Gesundheitsforschung: Das deutsche Gesundheitswesen ist preiswert und effizient

BERLIN (ks). Das vielgescholtene deutsche Gesundheitswesen ist einer neuen Studie zufolge weit besser als sein Ruf. Immer wieder heißt es, man zahle hierzulande einen Mercedes, fahre aber nur einen Golf. Für den Kieler Gesundheitsforscher Fritz Beske ist diese Behauptung nicht haltbar. Er hat für seine jüngste Untersuchung die Leistungskataloge von 14 Industrienationen verglichen. Sein Fazit: Deutschland hat nicht nur ein umfassendes, sondern auch ein effizientes und preiswertes Gesundheitssystem.

"Wir haben den umfassendsten Leistungskatalog der Welt", erklärte Beske anlässlich der Vorstellung der Studie am 31. August in Berlin. Das fast 480 Seiten starke Gutachten des Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) analysiert und vergleicht sowohl die Gesundheits- als auch die Geldleistungen der Gesundheitssysteme verschiedener Länder. Für die Bewertung haben die Studienautoren einen Versorgungsindex mit 24 Indikatoren entwickelt.

Zu den Indikatoren im Bereich der Gesundheitsleistungen zählen unter anderem die Arztdichte, die freie Arztwahl, die Anzahl akutstationärer Betten und die Zuzahlungsmodalitäten. Im Bereich der Geldleistungen wurde verglichen, ob und in welchem Umfang beispielsweise Lohnfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld und Invaliditätsrente gezahlt werden. Welche Auswirkungen all diese Leistungen tatsächlich auf die Gesundheit der Menschen haben, bleibt bei der Studie allerdings außen vor.

Spitzenplatz bei der Versorgung

Bei den Gesundheitsleistungen ermittelten die Gutachter Deutschland als das Land mit dem höchsten Versorgungsniveau. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Österreich und Belgien. Die letzten Plätze nehmen Großbritannien, Australien - und gänzlich abgeschlagen - die USA ein. So zeichnet sich Deutschland etwa durch eine hohe Hausarzt-, Facharzt- und Zahnarztdichte sowie eine hohe Krankenhauskapazität aus. Auch die Zuzahlungen sind in diesem Bereich vergleichsweise gering. Der Leistungs–katalog bei Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln ist hierzulande ebenfalls überdurchschnittlich üppig ausgestaltet und mit relativ geringen Zuzahlungen verbunden.

Im Versorgungsniveau der Geldleistungen nimmt Deutschland den dritten Platz hinter den Niederlanden und Schweden ein - die drei letzten Plätze sind ebenso besetzt wie bei den Gesundheitsleistungen. Beske betonte, dass die Geldleistungen in Deutschland unterschiedlich ausfallen: Während viel Geld für Lohnfortzahlung und Krankengeld aufgewendet wird, sind die Leistungen bei Mutterschaft unterdurchschnittlich.

Pro-Kopf-Ausgaben: Deutschland im Mittelfeld

Die Studie zeigt auch: Die Pro-Kopf-Ausgaben (für Gesundheits- und Geldleistungen) sind in Deutschland lange nicht so hoch, wie oft behauptet wird. Im Jahr 2001 lagen sie mit 3594 Euro knapp unter dem Durchschnittswert der 14 begutachteten Nationen. Spitzenreiter sind die USA mit 6195 Euro und die Schweiz mit 4571 Euro. Auch in Dänemark, den Niederlanden, Österreich und Schweden wird pro Kopf mehr für die Gesundheit ausgegeben. Mit zu den günstigsten Ländern gehören der Studie zufolge Italien, Großbritannien, Belgien und Kanada.

Beske wies jedoch auf die unzureichende Gesundheitsberichterstattung dieser Länder hin. Insbesondere bei den Ausgaben seien die Angaben lückenhaft und es müsse vermutet werden, dass die amtlich berichteten Ausgaben zu gering angesetzt sind. Würde man realistischerweise höhere Ausgaben ansetzen, läge Deutschland noch weiter unter dem Durchschnitt, so Beske.

Auch in der Effizienz kann sich Deutschland sehen lassen Auch um die Effizienz ist es in Deutschland offenbar gut bestellt. Diese errechneten die Studienautoren mittels einer Effizienzformel aus dem Verhältnis der Kosten zu den Leistungen. Danach stehen im Effizienz-Ranking nur Italien, Belgien und Kanada vor Deutschland. Allerdings müssten die Werte dieser drei Länder aus den bereits genannten Gründen skeptisch betrachtet werden. "Bei einer realistischen Angabe der Ausgaben in allen Ländern hätte Deutschland im Vergleich der 14 Länder vermutlich sogar das effizienteste Gesundheitswesen überhaupt", heißt es in der Studie.

Beske: System nicht zerstören

"Es gibt kein perfektes Gesundheitswesen, nicht zuletzt darum, weil Missbrauch nicht ausgeschlossen werden kann", erklärte Beske. Dennoch zeige die Studie, dass das deutsche Gesundheitswesen mit dieser Einschränkung zu den effizientesten der Welt gehöre. "Dies wird nicht überall gern gehört werden", vermutet Beske. Doch es sei zu hoffen, "dass dieses System auch auf Dauer Zukunft hat" und nicht durch "Reformen oder durch das, was als Reform bezeichnet wird, Schaden leidet oder ganz zerstört wird".

Auch für den Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes, Hans Jürgen Ahrens, belegt die Studie, dass es "jetzt nicht nötig ist, das System vom Kopf auf die Füße zu stellen". Erforderlich seien lediglich kleinere Änderungen und Verbesserungen, um es gängiger zu machen. Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, zeigte sich über die Aussagen der Gutachter erfreut. Die Studie mache deutlich, warum Deutschland im Ausland oft für sein Gesundheitssystem beneidet werde. "Ich bedaure es außerordentlich, dass diese offenkundigen Erfolge bei uns immer wieder kaputt geredet werden", sagte Köhler.

Die Studie "Leistungskatalog des Gesundheitswesens im internationalen Vergleich" ist als Band 104 in der Schriftenreihe des IGSF in zwei Bänden erschienen und kann gegen eine Schutzgebühr von 15 Euro zzgl. Versandkosten bestellt werden bei: Institut für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) Weimarer Straße 8, 24106 Kiel Tel. (04 31) 8 00 60 - 0 Fax: (04 31) 8 00 60 - 11 E-Mail: info@igsf-stiftung.de.

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