Prävention

Interview: "Impfungen sind die beste Primärprävention!"

In der Diskussion um die Einführung einer Impfpflicht beruft sich der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte auf die UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahre 1989 und leitet daraus ein Recht jedes Kindes auf Impfschutz gegen alle Erkrankungen ab, gegen die es einen verträglichen und wirksamen Impfstoff gibt. Er fordert einen nationalen Impfplan. Wir haben den Präsidenten des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Dr. Wolfram Hartmann, gebeten, die Positionen des Verbandes näher zu erläutern

d:

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat ein nationales Impfkonzept gefordert. Wie soll es aussehen?

Hartmann:

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte setzt sich intensiv auf allen Ebenen für das Wohl von Kindern und Jugendlichen ein. Impfungen sind die beste primäre Präventionsmaßnahme im Gesundheitswesen. Impfungen sparen als einzige primäre Präventionsmaßnahme auch nach Ansicht aller Gesundheitsökonomen langfristig Geld im Gesundheitswesen ein.

Ein Kind hat ein Recht darauf, vor Erkrankungen geschützt zu werden, gegen die es einen wirksamen und nebenwirkungsarmen Impfstoff gibt. So ist es auch in der von den Vertragsstaaten anerkannten UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 in Artikel 24 festgelegt, denn hier heißt es, dass "ein Kind ein anerkanntes Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit hat".

Ein von der WHO einberufenes internationales Expertentreffen am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin hat vor wenigen Wochen einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, um das vorgegebene Impfziel der WHO, die Masern und die Kinderlähmung bis 2010 auszurotten, in den deutschsprachigen Ländern und Regionen (Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol) umzusetzen. Zu den Forderungen der Experten gehören:

  • Nationaler Impfplan zur Durchsetzung der Impfziele
  • Impfstatuserfassung bis zum 24. Lebensmonat
  • Stärkung der Krankheitsüberwachung.
  • regelmäßige Impffortbildung des medizinischen Personals
  • Intensivierung der epidemiologischen Forschung
  • gesetzliche Umsetzung des UN-Kinderrechts auf Impfungen
  • politische Unterstützung zur Stärkung des Impfwesens

Wir brauchen einen nationalen Impfplan, der von den politisch Verantwortlichen unterstützt und dessen Einhaltung entsprechend überprüft wird. Dazu gehört ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die Medizin und Wissenschaft eigentlich sehr schnell umsetzen könnten.

Deutschland hat sich 2005 dazu bekannt, das WHO-Ziel der Masernelimination bis 2010 zu erreichen – doch bisher ist das nur ein politisches Lippenbekenntnis. Ein nationales Impfkonzept müssen die Gesundheitsbehörden der Länder zusammen mit dem Bund erarbeiten, dies ist nicht Aufgabe des BVKJ.

d:

Welche Impfungen sind Ihrer Meinung nach für Kinder zwingend?

Hartmann:

Das Grundrecht des Kindes auf umfassenden Gesundheitsschutz macht hier keine Unterschiede. Ein Kind sollte grundsätzlich vor allen impfpräventiblen Erkrankungen, die in seinem Umfeld eine Rolle spielen, geschützt werden, sofern ein gut verträglicher Impfstoff zugelassen ist. In Deutschland gibt die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) die entsprechende Empfehlung und legt den wissenschaftlichen Standard fest.

d:

Impfkritiker weisen auf vermeintliche Missstände bei der Erfassung der Daten und offene Fragen hin. Gefahren der Erkrankungen würden aufgebauscht, Risiken der Impfungen heruntergespielt. Behörden hätten erst kürzlich zugeben müssen, dass ihnen aufgrund eines völlig zusammengebrochenen Meldesystems das wahre Ausmaß von Impfkomplikationen nicht bekannt sei. Wie nehmen Sie zu diesen Vorwürfen Stellung?

Hartmann:

Für solche Vorwürfe hätte ich gern handfeste Belege. Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet alle Ärzte, besondere Impfreaktionen und vermutete Nebenwirkungen zu melden. Mir ist nicht bekannt, dass Kinder- und Jugendärzte dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Wäre es so, hätte das RKI mit Sicherheit mit dem BVKJ Kontakt aufgenommen, denn unsere Mitglieder führen über 80% aller Impfungen bei Kindern und Jugendlichen durch.

d:

Was raten Sie verunsicherten Eltern?

Hartmann:

Eltern sollten sich vom Kinder- und Jugendarzt ihres Vertrauens sorgfältig beraten und sich nicht von ideologisch geprägten Außenseitermeinungen verunsichern lassen. Wissenschaftlich ist der Nutzen der Impfungen unbestritten.

d:

Herr Dr. Hartmann, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Beschluss des Deutschen Ärztetages

Der Deutsche Ärztetag hat im Mai 2006 folgende Beschlüsse zum Thema Prävention und Impfen gefasst:

  • Pflichtimpfung für Masern: Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf, umgehend die Masernimpfung in Deutschland nach § 20 Abs. 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) als eine Pflichtimpfung vorzusehen.
  • Berufsrechtliche Schritte: Der Deutsche Ärztetag fordert die Ärztekammern auf, zu prüfen, ob gegen Ärzte, die sich explizit und wiederholt gegen empfohlene Schutzimpfungen nach § 20 (3) Infektionsschutzgesetz (IfSG) aussprechen, berufsrechtliche Schritte eingeleitet werden können, da sie mit ihrem Verhalten gegen das Gebot der ärztlichen Sorgfalts- und Qualitätssicherungspflicht verstoßen.
  • Impfstatus in Gemeinschaftseinrichtungen: Der Deutsche Ärztetag fordert die zuständigen Länderministerien auf, die notwendigen Rechtsbestimmungen zu erlassen, dass in Gemeinschaftseinrichtungen, wie Kindergärten und Schulen, nur Kinder aufgenommen werden dürfen, die einen vollständigen Impfstatus entsprechend den nach § 20 (3) IfSG von den obersten Landesgesundheitsbehörden öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen dokumentiert vorweisen können; es sei denn, nach ärztlichem bzw. amtsärztlichem Urteil ist eine Impfung bei dem Kind oder Jugendlichen kontraindiziert.
  • Höhere Durchimpfungsrate: Der 109. Deutsche Ärztetag fordert die zuständigen Ministerien der Bundesländer auf, eine vollständig erfolgte Durchimpfung von Säuglingen und Kleinkindern – entsprechend den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) – zur Vo–raussetzung für die Aufnahme in überwiegend staatlich finanzierte Kinderkrippen und Kindergärten zu machen und diese in dem künftigen Präventionsgesetz auch gesetzlich zu verankern.

www.bundesaerztekammer.de

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