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Kongress
Schleswig-Holstein: BKK-Homöopathievertrag auf dem Weg in die Praxis
Die Veranstaltung bildete für Schleswig-Holstein den Auftakt für das vertraglich vereinbarte Fortbildungscurriculum für Apotheker, das sich über 36 Stunden erstreckt. Mit dem Vertrag wird die Homöopathie erstmals zum Gegenstand der Integrierten Versorgung. Vertragspartner des Deutschen Apothekerverbandes sind die Deutsche BKK und zahlreiche kleinere Betriebskrankenkassen, die den Vereinbarungen teilweise erst später beigetreten sind. Für die Fortbildungen der Apotheker sind die Kammern zuständig, zumal sie auch im Rahmen von Weiterbildungen anerkannt werden.
Der Vertrag tritt am 1. Juni 2006 in Kraft. Die teilnehmenden Ärzte und Apotheker verpflichten sich zum gegenseitigen Informationsaustausch. Auch die Apotheker sollen die Versicherten über die Besonderheiten der Homöopathie und die Anwendung der Arzneimittel informieren. Für die Anamneseerhebungen und weitere spezielle Leistungen zur homöopathischen Behandlung erhalten die Ärzte besondere Honorare. Die Apotheken können für jedes Gespräch mit einem Arzt über die Therapie eines teilnehmenden Patienten ein Honorar von 6 Euro abrechnen, sofern dies in einem Quartal für höchstens 20 Prozent dieser Versicherten erforderlich ist. Alle weitere Regelungen des Arzneiliefervertrages bleiben unberührt. Die Patienten schreiben sich beim homöopathischen Arzt in den Vertrag ein und können die Teilnahme jederzeit kündigen.
Homöopathie - ja, nein oder zusätzlich?
Zur Eröffnung des Fortbildungszyklus wies Holger Iven, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, auf die vielfach geteilten Einstellungen zur Homöopathie hin. Doch gewinne die Naturheilkunde insgesamt und die ganzheitliche Betrachtung der Patienten an Zuspruch. Letztlich sollte sich die Behandlung stärker an den Erfolgen als an ihren theoretischen Begründungen orientieren.
Der Allgemeinmediziner Dr. Markus Wiesenauer wandte sich gegen dogmatische Betrachtungsweisen und sprach sich für einen praxisorientierten Umgang mit naturheilkundlichen Verfahren aus. So könne die Phytotherapie manche synthetischen Arzneimittel ersetzen und dabei viel Geld in der Arzneimittelversorgung sparen. Außerdem sollten die vielfältigen positiven Erfahrungen genutzt werden, die über mittlerweile 210 Jahre mit der Homöopathie gesammelt wurden. Im Gegensatz zu einigen extremen Verfechtern der Homöopathie trete er dafür ein, ohne auf die Schulmedizin verzichten zu wollen. Die Homöopathie sei oft ein hilfreiches "add-on", mit der einzelne Symptome oder die Nebenwirkungen der synthetischen Arzneimittel gemindert werden könnten.
Die Homöopathie sollte mit anderen Konzepten zur Reizregulation, wie der Klimatherapie und der Akupunktur, verglichen werden. Auch bei diesen Therapien sei eine Erstverschlimmerung der Symptome zu beobachten. Demnach sei dies ein verbreitetes Phänomen, das auch bei Therapieformen auftritt, die von Schulmedizinern anerkannt werden.
Auswahl homöopathischer Arzneimittel
Auch die Ähnlichkeitsregel der Homöopathie sollte nicht dogmatisch betrachtet werden, denn Hahnemann habe postuliert, dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden "könnte". Wiesenauer zeigte einige typische Beispiele auf, die diesem Ansatz folgen. Dabei gelte es, zum jeweiligen "Krankheitsbild" das passende "Arzneimittelbild" der Homöopathie zu finden und nicht vordergründig isolierte Symptome zu beachten. So werde Coffea als Homöopathikum bei gesteigerter Aufmerksamkeit wie nach Kaffeegenuss eingesetzt, was sowohl Patienten mit Schlaflosigkeit als auch Kinder mit gesteigertem Antrieb betreffen könne. Allium cepa werde bei Fließschnupfen angewendet, der an den Tränenfluss nach dem Schneiden einer Zwiebel erinnert. Aloe komme gegen Diarrhö zum Einsatz, weil es in allopathischer Dosierung laxierend wirkt. Apis habe sich bei ödematösen Schwellungen bewährt, die an die Folgen eines Insektenstiches erinnern.
Im Mittelpunkt solle die Wahl des Mittels stehen, die Wahl der Potenz sei weniger wichtig. Für die Selbstmedikation biete sich als Potenz vorzugsweise D 6 an. Diese Arzneimittel sollten bei akuten Symptomen am ersten Behandlungstag stündlich, am nächsten Tag alle zwei Stunden und später vorzugsweise dreimal täglich genommen werden.
Von solchen organotropen Behandlungen, die auch als Selbstmedikation durchgeführt werden können, sind die personotropen Behandlungen chronischer Krankheiten zu unterscheiden. Dabei wählt der Arzt nach einer umfangreichen Anamnese ein Konstitutionsmittel aus, das meist in einer hohen oder sehr hohen Potenz in nur einer Dosis bereits in der Arztpraxis verabreicht wird. Zur kritischen Diskussion über höchste Potenzen verwies Wiesenauer wiederum auf Hahnemann, der dazu erklärt habe, irgendwann müsse das Potenzieren ein Ende haben.
Homöopathie im Apothekenalltag
Aus Anlass der ersten Fortbildung zum BKK-Homöopathievertrag am 25. Februar in Bad Bramstedt fragte die DAZ den Referenten Dr. Markus Wiesenauer nach den Perspektiven der Homöopathie für die Apotheke.
DAZ:
Herr Dr. Wiesenauer, der Vertrag zur Integrierten Versorgung bezieht sich auf ärztlich verordnete homöopathische Arzneimittel, in ihrer Fortbildung hat die Selbstmedikation aber einen großen Stellenwert. Wie hängen diese beiden Aspekte zusammen?
Dr. Wiesenauer:
Der Vertrag betrifft nur einen Teil der homöopathischen Behandlung. Die meisten Patienten möchten auch für die Selbstmedikation beraten werden. Dazu gehört unbedingt auch die Selbstmedikation, die die Patienten im Sinne eines add-on zusätzlich zur verordneten Medikation betreiben. Für die Patienten ist in jedem Fall eine kompetente Beratung zur Homöopathie wichtig. Das gilt auch für die verwandten Heilsysteme, wie Anthroposophie und Schüßler-Salze.
DAZ:
Die Homöopathie setzt auf eine sehr individuelle Therapie, die besonders stark auf die Arzt-Patienten-Beziehung ausgerichtet ist. Wie kann dieser Anspruch einer individuellen Therapie in der Apotheke erfüllt werden?
Dr. Wiesenauer:
Bei schweren Erkrankungen oder sehr komplexen Geschehen ist der Arzt gefragt, aber bei den typischen für die Selbstmedikation geeigneten Beschwerdebildern kann die Individualität problemlos in der Offizin berücksichtigt werden. Wie dies gelingt, zeigt beispielsweise unsere heutige Fortbildung für Apotheker. Ich würde mich freuen, wenn eine solche Veranstaltung wie heute für die Apotheker zu einem Kristallisationspunkt würde und sie dazu anregen würde, sich mehr mit Homöopathie zu befassen.
DAZ:
Besondere Versorgungsverträge können ohne Qualitätssicherung keinen Bestand haben, weil die Krankenkassen zusätzliche Honorare nur für nachgewiesene Leistungen zahlen werden. Wie können wirksame Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei einer Therapieform aussehen, die die Individualität an die Stelle von Leitlinien setzt und die sich vielen gängigen Konzepten der Evaluation entzieht?
Dr. Wiesenauer:
Dafür muss eine geeignete Dokumentation entwickelt werden, ohne gleich wieder ins Bürokratische zu verfallen. Im einfachsten Fall kann schon eine Strichliste genügen. Damit kann erfasst werden, welche Mittel bei welcher Anwendung eingesetzt werden. Noch besser wäre eine Rückmeldung über den Therapieerfolg. Auf jeden Fall muss sich der Dokumentationsaufwand in einem vernünftigen Rahmen halten, weil sonst die Apotheker kein weiteres Interesse an dieser Therapierichtung oder zumindest an dem Vertrag entwickeln können.
DAZ:
Zielt ein Versorgungsvertrag zur Homöopathie eher auf die bereits bestehenden Bedürfnisse von Homöopathie-Anhängern oder sollte dies ein offensives Angebot sein, um auch andere Patienten auf diese Behandlungsform aufmerksam zu machen?
Dr. Wiesenauer:
Beides sollte angestrebt werden. Die Apotheke soll ein Ort für die kompetente Beratung über alle Arzneimittel sein. Dies gilt natürlich auch für homöopathische Arzneimittel und unabhängig davon, ob die Patienten besondere "Anhänger" der Homöopathie sind oder nicht.
DAZ:
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Wiesenauer. Thomas Müller-Bohn
Einführung in die Homöopathie und umfangreiche Darstellung der Wirkungsprofile homöopathischer Arzneimittel.
Homöopathie für Apotheker und Ärzte Grundwerk einschließlich 11. Ergänzungslieferung 2004. 1156 Seiten, Loseblatt, 2 Ringordner, Fortsetzungswerk, Preis 49 Euro. Im Set: Loseblattwerk und CD-ROM KompleMed 78,00 Euro. Zu bestellen über die Buchhandlung des Deutschen Apotheker Verlags, Postfach 101061, 70009 Stuttgart, Tel. (0711) 2582-342, Fax (0711) 2582-290, Internet: www.deutscher-apotheker-verlag.de, E-Mail service@DAV-Buchhandlung.de
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