Arzneimittel und Therapie

Cholinesterasehemmer in der Diskussion

Die Cholinesteraseinhibitoren Donepezil (Aricept®), Rivastigmin (Exelon®) und Galantamin (Reminyl®) sind in Deutschland zur Behandlung der leichten und mittelschweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Sie besitzen einen Anteil von 10% - bezogen auf definierte Tagesdosen - am Verordnungsvolumen aller Antidementiva. Die Empfehlungen zur Behandlung mit diesen Wirkstoffen basieren auf randomisierten kontrollierten Studien. In einem kürzlich veröffentlichten Review wurden einige dieser Studien im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Evidenz kritisch beleuchtet.

Basis des Reviews bildete eine Literaturrecherche in den wissenschaftlichen Datenbanken Medline, Embase und The Cochrane Database of Systematic Reviews im Zeitraum 1989 bis November 2004. Es wurden alle doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studien mit den Wirkstoffen Donepezil, Rivastigmin und Galantamin ausgewählt, in denen die Effektivität der Behandlung anhand klinischer Endpunkte untersucht worden war. Jede Studie wurde außerdem mithilfe einer Checkliste auf ihre methodische Qualität hin untersucht.

Verschiedene Messinstrumente

22 Studien (zwölf mit Donepezil, fünf mit Rivastigmin, fünf mit Galantamin) erfüllten die Einschlusskriterien des Reviews. Die Anzahl der Alzheimer-Patienten pro Studie lag zwischen 27 und 978, die Beobachtungszeiträume zwischen sechs Wochen und drei Jahren.

14 Studien bestimmten die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten mithilfe der 70 Punkte umfassenden (0 Punkte: keine kognitive Einschränkung, 70 Punkte schwerstmögliche kognitive Einschränkung) ADAS-cog Skala (Alzheimers' disease assessment scale-cognitive subscale). Bei zwölf dieser Studien zeigten sich damit signifikante Unterschiede zwischen der Behandlung mit dem jeweiligen Cholinesterasehemmer und Placebo (im Mittel zwischen 1,5 und 3,9 Punkten). In zwölf Studien wurde zur Bestimmung der Effektivität der Behandlung die CIBIC-plus Skala (Clinician's Interview Based Impression of Change scale with input from caregivers) verwendet. Auch hierbei zeigte sich ein Behandlungsnutzen durch die Cholinesteraseinhibition. Außer diesen beiden Messinstrumenten kamen weitere zur Anwendung; dabei zeigte sich nicht für alle Endpunkte eine Überlegenheit der Behandlung mit einem der drei Wirkstoffe über Placebo.

Methodische Mängel aufgezeigt

Eine Analyse der Methodik der 22 Studien förderte einige Schwachpunkte zutage. Bei 15 von 22 Studien waren beispielsweise nicht alle ursprünglich randomisierten Patienten auch ausgewertet worden (keine Intention-to-treat-Analyse). Aus vier Studien ging nicht oder nur teilweise hervor, wie viele Patienten man überhaupt in die Endpunkt-Analysen einbezogen hatte.

Bei Studien mit mehreren primären Endpunkten wurde teilweise keine Korrektur für Mehrfachvergleiche durchgeführt. Nachdem die Autoren des Reviews eine solche Korrektur vorgenommen hatten, zeigte sich beispielsweise bei zwei der fünf Rivastigmin-Studien kein signifikanter Behandlungsnutzen bezüglich der primären Endpunkte mehr.

Nutzen der Behandlung teilweise gering

Die Autoren des Review kommen zu dem Schluss, dass die wissenschaftliche Basis für eine Empfehlung von Donepezil, Rivastigmin und Galantamin als bevorzugte Behandlungsmethode für Morbus Alzheimer fraglich ist. Zum einen wegen der teilweise geringen methodische Qualität der Studien, zum anderen, weil mit den verwendeten Messinstrumenten nur geringe Behandlungseffekte zu sehen waren. So empfiehlt beispielsweise die US Food and Drug Administration (FDA) als Minimum für einen bedeutsamen klinischen Effekt eine Zunahme von mindestens vier Punkten auf der ADAS-cog-Skala. Bei zwölf von 14 Studien des Reviews, die ADAS-cog als Mess-Skala verwendeten, wurden im Mittel nur 1,5 bis 3,9 Punkte erreicht. Allerdings räumen die Autoren ein, dass es sich bei dieser Größe um eine nicht Evidenz-basierte Expertenmeinung handelt.

Potenzielle Responder identifizieren

Die Autoren des Reviews merken weiterhin an, dass in der klinischen Praxis häufig nur bei 10 bis 20% der mit Cholinesterasehemmern behandelten Alzheimer-Patienten ein Behandlungserfolg zu sehen ist, was eventuell auch auf einen Placeboeffekt zurückzuführen sein könnte. Da die Subgruppe der Patienten, die von einer Behandlung profitiert, nicht im Voraus identifiziert werden kann, wird häufig geschlussfolgert, dass alle Alzheimer-Patienten mit diesen Wirkstoffen behandelt werden sollten. Zukünftige Forschung sollte sich daher darauf konzentrieren, potenzielle Responder zu identifizieren. Auch die methodische Qualität der Studien sollte verbessert werden.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 

Quelle
Kaduszkiewicz, H.; et al.: Cholinesterase inhibitors for patients with Alzheimer’s disease: systematic review of rando- mised clinical trials. Br. Med. J., 331, 321 – 323 (2005).
Schwabe, U.; Paffrath, D. (Hrsg.): Arznei- verordnungsreport, Springer Verlag Ber- lin, Heidelberg (2004).

 

Was war bisher bekannt?

Nach den Ergebnissen verschiedener randomisierter kontrollierter Studien ging man bisher davon aus, dass die Behandlung von Alzheimer-Patienten mit Cholinesteraseinhibitoren kognitive und allgemeine Funktionen (z. B. Alltagsfähigkeiten, Selbstständigkeit) verbessern kann. Diese Hypothese wurde durch verschiedene Evidenz-basierte Reviews unterstützt.

Was brachte die Studie Neues?

Der vorliegende Review zeigt auf, dass in den Studien, auf denen die Empfehlungen der drei Wirkstoffe beruhen, die Behandlungseffekte teilweise nur minimal und darüber hinaus die methodische Qualität teilweise gering war.

Zum Weiterlesen

Therapie der Alzheimer-Krankheit. Status quo. Med Monatsschr Pharm 2002; 25(1):8-12. www.medmopharm.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.