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Sicherheit geht vor

POTSDAM (ks). Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) soll die Effizienz der Gesundheitsversorgung steigern und für mehr Transparenz, Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sorgen –  diese Hoffnung haben alle an dem Großprojekt Beteiligten. Wichtiger als die flächendeckende Einführung der Karte zum 1. Januar 2006 sei, dass das System funktioniert und sicher ist, betonte die Vorstandsvorsitzende der Ersatzkassenverbände VdAK/AEV Doris Pfeiffer am 14. Januar in Potsdam.

Die Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen hatte die elektronische Gesundheitskarte (eGK) in den Mittelpunkt eines Symposions gestellt. Vertreter der Kostenträger, Leistungserbringer, Industrie und des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) diskutierten hier über die Chancen und Probleme der neuen Karte.

Schritt für Schritt

zu mehr Effizienz

Norbert Paland, Leiter der Projektgruppe Telematik im BMGS, betonte, dass es sich um ein "gewaltiges Infrastruktur- und Vernetzungsprojekt" handle, das Stufe für Stufe entwickelt werden müsse. Er sieht die Vorarbeiten auf einem guten Wege. So habe das BMGS durch bit4health wichtige konzeptionelle Vorarbeiten geleistet. Auch die Einigung der Kostenträger und Leistungserbringer mit dem BMGS Ende Oktober letzten Jahres sei der "Anfang einer sehr guten Kooperation" gewesen.

Damals wurde unter anderem die Gründung einer neuen Betriebsorganisation beschlossen – diese wurde am 11. Januar von den beteiligten Verbänden und Organisationen unter dem Namen "Gematik" ins Leben gerufen. Ein weiterer "wichtiger und großer Schritt", so Paland. Die neue Gesellschaft müsse nun rasch die derzeit vom Fraunhofer-Institut in einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt entwickelten Standards für ihre weitere Arbeit als Grundlage nehmen. Paland machte ferner deutlich, dass die erhofften Effizienz- und Qualitätssteigerungen nicht gleich mit Einführung der eGK eintreten werden.

Denn begonnen wird zunächst mit einem Pflichtteil, der als Neuerung lediglich das elektronische Rezept (eRezept) enthält. Für Paland bereits ein wichtiges Modul – doch die zentralen Qualitätssteigerungen werden erst mit dem nach und nach eingeführten freiwilligen Teil kommen. Dieser umfasst insbesondere die Arzneimittel-Dokumentation, die Notfalldaten, den elektronischen Arztbrief und die elektronische Patientenakte. Damit diese Anwendungen tatsächlich zu einer besseren Versorgung führen, müssen allerdings möglichst viele Versicherte für diesen freiwilligen Teil gewonnen werden. Paland zufolge haben die Versicherten vor allem an den Notfalldaten großes Interesse. Er glaubt, dass hier eine der Schlüsselanwendungen der Karte liegen wird.

Nur was funktioniert

wird auch akzeptiert Die Krankenkassen versprechen sich von der Einführung des eRezepts als ersten Schritt eine rasche Amortisierung der vorgeleisteten Kosten von rund 1,4 Mrd. Euro – sie sollen innerhalb von drei Jahren wieder eingespielt sein. Bei den anderen Telematik-Anwendungen sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht so deutlich erkennbar, erklärte Ersatzkassen-Chefin Pfeiffer. Insgesamt sind die Hoffnungen aber groß, dass die eGK die Gesundheitsversorgung effizienter, transparenter, weniger missbrauchsanfällig und preiswerter machen kann.

Was die Akzeptanz der freiwilligen Module bei den Versicherten betrifft, so ist Pfeiffer zuversichtlich, dass dies jedenfalls bei der Arzneimittel-Dokumentation kein Problem ist. "Es sollte einfach sein, dem Patienten beizubringen, dass dies für ihn von Vorteil ist", so Pfeiffer. Auch für die weiteren freiwilligen Anwendungen werde man bei den Versicherten werben. Die Kassenchefin machte zudem deutlich, dass es nicht nur darum gehe, einen Zeitplan einzuhalten: "Es macht wenig Sinn, sich über den Zeitpunkt zu streiten – wir müssen ein System einführen, das funktioniert und sicher ist". Fehlversuche könne man sich nicht erlauben.

Für die Akzeptanz der Versicherten wäre es "fatal", wenn sie den Eindruck haben, es sei viel Geld und Aufwand in eine Sache gesteckt worden, die sich in der Praxis nicht bewähre. "Das wäre ein massivere Beeinträchtigung als Verzögerungen bei der Entwicklung", betonte Pfeiffer. In diesem Jahr soll die Testphase in Modellregionen starten. Pfeiffer rechnet damit, dass dabei Probleme auftauchen, die jedoch bis zum Einstieg in die nächste Testphase behoben sein werden. Wenn die großen Feldtests mit Projekten über 100.000 Beteiligten voraussichtlich im Januar 2006 starten, müssen die Vorgaben stimmen, so die Kassen-Chefin.

Keine Angst vorm

gläsernen Patienten Manfred Zipperer, Vorsitzender des Aktionsforums Telematik im Gesundheitswesen, zeigte sich überzeugt, dass die eGK die Kommunikation im Gesundheitswesen wesentlich verbessern wird: "Die gegenwärtige papiergebundene und traditionelle Kommunikation bremst und sorgt für Intransparenz." Zudem würden durch die Abschottung zwischen Haus- und Facharzt sowie zwischen stationärer und ambulanter Versorgung Ressourcen vergeudet. Kritiker der eGK, die einen gläsernen Patienten fürchten, erinnerte er an die Zeit vor Einführung der jetzigen Krankenversichertenkarte.

Schon damals seien dieselben Ängste geschürt worden, so Zipperer. Er vermutet, dass die Kritiker ihre tradierten Verhaltensweisen nicht aufgeben wollen und dies auch der Grund für die Verzögerungen in der Vorbereitungsphase sei. Im "vom Bestandsschutz geprägten Gesundheitswesen" sehe man es nicht gerne, wenn etwas zu mehr Macht und Einsicht führe. Doch gerade die Ärzteschaft ist wichtig, wenn es um die Akzeptanz der Karte bei den Versicherten geht. Wenn diese von der Karte nicht überzeugt sind, wird sich dies auch auf die Einstellung ihrer Patienten niederschlagen.

Zipperer glaubt nicht, dass Hinweise in Krankenkassen-Zeitschriften ausreichten, um die Versicherten von den Vorzügen der eGK zu überzeugen. Es müsse eher eine große Kampagne nach dem Vorbild des "Siebten Sinns" für den Straßenverkehr aufgezogen werden.

Transparenz

nur für die Kassen? Bedenken und Ängste haben auch die Kassenärzte. Für Franz-Theo Rey von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ist dies verständlich: Er rechnet damit, dass ein Großteil der Finanzierung an den Arztpraxen hängen bleiben werde, ohne dass diese davon einen primären Nutzen haben. Gleichzeitig habe man aber auch die Hoffnung, dass sich mit der eGK die Arbeitsabläufe beschleunigen lassen und Qualitätssteigerungen möglich sind. Was die höhere Transparenz betrifft, zweifelt die KBV allerdings: "Unsere Wahrnehmung ist, dass es diese Transparenz nur für die Krankenkassen geben soll", so Rey.

Apotheker mischen mit

Optimistischer sind die Apotheker. ABDA-Geschäftsführer Frank Diener betonte, dass die Apothekerschaft moderner sei, als manch einer glaube, der in ihr eine "insuffiziente und verkammerte Berufsgruppe" sehe. Er verteidigte zugleich die Arbeit der Selbstverwaltung an der eGK. So sei es "bahnbrechend" gewesen, dass man schon im Sommer 2004 eine strukturierte Finanzierungsvereinbarung getroffen habe – wenngleich sie noch quantifiziert wurde. Diener betonte weiterhin, dass es nicht so sehr das Einstimmigkeitsprinzip gewesen sei, das die Vorarbeiten verzögert habe (in der neuen Betriebsorganisation kann nun mit Zwei-Drittel-Mehrheit entschieden werden).

Problematisch sei es geworden, als die Forderung der Kassen laut wurde, Ex-ante-Zugriff auf die Patientendaten zu bekommen. Mit Hilfe des BMGS habe man jedoch eine Lösung für die Datentransportwege gefunden. So wird das Online-Verfahren als Standard etabliert. Daneben wird aber auch der Transport des eRezepts auf der Gesundheitskarte selbst – also die von den Apothekern favorisierte Lösung – ergebnisoffen getestet. "Wir haben unseren Frieden damit gemacht, dass es einen Online-Weg geben muss", so Diener.

Offen sei aber noch die Frage, wie die Daten hinterlegt werden sollen: zentral oder in einem personenbezogenen Postfach bei einem zertifizierten Server. Diener geht davon aus, dass sich die Gematik bis zum zweiten Quartal dieses Jahres Klarheit über die Lösungsarchitektur verschaffen wird. Voraussichtlich werde es auch noch zu ein, zwei Treffen im BMGS kommen. Ist die eGK erst einmal eingeführt, wird die Arzneimitteldokumentation für die Apotheker der zentrale Punkt sein, erklärte Diener weiter. Damit spare man und verringere zugleich Arzneimittelrisiken. Schon Verbesserungen im Promillebereich seien hier ein Erfolg und ihr Geld wert, so der ABDA-Geschäftsführer.

Die elektronische Gesundheitskarte soll die Effizienz der Gesundheitsversorgung steigern. Wichtiger als die flächendeckende Einführung der Karte zum 1. Januar 2006 sei aber, dass das System funktioniert und sicher ist, betonen die beteiligten Verbandsfunktionäre.

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