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Arzneimittel und Therapie
Multiple Sklerose: Ein Todesfall unter Alemtuzumab-Therapie
Alemtuzumab (MabCampath®) ist bei uns seit 2001 für die Behandlung der chronisch-lymphatischen B-Zell-Leukämie (B-CLL) bei Patienten, die mit alkylierenden Substanzen vorbehandelt sind und auf eine Therapie mit Fludarabin nicht mehr ausreichend ansprechen, zugelassen.
Monoklonaler Antikörper bindet an CD52-Rezeptor
Alemtuzumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der spezifisch an den CD52-Rezeptor bindet. Das Glykoprotein CD52 ist an der Oberfläche praktisch aller B- und T-Lymphozyten sowie von Monozyten, Thymozyten und Makrophagen im peripheren Blut zu finden. Der Antikörper markiert die entsprechenden Zellen als Objekte für die Vernichtung durch das körpereigene Immunsystem. Dieses greift an, es kommt zur Komplementfixierung und einer antikörperabhängigen, zellvermittelten Zytotoxizität. Die Folge ist die Lyse der markierten Zellen.
Da der Antikörper nicht nur entartete, sondern auch gesunde Leukozyten eliminiert, geht die Behandlung teilweise mit drastischen Nebenwirkungen einher. Schwere Blutungsreaktionen wurden häufig beschrieben. Alemtuzumab wurde von der FDA für die Behandlung von B-CLL-Patienten zugelassen. Die Schering AG und Genzyme entwickeln den Antikörper gemeinsam.
Einsatz bei Multipler Sklerose
Alemtuzumab wirkt hochgradig immunsupprimierend, weshalb er jetzt auch bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose getestet wird. Mitte September gaben die Schering AG und Genzyme Corporation Zwischenergebnisse einer Phase-II-Studie bekannt, in der Alemtuzumab (Campath®) mit Interferon beta-1a (Rebif®) in der Indikation Multiple Sklerose verglichen wird. Die Resultate stammen aus einer Zwischenauswertung der Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten nach der einjährigen Behandlung aller Studienteilnehmer. Die Auswertung erfolgte in Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Gremium zur Überwachung der Studie.
Die weitere Verabreichung von Alemtuzumab innerhalb dieser Studie wurde jetzt wegen schwer wiegender Nebenwirkungen ausgesetzt. Die beiden Unternehmen wollen die Studie dennoch fortsetzen. Ziel ist, zunächst weitere Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten zu gewinnen. Gleichzeitig wird eine Phase-III-Studie vorbereitet. Im Rahmen der bestehenden Indikation zur Behandlung der chronisch-lymphatischen B-Zell-Leukämie (B-CLL) ist MabCampath® weiterhin verfügbar.
Gravierende Nebenwirkungen
In der Phase-II-Studie wurden 334 Patienten mit aktiver schubförmig-remittierender Multipler Sklerose an 49 Behandlungszentren in Europa und den USA nach Zufallskriterien einer von drei Behandlungsgruppen zugewiesen. Die Patienten erhielten entweder Alemtuzumab in zwei verschiedenen Dosierungen einmal jährlich als intravenöse Infusion, oder Interferon beta-1a dreimal wöchentlich als Injektion.
In der randomisierten, nicht verblindeten Studie wurden Sicherheit und Wirksamkeit von Alemtuzumab mit Interferon beta-1a anhand von zwei primären Endpunkten verglichen: der Rate von Symptomen eines MS-Schubes und der Zeit bis zum Fortschreiten einer klinisch relevanten Behinderung (Zeit bis zum Auftreten einer andauernden und kumulativen Behinderung, gemessen nach sechs Monaten mittels der "Expanded Disability Status Score" [EDSS]).
Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe der einjährigen Behandlung einen MS-Schub zu erleiden, war bei den Patienten, die Alemtuzumab erhielten, um mindestens 75 Prozent geringer als bei denjenigen, die mit Interferon beta-1a behandelt wurden. Bei Patienten, die mit Alemtuzumab behandelt wurden, war auch das Risiko eines Fortschreitens der klinisch relevanten Behinderung um mehr als 60 Prozent niedriger (p < 0,05) als bei den mit Interferon beta-1a behandelten Patienten.
Ein Todesfall
Diese guten Wirkungen wurden allerdings teuer erkauft: Zwei Patienten, die mit hoch dosiertem Alemtuzumab und ein Patient, der mit niedrig dosiertem Alemtuzumab behandelt worden waren, bekamen eine idiopathische thrombozytopenische Purpura. Dabei nimmt die Thrombozytenzahl stark ab, was eine abnorme Blutungsneigung nach sich ziehen kann. Ein Patient starb, die zwei anderen Patienten sprachen auf die entsprechende Behandlung an. Weniger schwerwiegende Nebenwirkungen waren infusionsbedingte Reaktionen bei den Patienten unter Alemtuzumab und grippeartige Symptome bei den Patienten unter Interferon beta-1a.
Die Unternehmen haben jetzt zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Diese bestehen unter anderem in einer engmaschigeren Überwachung des Blutbildes bei allen Patienten und der Aufklärung der Patienten über die Zeichen und Symptome der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura.
Fast alle in der Studie mit Alemtuzumab behandelten Patienten haben bereits die Dosis für das zweite Jahr erhalten. In den kommenden Monaten werden Schering und Genzyme untersuchen, ob die vorgesehene dritte Dosis notwendig ist und wann sie gegebenenfalls verabreicht werden soll. Da unter der hohen Dosis kein Wirksamkeitsvorteil im Vergleich zu der niedrigen Dosierung erkennbar war, werden die Unternehmen diese Dosierungsstufe nicht mehr verwenden.
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