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DAZ aktuell
Union setzt weiter auf Freiberuflichkeit
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Herr Zöller, knapp ein halbes Jahr sind Sie neuer Vize-Fraktionsvorsitzender und gesundheitspolitischer Sprecher der Union. Werfen Sie bitte einen kurzen Blick zurück.
Zöller:
Als eines von vielen positiven Ergebnissen meine ich anführen zu können, dass wir weg von der öffentlichen Debatte hin zur Sachpolitik zurückkehren und innerhalb unserer Fraktionsgremien einen starken Teamgeist entwickeln konnten. Inhaltliche Fragen werden jetzt wieder dort diskutiert, wo sie hingehören, nämlich in den Expertengruppen. Diese neue Disziplin und Geschlossenheit innerhalb der Fraktion sehe ich als eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Gesundheitspolitik an.
DAZ
Seitens des Bundeskanzlers sind Neuwahlen geplant und zurzeit scheint eine CDU/CSU-Regierung ab Herbst 2005 nicht unwahrscheinlich. Hätten denn die Apotheker von einer solchen Regierung gravierende Veränderungen im System zu erwarten?
Zöller:
Noch hat es keinen Regierungswechsel gegeben und neue Entwicklungen und Veränderungen wird es gerade im Gesundheitssystem immer geben. Trotzdem sind wir nach wie vor vom jetzigen Apothekensystem in Deutschland überzeugt und sehen im freiberuflichen Apotheker die bestmögliche und sicherste Arzneimittelversorgung. Einer weiteren Liberalisierung des Arzneimittelmarktes oder einem Dispensierrecht für Ärzte stehe ich sehr skeptisch gegenüber.
DAZ
Während des vor kurzem beigelegten Streits um die Ausgleichzahlungen für Apotheker haben Sie die Ansicht vertreten, die Apotheker sollten bei Nachforderungen Zurückhaltung üben. Wie glaubwürdig können die deutschen Apotheker nach dieser Diskussion die Politik in Zukunft empfinden?
Zöller:
Ich möchte hier klar stellen, dass ich hinsichtlich der Ausgleichszahlungen die Apotheker keineswegs zu einem Verzicht aufgefordert habe. Wir haben lediglich darauf hingewiesen, dass der Gesetzestext hier keinen Automatismus beinhaltet, sondern neben der Anzahl der Packungen auch die Entwicklung der Kosten und Leistungen der Apotheker zur Grundlage für die Verhandlung macht.
Übrigens, die Entwicklung der im Jahr 2004 abgegebenen Arzneimittelpackungen war seit einem Jahr abzusehen, und nicht wir oder die Apotheker, sondern die Gesundheitsministerin ist bei diesem Thema den Weg über die öffentliche Diskussion gegangen. Für alle Beteiligten wäre es wohl besser gewesen, dieses Problem zu einem früheren Zeitpunkt auf der sachlichen Ebene zu lösen. So wäre wohl auch nicht der Eindruck entstanden, es werde eine Gesundheitspolitik nach Kassenlage betrieben.
DAZ
Das GMG entstand im Konsens zwischen SPD und CDU/CSU. Glauben Sie heute – knapp zwei Jahre später – immer noch, hier auf dem richtigen Weg zu sein, z. B. hinsichtlich des neuen Honorierungssystems für die Apotheker?
Zöller:
Ich halte die neue Arzneimittelpreisverordnung für einen großen Erfolg. Ein großes Kompliment an alle deutschen Apotheker, hier wurde Großes geleistet und die Umsetzung des Kombimodells hat hervorragend geklappt. Durch die vom Herstellungspreis entkoppelte Honorierung des Apothekers haben sich u. a. zwei ganz wichtige Veränderungen ergeben: Erstens, die ehemals häufige Diskussion über den prozentualen Aufschlag bei sehr teueren Medikamenten ist endlich vorbei und zweitens wird so die Position des freiberuflich tätigen Apothekers untermauert.
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Unbestritten ist aber auch, dass die Apotheker durch Inkrafttreten des GMG einen sehr großen Beitrag zur Kostensenkung der gesetzlichen Krankenkassen beigetragen haben. Wie geht es hier weiter?
Zöller:
Wer im Gesundheitswesen nachhaltig erfolgreiche Politik gestalten möchte, muss alle Möglichkeiten zu Einsparung erkennen und nutzen. Prinzipiell wollen wir nicht am, sondern mit dem Arzneimittel sparen, soweit dies natürlich möglich ist. Denn Arzneimittel können helfen, andere Leistungen – z. B. Krankenhausaufenthalte – effizienter zu gestalten oder gar entbehrlich zu machen. Das jetzt gültige Kombimodell ist hierfür eine geeignete Grundlage.
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Und wie sehen Sie die beiden Punkte Freigabe der OTC-Preise bzw. die Nichterstattung der meisten OTC-Präparate durch die gesetzlichen Krankenkassen und den beschränkten Mehrbesitz?
Zöller:
Zu letzterem: Wir wollen den eigenverantwortlichen Apotheker in seiner Apotheke und keine Apothekenketten. Dass OTC-Präparate nicht mehr erstattet werden, halten wir für überprüfungswürdig. Ob hier Unterversorgungen entstehen können, die eventuell zu einem späteren Zeitpunkt höhere Kosten für die Krankenkassen bedeuten, muss eruiert werden. Genauso muss diskutiert werden, ob bewährte und kostengünstige Arzneimitteltherapien – wie die Homöopathie – eventuell wieder erstattet werden.
Dass eine nicht existierende Rezeptpflicht eines Arzneimittels die Ursache bzw. die Begründung für die Ablehnung der Erstattungsfähigkeit bedeutet, ist besonders dann bedenklich, wenn hier auf teurere und evtl. nebenwirkungsträchtigere verschreibungspflichtige Präparate ausgewichen wird. Wir haben gehandelt. Eine entsprechende Initiative, die auf die Anhebung der Altersgrenze auf 18 Jahre abzielt, wurde von unserer Fraktion bereits angestoßen.
DAZ
Wird durch die Freigabe der OTC-Preise denn die Balance zwischen Heilberuf und Kaufmann noch gehalten?
Zöller:
Ich meine schon. Die OTC-Preise haben sich bisher nicht in die falsche Richtung entwickelt. Es liegt an den Apothekern, hier keine Fehlentwicklung einzuleiten.
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Wie sehen Sie die integrierten Versorgungsmodelle bzw. die neue Möglichkeit, hier Einzelverträge zu schließen?
Zöller:
Hier ist es noch zu früh, um eine klare Bewertung vornehmen zu können. Viele Projekte sind erst am Anfang und befinden sich noch im Diskussionsstadium. Doch möchte ich nochmals betonen, dass wir nach wie vor dazu stehen, dass innerhalb der Integrierten Versorgung der Wettbewerb nicht über den Preis, sondern über die Qualität geführt werden muss. Die Arzneimittelpreisverordnung behält auch innerhalb der Integrierten Versorgung ihre Gültigkeit.
DAZ
Das Barmer Hausapothekenmodell ist erfolgreich gestartet. Wie sehen Sie diese Konzeption der Integrierten Versorgung?
Zöller:
Wie schon erwähnt, wir stehen hier am Anfang. Doch sollte die Integrierte Versorgung stets das primäre Ziel haben, die Versorgung der Patienten zu optimieren und nicht Preisnachlässe zu vergeben. Die prinzipielle Idee der Integrierten Versorgung war und ist, dass ein "besser" qualifizierter Hausarzt oder auch Apotheker die Patienten effizienter und damit letztlich zu insgesamt geringeren Kosten versorgt. Ob das Barmer Hausapothekenmodell diesbezüglich ein Erfolg ist, wird sich spätestens dann zeigen, wenn nächstes Jahr hierfür der gesetzlich geforderte Nachweis erbracht werden muss.
Es gibt allerdings auch Gründe, warum das Barmer Hausapothekenmodell scheitern könnte, denn zum einen gingen 85% der Patienten schon immer zuerst zum Hausarzt. Außerdem soll mit dem Modell die Vergütung der Ärzte erhöht werden, gleichzeitig sollen die Patienten weniger zuzahlen und die Krankenkassen mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich erhalten. Wie das finanziell aufgehen soll, ist mir schleierhaft.
DAZ
Erreicht also das Barmer Hausapothekenmodell Ihrer Meinung nach noch nicht die angestrebte "honorierte Wirtschaftlichkeit"?
Zöller:
Diese Gefahr kann man nicht ausschließen.
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Wie stehen Sie zu Prävention und Eigenverantwortung der Versicherten?
Zöller:
Die Idee der Chroniker-Programme halte ich grundsätzlich für sinnvoll. Prävention und Früherkennung von Krankheiten müssen selbstverständlich mehr gefördert werden. Es darf aber nicht so sein, dass durch solche Programme für die Versorgung anderer Patienten das Geld fehlt. Wer sich an einer erfolgreichen Prävention beteiligt, soll dafür auch finanziell belohnt werden. Dies darf sich nicht auf wenige Krankheiten, für die zufällig Programme existieren, beschränken.
DAZ
Können Sie hier ein Beispiel nennen?
Zöller:
Erfolgreiche und gründliche Zahnpflege bei der gesamten Familie hilft Zahnersatz zu vermeiden. Wenn wir dann Zahnersatz in die Eigenverantwortung übertragen, wirkt sich eine gute Prävention positiv auf das verfügbare Einkommen aus. Gleichzeitig bleibt ein ausreichender Versicherungsschutz für Zahnersatz bezahlbar.
DAZ
Die Bürgerversicherung wird momentan bei der Bevölkerung und bei Wirtschaftsexperten gegenüber der von Ihnen vorgeschlagenen Kopfpauschale favorisiert. Werden Sie Ihr Konzept bei einem Regierungswechsel trotzdem umsetzen?
Zöller:
Nach wie vor sind wir der Meinung, dass – um künftige Generationen nicht finanziell zu überlasten – der Umstieg auf eine solidarische Gesundheitsprämie der richtige Weg ist. Nur so erreichen wir eine Abkopplung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten und die Chance, die Lohnnebenkosten langfristig zu senken. Einen sozialen Ausgleich, z. B. zur Finanzierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern, über die Steuern und nicht über die Sozialkassen bedeutet aber auch, dass die gesamte Solidargemeinschaft über alle zu besteuernden Einkünfte ihren Beitrag leistet und dies nicht auf die gesetzlich Krankenversicherten beschränkt ist.
DAZ
Sie bekennen sich zum freiberuflichen Apotheker und lehnen den Fremdbesitz ab. Was sind hierfür die Gründe?
Zöller:
Die flächendeckende Arzneimittelversorgung – überall zu gleichen Preisen, überall mit der gleichen Qualität – verbunden mit einer hohen Arzneimittelsicherheit kann am besten mit dem bestehenden Apothekensystem bewerkstelligt werden. Die Freiberuflichkeit sichert all dies ab und jegliche Form des Fremdbesitzes würde dieses bewährte System aufweichen. Ich wiederhole mich, wir lehnen Apothekenketten aus diesen Gründen ab. Das Beispiel Norwegen hat doch gezeigt, dass sich durch die Aufgabe der eigenverantwortlichen Freiberuflichkeit und den Fremdbesitz für die Kunden und Patienten weder Vorteile ergeben, noch die Preise gesunken sind. So können keine Einsparungen für die Kostenträger ermöglicht werden.
DAZ
Wer eine flächendeckende Arzneimittelversorgung erhalten möchte, muss Rahmenbedingungen schaffen, die auch "kleineren" Apotheken ein wirtschaftliches Überleben ermöglichen. Wie wollen Sie diese erreichen?
Zöller:
Die jetzt gültigen Rahmenbedingungen sind ausreichende Voraussetzungen. Systemveränderungen und neue Rabattverhandlungen stehen unserer Meinung nach nicht an. Natürlich müssen aber auch in Zukunft notwendigen Entwicklungen mit berufstandseigenen Lösungen Rechnung getragen werden. Dem Recht der Freiberuflichkeit stehen auch Pflichten gegenüber, die Apotheker müssen sich den neuen Herausforderungen stellen.
DAZ
Zum Beispiel beim elektronischem Rezept?
Zöller:
Ein sehr komplexes Thema, doch sollten alle Beteiligten und somit auch die Apotheker bei dessen Entwicklung besonders darauf achten, dass dieses zum Nutzen des Patienten eingeführt wird. Nur eine intelligente und funktionierende Gesundheitskarte mit vielen praktischen Anwendungsvorteilen – z. B. mit integriertem Allergiepass, Organspendeausweis und Blutgruppenmerkmalen – wird langfristig akzeptiert werden.
DAZ
Das Thema Versandhandel hat gezeigt, dass EU-Richtlinien immer mehr Bereiche der Gesundheitspolitik beeinflussen. Wie viel Europa – siehe Regionalprinzip – verträgt denn die deutsche Apotheke?
Zöller:
Wir können uns dem Europäischen Einigungsprozess nicht entziehen. Doch sollten Vorschriften aus Brüssel nicht immer nur als Gefahr, sondern auch als Chance gesehen werden. Das Thema Versandhandel hat doch gezeigt, dass sich fast alle Bürger letztendlich für eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung vor Ort entschieden haben. Natürlich darf Europa auch nicht missbraucht werden wie zum Beispiel beim Thema Reimport. Diese Regelung scheint mir überholungsbedürftig und muss auf den Prüfstand gestellt werden.
DAZ
Wie stehen Sie zum Thema "Verblisterung für Altenheime"? Muss hier der Gesetzgeber regelnd eingreifen?
Zöller:
Hier hat es – wie in vielen anderen Bereichen – in letzter Zeit eine dynamische Entwicklung gegeben. Die Aufgabe der Politik ist es nun, sich darum zu kümmern, dass die Qualität und die Arzneimittelsicherheit hier mindestens genauso wie bisher gewährleistet sind. Erleichterungen z. B. für das Pflegepersonal sind natürlich willkommen, doch muss der Apotheker hier als verantwortlicher Arzneimittelfachmann unbedingt eingebunden sein. Das Thema ist in den politischen Gremien präsent und wird zurzeit geprüft und beraten. Von unserer Seite gilt hier aber auch, soviel Regelung hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit wie notwendig, aber so wenig Bürokratie wie möglich.
DAZ
Was erwarten Sie in Zukunft von den deutschen Apothekerorganisationen?
Zöller:
Der bestehende Dialog muss unbedingt fortgesetzt werden. Ich wünsche mir hierbei eine faire und sachliche Auseinandersetzung, den Willen zu einer ehrlichen Zusammenarbeit und zuverlässige Informationen, gerade hinsichtlich wichtiger Kennzahlen und deren Entwicklung.
DAZ
Zu guter letzt drei Dinge, die Ihnen an den Deutschen Apotheken gefallen, drei Dinge, die Ihrer Meinung nach noch verbessert werden könnten?
Zöller:
Am meisten schätze ich in den deutschen Apotheken die Arzneimittelsicherheit, die Flächendeckung und im Besonderen die gute und kompetente Beratung. Verbessern kann man aber gerade auch die Beratung. Hier haben die Apotheker noch große Entwicklungsmöglichkeiten. Die Apotheker sollten nicht in jeder neuen Regelung nur immer eine Gefahr oder Bedrohung sehen, sondern eine Herausforderung und Chance.
DAZ
Herr Zöller, wir danken für das Gespräch!
Vita
Wolfgang Zöller, MdB, Jahrgang 1942, verheiratet, zwei Kinder und seit 1969 Mitglied der CSU, ist seit 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages. Über 20 Jahre trug er politische Verantwortung in seinem Heimatbezirk Miltenberg, unter anderem als zweiter Bürgermeister in Obernburg. Von 1998 bis Januar 2005 war er stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und soziale Sicherung, seit Januar 2005 stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherung. Im Dezember 2004 übernahm er den stellvertretenden Fraktionsvorsitz der CDU/CSU für die Bereiche Gesundheit und soziale Sicherung, Arbeitnehmer, Energie.
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