin erreicht nach intravenöser Applikation in der Leber von Ratten eine 20fach höhere Konzentration als radioaktiv markiertes freies Zidovudin.
Für die schlechter zellmembrangängigen Proteasehemmer erkennt man den Vorteil der "Verpackung" schon in der Zellkultur. So erzielt an Nanopartikel gebundenes Saquinavir in 20facher Verdünnung die gleiche Wirkung wie freies Saquinavir.
Erhöhte Bioverfügbarkeit am Auge
Nicht nur oral verabreichte, schlecht bioverfügbare Arzneistoffe profitieren von Nanopartikeln als Arzneistoffträgern, auch am Auge könnte die Nanotechnologie von Bedeutung sein. So senkt an Nanopartikel gebundenes Pilocarpin den Augeninnendruck stärker als freies Pilocarpin, indem es die Bioverfügbarkeit im Kammerwasser und die Verweildauer im Auge erhöht. Die bioadhäsiven Eigenschaften der Nanopartikel dürften hierbei eine Rolle spielen.
Erfolgreiche Schlepper durch die Blut-Hirn-Schranke
Das Endothel der Kapillargefäße des Gehirns bildet die Blut-Hirn-Schranke. Nur die wenigsten niedermolekularen und fast keine höhermolekularen Wirkstoffe gelangen hindurch. Die Endothelzellen der Kapillargefäße des Gehirns sind sehr eng miteinander verbunden ("tight junctions") und besitzen ungewöhnlich viele ABC-Transporter, die ins Gehirn eingedrungene Fremdstoffe zurück ins Blut bringen.
Für verschiedene Wirkstoffe (z. B. Dalargin, Kytorphin, Loperamid, Tubocurarin, Doxorubicin) konnte gezeigt werden, dass sie nach intravenöser Gabe ins Gehirn gelangen, wenn sie an mit Polysorbat 80 überzogene Nanopartikel gebunden sind. Nanopartikel ohne diesen Überzug schaffen den Durchtritt ins Gehirn nicht.
Nanopartikel täuschen Lipoproteine vor
Die mit Polysorbat 80 überzogenen Nanopartikel werden vermutlich durch Transzytose ins Gehirn aufgenommen (siehe Glossar). Wie kommt es, dass sie von den ABC-Transportern nicht wieder zurückgeholt werden? Dafür ist der Überzug entscheidend: Ein Überzug aus Polysorbat 80 (auch Polysorbat 20, 40 oder 60) bewirkt, dass Apolipoprotein E dauerhaft an den Nanopartikel adsorbiert und ihn somit einem Lipoprotein ähnlich macht. Für Apolipoprotein E gibt es Rezeptoren im Gehirn, nicht jedoch am Herzen.
Zwar lagert sich Apolipoprotein E auch ohne Polysorbat 80 an Nanopartikel an, aber es wird immer wieder "heruntergewaschen" und durch andere Blutbestandteile ersetzt. Erst das Polysorbat verankert das Apolipoprotein E regelrecht im Nanopartikel.
Ein Tierversuch bestätigt die Bedeutung von Apolipoprotein E für den Wirkstofftransport ins Gehirn: In Apolipoprotein-E-defizienten Knockout-Mäusen sinkt die analgetische Wirkung intravenös gegebener Dalargin-beladener, Polysorbat-beschichteter Nanopartikel um die Hälfte.
Zukünftige Behandlungsmöglichkeit des Glioblastoms
Doxorubicin könnte, sofern es die Blut-Hirn-Schranke überwindet, auch zur Behandlung des Glioblastoms eingesetzt werden. Dieser Hirntumor wächst wie Spinnweben an Nervenzellen entlang (infiltrativ).
Pharmakokinetische Untersuchungen mit Polysorbat-80-beschichteten Doxorubicin-Nanopartikeln zeigten, dass sie ins Gehirn, aber praktisch nicht in den Herzmuskel gelangen. Ratten mit Glioblastom 101/8, die mit Polysorbat-80-beschichteten Doxorubicin-Nanopartikeln behandelt wurden, lebten wesentlich länger als Ratten, die mit unverpacktem Doxorubicin behandelt wurden. Nach einem halben Jahr wurden die Ratten getötet: Der Tumor war bei vielen Tieren verschwunden. Zudem erschien das Myokard, das sonst stark unter der Doxorubicin-Toxizität leidet, weitgehend unbeeinträchtigt. Susanne Wasielewski, Münster
- Emulsionspolymerisation
- Grenzflächenpolymerisation
- Desolvatation
- Denaturierung von Emulsionströpfchen
- Solvent Evaporation
Abgrenzung
Was unterscheidet Nanopartikel von Mikropartikeln und Liposomen?
- Mikropartikel sind größer: Sie haben eine Größe von 1 bis 5 Mikrometern.
- Liposomen bestehen im Gegensatz zu Nano- und Mikropartikeln nicht aus Polymeren, sondern aus Phospholipiden.
Herstellung Doxorubicin-beladener PBCA-Nanopartikel durch Emulsionspolymerisation und anschließende Beschichtung mit Polysorbat 80:
- Zugabe von 1% Butylcyanoacrylat (BCA) zu einer 1% Dextran-Lösung in 0,001 N Salzsäure unter konstantem Rühren
- Nach 40 min Zugabe von Doxorubicin
- Nach 2,5 h Neutralisation mit Natronlauge, Filtration durch einen G1-Glasfilter
- Nach Zugabe von 3% Mannitol als Kryoprotektor Lyophilisation
- Zum Schluss 1% Polysorbat 80 zugeben und 30 min rühren
- Danach ist die Suspension gebrauchsfertig
"Nano" kommt aus dem Griechischen ("nanos") und Lateinischen ("nanus") und bedeutet Zwerg. Bei Maßen und Gewichten ist ein Nano der milliardste Teil (10-9) der jeweiligen Einheit.
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