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Arzneimittel und Therapie
Reizdarmsyndrom: Diffuse Symptome – wirksame Behandlung
Die bislang vorliegenden Daten zur Prävalenz des Reizdarmsyndroms sind ebenso diffus wie das Krankheitsbild selbst. Denn es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, warum die Erkrankung in Belgien mit einer Häufigkeit von etwa 8% vorkommen soll, im Vereinigten Königreich dagegen bei 22% der gesamten Bevölkerung. In Kanada sollen es ebenso wie in Australien 12% sein, in Japan mehr als das Doppelte, nämlich 25%. In Nigeria sind angeblich sogar 30% betroffen. Für Deutschland jedenfalls gehen die Epidemiologen von einer Prävalenz von 12% der Bevölkerung aus. Der Erkrankungsgipfel liegt beim Alter von 20 bis 40 Jahren. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer.
Belastende Funktionsstörungen und Schmerzen
Was auch feststeht ist die Tatsache, dass sich die Betroffenen in ihren Alltagsaktivitäten erheblich eingeschränkt fühlen. Sie leiden an Oberbauchbeschwerden, die häufig mit unerklärlichen Bauchschmerzen einhergehen, an Blähungen und an Problemen mit der Stuhlentleerung, seien es Verstopfungs- oder Durchfallprobleme. Ebenso ist gesichert, dass Patienten mit Reizdarmsyndrom die Statistiken hinsichtlich krankheitsbedingter Arbeitsausfälle belasten. Das Colon irritabile rangiert gleich hinter den Erkältungskrankheiten an zweiter Stelle bei den entschuldigten Fehlzeiten. Diese Belastung ist durchaus ernst zu nehmen. Denn allein für die USA werden die direkten und indirekten Kosten für das Gesundheitswesen durch das Reizdarmsyndrom auf jährlich nicht weniger als 30 Milliarden Dollar geschätzt.
Oberbauchbeschwerden und - schmerzen sind die Leitsymptome des Reizdarmsyndroms. Wenn sie über zwölf Wochen - auch mit Unterbrechungen - innerhalb eines Jahres zu beobachten sind, liegt die Diagnose nahe. Wenn darüber hinaus zwei der drei folgenden Auffälligkeiten zu beobachten sind, kann die Verdachtsdiagnose gestellt werden:
- Abflauen der Beschwerden bei Defäkation
- Beginn der Beschwerden mit einer Änderung der gewohnten Stuhlfrequenz
- Beginn der Beschwerden mit einer Veränderung der Stuhlkonsistenz
Vorsicht geboten ist allerdings, wenn Warnsignale für eine organische Erkrankung vorliegen. Hinsichtlich eines Verdachts auf maligne Erkrankungen sind dies insbesondere ungewollte Gewichtsverluste und natürlich auch Blut im Stuhl.
Generell einer eingehenden Diagnostik unterzogen werden sollten Patienten über 50 Jahren und Menschen mit einer positiven Familienanamnese für Darmkrebs. Lassen sich darüber hinaus Laborwerte zum Ausschluss einer organbedingten Erkrankung heranziehen, dann ist die Diagnose eines Colon irritabile auch über einen relativ langen Zeitraum sicher. Nach den vorliegenden Daten kann von einer 98%-igen Sicherheit über zwei Jahre ausgegangen werden.
Regulierung der Darmfunktion durch Serotonin
Patienten mit einem Reizdarmsyndrom leiden im Grunde genommen an einer viszeralen Hypersensitivität. Dabei ist die Zusammenwirkung des zentralen Nervensystems und des autonomen gastrointestinalen Nervensystems gestört. Eine zentrale Rolle in der Kommunikation dieser Systeme spielen Neurotransmitter wie Serotonin. Was bislang weniger bekannt war, ist, dass Serotonin nur zu 3% im menschlichen Gehirn vorkommt. Der Hauptanteil des Serotonins im menschlichen Körper ist dagegen mit 95% im Magen-Darm-Trakt angesiedelt. Das Serotonin bindet insbesondere an 5-HT-Rezeptoren der Nervenzellen und beeinflusst dort peristaltische und sekretorische Reflexe. Die Erklärungsmodelle des Colon irritabile lauten von daher: ein Zuviel an Serotonin führt zu einer Überaktivität des Darms und mündet deshalb in einer Diarrhö. Ein Zuwenig an Serotonin geht mit einer Darmträgheit einher und fällt als Verstopfung auf.
In Therapiestudien zum Einsatz des partiellen 5-HT4-Rezeptoragonisten Tegaserod ließ sich dieses Erklärungsmodell zumindest beim Reizdarmsyndrom mit vorherrschender Symptomatik einer Obstipation verifizieren. Die Schlüsselsymptome Bauchschmerzen, Blähungen und Verstopfung lassen sich durch eine zweimal tägliche Gabe von 6 mg Tegaserod deutlich abmildern. Der Therapieeffekt setzt bereits innerhalb einer Woche ein und hält während der gesamten Behandlungsdauer an. Toleranzeffekte sind nicht zu beobachten. Denn nach Wiederholungstherapie sind die gleichen positiven Therapieerfolge zu verzeichnen, wie zu Beginn.
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