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DAZ aktuell
Reformen im Arzneimittelmarkt: Kein Ende in Sicht
Christopher Hermann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, ist nicht gut auf den Gesetzgeber zu sprechen. Zusammen mit anderen Kassenvorständen macht er dieser Tage mobil gegen die Reformpläne der großen Koalition. In dieser Situation fällt es Hermann sogar schwer, sich über Ausgabenrückgänge der GKV infolge des AVWG zu freuen. Vor allem das Naturalrabattverbot für Apotheken, die damit verbundenen Preisabschläge auf Generika sowie die Absenkung der Festbeträge führten bei den Krankenkassen bereits zu spürbaren, aber noch nicht näher bezifferten Entlastungen. "Das ist doch keine große Leistung, wenn man Zwangsrabatte vorschreibt", erklärte Hermann am 17. August im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung des "Forums für Gesundheitspolitik" in Berlin. Er moniert, dass das AVWG – abseits der abgesenkten Festbeträge – die Strukturen nicht verändere. Bei den Generikaherstellern sieht man dies freilich anders. Jens-Peter Schütz, Geschäftsführer der TAD Pharma GmbH, erklärte, das Spargesetz habe bei den Unternehmen zu "massiven strukturellen Veränderungen" geführt. Durch den Übergang von einem Rabatt- in einen Preiswettbewerb mussten sich der Außendienst und die Marketingabteilungen neu orientieren. Schütz räumte ein, dass der Wegfall der Naturalrabatte zwar zu einem Absatzplus geführt habe – doch dies ändere nichts daran, dass der neue zehnpozentige Kassenrabatt von Anbeginn "schmerzlich gewirkt" habe. Darüber hinaus habe das AVWG zu massiven Preissenkungen geführt.
AVWG wirkt – und lässt doch vieles offen ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt bestätigte, dass nach dem AVWG ein sinkendes Preisniveau zu erkennen sei. Zudem würden deutlich weniger Packungen verordnet. Die Apotheker treffe vor allem das Naturalrabattverbot, das viele in wirtschaftliche Probleme gebracht habe. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf verwies darauf, dass die früheren Naturalrabatte für Apotheker durch den neuen Zwangsrabatt in "erhöhtem Maße" bei den Krankenkassen angekommen seien. Eine weiterhin mit Spannung betrachtete AVWG-Maßnahme war die mögliche Zuzahlungsbefreiung für besonders preiswerte Generika. Doch es zeigte sich, dass es nicht die gängigsten Arzneimittel sind, die von dieser Regelung erfasst werden. Dennoch habe man – insbesondere vor dem 1. Juli – viele Kunden zu dem Thema beraten, sagte Schmidt. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, Dr. Leonhard Hansen, erklärte, in seiner Praxis habe es keinerlei Nachfragen nach zuzahlungsbefreiten Medikamenten gegeben – dafür war die Überraschung bei den Patienten groß, wenn sie in der Apotheke tatsächlich nichts zuzahlen mussten. Unklar ist auch die Wirkung der von der Ärzteschaft scharf kritisierten Bonus-Malus-Regelung. Sie soll erst im kommenden Jahr wirksam werden. Derzeit tüftelt die Selbstverwaltung aus, wie die Regelung auf Bundesebene zu gestalten ist. Allerdings zeichnet sich bereits ab, dass regionale Alternativvereinbarungen, die die Bundesregelung ersetzen können, von Ärzten und Krankenkassen bevorzugt werden. Hansen gehörte zu den ersten, die sich mit den Krankenkassen auf eine solche regionale Vereinbarung verständigten. Auch Hermann erklärte, seine Kasse werde nicht abwarten, bis man zu einer bundeseinheitlichen Regelung komme.
Viel Ungereimtes in den Eckpunkten Während das AVWG somit noch nicht vollumfänglich wirkt, muss man sich bereits fragen, ob es in Teilen wieder umgeworfen werden soll. Fraglich ist etwa, wie es mit den Reform-Eckpunkten zur Arzneimittelversorgung zu vereinbaren ist. Für Friedemann Schmidt konterkarieren die Eckpunkte schlicht alles bisher da gewesene. Den vielbeschworenen Wettbewerb sieht er bestenfalls in einer "trivialen" Art und Weise kommen – dabei werde es vor allem ums "Hauen und Stechen" gehen. Auch seitens der Kassen sieht man die weiteren Vorhaben kritisch: "Einerseits sind die Naturalrabatte verboten worden, andererseits sollen die Apotheker jetzt über Rabatte – oder Preise? – verhandeln", gab Hermann zu bedenken. Vieles sei offenbar auch von den Autoren der Eckpunkte noch nicht abschließend durchdacht.
Die Ärzteschaft ist ebenfalls nicht überzeugt. Hansen verwies darauf, dass acht von zwölf Anlagen zu den Eckpunkten die Arzneimittelversorgung betreffen – etwa zum Auseinzeln von Tabletten oder der Rückgabe nicht verbrauchter Arzneimittelpackungen. Für all diese Details könne man durchaus "Sympathien" hegen – welche Effekte sie haben werden, sei allerdings unklar. Zudem müsse man sich fragen, ob die Eckpunkte zur Arzneimittelversorgung nicht schon wieder überholt seien, nachdem dem BMG das frische Gutachten des Gesundheits-Sachverständigen Professor Wille (siehe DAZ Nr. 33, 2006, S. 24) vorliegt. Hier wird beispielsweise eine wiederum gänzlich neue Apothekenvergütung vorgeschlagen.
Kassen und Ärzte: Fremdbesitz unvermeidbar Während Ärzte, Kassen, Industrie und Apotheker weitgehend einig sind, dass von den Eckpunkten nicht allzu viel zu erwarten ist, teilen sich die Ansichten beim Thema Apotheken-Fremdbesitz. Die ABDA kann bei ihrem Kampf gegen die im Saarland erteilte Betriebserlaubnis an DocMorris nicht mit einer Unterstützung seitens der Kassen und der Ärzte rechnen: "Sie führen ein Rückzugsgefecht, das Sie nur verlieren können", sagte Hermann an die Adresse von Schmidt und Wolf. Seiner Meinung nach sollte sich die ABDA "an die Spitze der Bewegung setzen" und sich bemühen, den Ordnungsrahmen für den – unweigerlich kommenden – Fremdbesitz mitzubestimmen. Es sei reine "Ideologie", wenn sie behaupte, die wirtschaftliche und die fachliche Verantwortung könnten in der Apotheke nicht voneinander getrennt werden. Auch Hansen schließt sich dieser Sichtweise an: "Der Zug ist abgefahren". Das von der ABDA gerne angeführte Negativbeispiel Norwegen, wo nach Zulassung von Apothekenketten nur noch zwölf private Apotheken existieren, dreht Hansen um: "Das würde nicht passieren, wenn man sich vorher bemüht, die Bedingungen festzulegen.
Die norwegischen Apotheker haben zu lange zugewartet." TAD-Geschäftsführer Schütz teilt hingegen die Bedenken der Apotheker: Für den pharmazeutischen Mittelstand seien Ketten eine Existenzbedrohung. Er verhandle lieber mit "21.000 Apotheken als mit drei Ketten", betonte Schütz.
Christopher Hermann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, ist nicht gut auf den Gesetzgeber zu sprechen. Zusammen mit anderen Kassenvorständen macht er dieser Tage mobil gegen die Reformpläne der großen Koalition. Er moniert auch, dass das AVWG die Strukturen nicht verändere.
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