Rechtsprechung aktuell

Außenschalter sind erlaubt

Nach der Zulassung des Versandhandels mit Medikamenten durch das GKV-Modernisierungsgesetz stellt die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel über den Außenschalter einer Apotheke keinen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) mehr dar. Mit diesem Leitsatz hat das Bundesverwaltungsgericht zwei gegenteilige Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und seine bisherige Rechtsprechung zum Verbot von "Apotheken-Autoschaltern" revidiert.
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. April 2005, Az.: 3 C 9.04)

 

Ausgangspunkt der höchstrichterlichen Entscheidung war die Klage eines Apothekers, dem von der zuständigen Behörde verboten worden war, außerhalb des Notdienstes apothekenpflichtige Arzneimittel über einen Außenschalter an seine Kunden abzugeben. Die Apotheke, die sich in einer Einkaufspassage befand, verfügte über einen an der rückwärtigen Außenwand des Einkaufscenters gelegenen Außenschalter, der als "Autoschalter" gekennzeichnet und mit dem Apotheken-A versehen war. Davor verlief eine Straße mit Gehweg. Kunden konnten während der regulären Öffnungszeiten der Apotheke das Apothekenpersonal mittels einer Klingel herbeirufen.

Unter Hinweis auf § 17 Abs. 1 ApBetrO untersagte das Regierungspräsidium in Tübingen dem Apotheker die Arzneimittelabgabe über den Außenschalter. Aus dieser Vorschrift folge nämlich, dass sich sowohl der Apotheker als auch der Kunde bei der Arzneimittelübergabe in den Apothekenbetriebsräumen aufzuhalten habe. In seiner Verbotsverfügung berief sich das Regierungspräsidium auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 1998 (DAZ 1998, S. 1283) zur Unzulässigkeit der Abgabe von Arzneimitteln über einen Apotheken-Autoschalter. Dagegen klagte der Apotheker.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urt. v. 1. 4. 2003, DAZ 2003, S. 3990, DAZonline/Recht) folgten der Rechtsauffassung des Regierungspräsidiums, u. a. mit der Begründung, dass bei der Abgabe von Arzneimitteln über einen Außenschalter die Besonderheit der Ware "Arzneimittel" für den Kunden nicht mehr erkennbar sei und deshalb seine Bereitschaft und seine Möglichkeiten, eine eventuell notwendige Beratung in Anspruch zu nehmen, beeinträchtigt würde.

 

 

§ 17 Apothekenbetriebsordnung

(1) Arzneimittel dürfen, außer im Falle des § 11a des Apothekengesetzes und des Absatzes 2a, nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht und nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden.

(2) Die Zustellung durch Boten der Apotheke ist im Einzelfall ohne Erlaubnis nach § 11a des Apothekengesetzes zulässig; (...)

(2a) Bei dem nach § 11a des Apothekengesetzes erlaubten Versand hat der Apothekenleiter sicherzustellen, dass
1. das Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität erhalten bleibt,
2. – 9. (...)

 

Bundesverwaltungsgericht kippt seine Rechtsprechung

Dieser Einschätzung widersprach nunmehr das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf die seit 1. Januar 2004 geltenden Regelungen zum Versandhandel im GKV-Modernisierungsgesetz. Ausdrücklich gab es seine bisherige Rechtsprechung auf. Nach Auffassung der Bundesrichter hat das GKV-Modernisierungsgesetz den systematischen Zusammenhang, in den § 17 Abs. 1 ApBetrO gestellt ist, nämlich grundlegend geändert.

Die neue Vorschrift nimmt nunmehr ausdrücklich Bezug auf § 11a des Apothekengesetzes (ApoG) und § 17 Abs. 2a ApBetrO, in denen die Erteilung einer Erlaubnis zum Versandhandel mit Arzneimitteln geregelt ist (vgl. Kasten). Voraussetzung für die Erlaubniserteilung ist nach § 11a ApoG, dass der Versand aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb erfolgt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber, so das Bundesverwaltungsgericht, eine Form der Medikamentenabgabe zugelassen, bei der das Arzneimittel zwar aus der Apotheke heraus abgegeben werden muss, der Kunde aber nicht gehalten ist, die Apothekenräume zu betreten.

Er kann seine Bestellung schriftlich oder, soweit die Verschreibungspflicht des Arzneimittels nicht die Vorlage eines Rezeptes (das Gericht spricht von einem "Attest") notwendig macht, telefonisch oder über das Internet aufgeben und sich die bestellte Ware an einen beliebigen Ort zustellen lassen. Über die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs im DocMorris-Urteil hinaus erstrecke das GKV-Modernisierungsgesetz die Möglichkeit des Versandhandels nämlich auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Großzügigere Boten-Regelung

Ergänzt wird diese Regelung, wie das Bundesverwaltungsgericht feststellt, durch eine Neufassung des § 17 Abs. 2 ApBetrO. Während es dort früher hieß, die Versendung aus der Apotheke oder die Zustellung durch Boten sei im begründeten Einzelfall zulässig, ist nun die Zustellung durch Boten der Apotheke im Einzelfall ohne Erlaubnis nach § 11a ApoG zulässig. Damit ist der Anwendungsbereich der Vorschrift wesentlich erweitert worden, da kein besonderer Grund mehr vorliegen muss, der die Zustellung des Arzneimittels durch Boten rechtfertigt. Schließlich ist § 43 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dahingehend geändert worden, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr nur in Apotheken, sondern nur von Apotheken abgegeben werden dürfen.

Neue Schalter-Freiheiten

Angesichts dieser Neuregelungen und der Gesetzesbegründungen hierzu lässt sich nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Aussage, dass das gesamte Geschäft der Arzneimittelversorgung innerhalb der Apothekenräume abgewickelt werden müsse, nicht mehr aufrechterhalten. Wörtlich heißt es dazu in dem Urteil: "Der Gesetzgeber hat Vertriebswege eröffnet, die es dem Kunden freistellen, ob er sich auf den Weg zur Apotheke macht oder ob er eine Bestellung und Entgegennahme der Arzneimittel an irgendeinem anderen Ort stattfinden lässt.

Er braucht die Apotheke nicht zu betreten, wenn er es nicht will. In welchem Umfang er das Beratungsangebot des Apothekers in Anspruch nimmt, bleibt weitgehend ihm selbst überlassen. In diesem Kontext ist für eine Auslegung des § 17 Abs. 1 ApBetrO, die den die Apotheke selbst aufsuchenden Kunden zum Betreten der Apotheken zwingen will, kein Raum mehr."

Apotheken steht es nunmehr deshalb frei, an ihren Apotheken sog. Außen-, Fußgänger- oder auch Autoschalter anzubringen. Erforderlich dabei ist freilich, dass die bauliche Anordnung und Gestaltung des Schalters eine bequeme und ordnungsgemäße Information der Kunden bei der Arzneimittelabgabe ermöglicht und die Vertraulichkeit der Beratung gewahrt bleibt (vgl. Cyran/Rotta, Kommentar zur ApBetrO, § 17 Rdnr. 313).

Rechtsanwalt Dr. Christian Rotta,
Stuttgart

 

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