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Chronisch Kranke aus dem Berufsleben verdrängt

Der Krankenstand in Deutschland ist 2004 auf das niedrigste Niveau seit Einführung der Lohnfortzahlung im Jahr 1970 gesunken, jubelte das Bundesgesundheitsministerium in einer Pressemitteilung zum Jahresende. Damit würden die Arbeitgeber bei den Lohnkosten entlastet und die Ausgaben der Krankenkassen gesenkt.

 

Krankenstand sinkt bei steigender Arbeitslosigkeit

Warum dies so ist, wird in der Meldung des BMG nicht hinterfragt. Die naive Erklärung könnte so lauten: Die Deutschen werden eben immer gesünder. Doch andere Quellen machen dieses rosige Bild schnell zunichte. In seinem Wochenbericht Nr. 47/2004 weist das DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) darauf hin, dass der Krankenstand stark mit der Arbeitslosigkeit verknüpft ist: Bei steigender Arbeitslosigkeit sinken die Krankenstände, bei sinkenden Arbeitslosenzahlen steigen die Krankenstände an. Im Klartext: Wer um seinen Job bangt, überlegt es sich zweimal, ob er oder sie sich krankmeldet – und schleppt sich im Zweifel lieber mit Schmerzen oder Fieber an den Arbeitsplatz.

Dienstleistungen statt körperlicher Schwerarbeit

Mit einer anderen kritischen Tendenz befasst sich der Gesundheitsbericht 2004 des BKK Bundesverbandes: Neben der Angst vor dem Arbeitsplatzverlust macht er einen grundlegenden Strukturwandel in der Arbeitswelt für den Rückgang der Krankmeldungen verantwortlich. Branchen mit hohem Krankenstand und niedrigem Qualifikationsniveau (wie die Metallerzeugung) sind auf dem Rückzug – und Branchen mit niedrigem Krankenstand und hohem Qualifikationsniveau (EDV, Werbung, Banken und Versicherungen) auf dem Vormarsch.

Langwierig Erkrankte aus dem Arbeitsmarkt gedrängt

Dazu kommt, dass sich die Arbeitgeber bei dem großen Arbeitskräfteangebot die Jungen und Gesunden aussuchen können. Die Älteren und Kränkeren hat man inzwischen gekündigt oder in den Vorruhestand geschickt. So gibt es immer weniger Beschäftigte mit langwierigen Erkrankungen, weil sie besonders vom Stellenabbau betroffen sind.

Diese Gruppe aber trägt laut BKK besonders stark zur Höhe des Krankenstandes bei: Zwei Drittel aller Krankentage werden von den 10 Prozent Beschäftigten verursacht, die am längsten krankgemeldet sind.

Zwei weitere Zahlenbeispiele:

  • Waren 2001 noch 8 Prozent der Beschäftigten länger als sechs Wochen krankgeschrieben, so war die Zahl 2003 auf 6,7 Prozent gesunken.
  • Besonders lange Krankheitszeiten gibt es in der Regel bei Erkrankungen des Bewegungsapparates und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Seit 1991 sank die Zahl der durch sie verursachten Krankentage um 45 Prozent bzw. 35 Prozent.

 

Demographischer Wandel verlangt Umdenken

Die Verschiebung im Arbeitsmarkt vom produzierenden Gewerbe hin zu immer mehr Dienstleistungsbetrieben ist sicherlich nicht aufzuhalten und generell neutral zu bewerten. Doch die Praxis, sich von denjenigen Arbeitnehmern zu trennen, die nicht über eine unverwüstliche Gesundheit verfügen, ist kurzsichtig und wird sich in Zukunft nicht durchhalten lassen. Je mehr bei der wachsenden Überalterung der Bevölkerung der Mangel an qualifizierten Arbeitkräften wächst, desto mehr werden die Arbeitgeber auch wieder auf ältere – und damit auch oft länger und öfter kranke, aber eben auch erfahrene – Arbeitnehmer zurückgreifen müssen.

Gesundheitsvorsorge für Mitarbeiter ist Unternehmenssicherung

Deshalb müssen Unternehmen künftig mehr in die gesundheitliche Vorsorge ihrer Mitarbeiter investieren. Und zu einem sinnvollen Umgang mit der Gesundheit der Mitarbeiter gehört eben auch, dass diese sich bei Krankheiten ausreichend lange auskurieren können. Die Devise, den Krankenstand im Betrieb um jeden Preis gegen Null zu senken, ist genau so falsch wie das Starren auf Quartalszahlen unter Vernachlässigung der langfristigen Planung. Das gilt natürlich auch für Apothekenleiter, die sich ja besonders mit dem hohen Gut Gesundheit identifizieren (sollten).

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