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DocMorris sieht sich weiter auf Erfolgskurs

(hvj). Mit einem bis Ende 2003 nach deutschem Recht verbotenen Arzneimittelversandhandel aus den Niederlanden und markigen Sprüchen über deutsche Apotheker ("Wir haben viel Staub aufgewirbelt, weil viel Staub lag") schob sich DocMorris-Gründer Ralf Däinghaus ins mediale Rampenlicht. Jetzt, nachdem der deutsche Gesetzgeber ab Januar 2004 den Arzneimittelversand genehmigt hat, muss sich diese Vertriebsstruktur als wirtschaftlich rentables Geschäftsmodell allerdings noch beweisen. Nicht nur die deutsche Apothekerschaft dürfte gespannt darauf sein, ob der Versandhandel aus dem Ausland sich langfristig zu einer echten Konkurrenz für die deutschen Präsenzapotheken entwickeln wird. Die DAZ hat sich mit Ralf Däinghaus unterhalten.
Foto: DAZ Archiv
DocMorris-Gründer Ralf Däinghaus: „Wir haben Kanäle gefunden, die an uns Arzneimittel weitergeben. Denn DocMorris ist ein guter Handelspartner, das 
bricht so manchen Boykott.“

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Herr Däinghaus, Sie haben Ihr Unternehmen seit April in neuen, größeren Räumen untergebracht. Sehen Sie im Arzneimittelversandhandel von Holland nach Deutschland weiterhin ein so stark wachsendes Geschäftspotenzial?

Däinghaus:

Nachdem wir jetzt über vier Jahre am Markt sind, hat sich DocMorris nicht nur etabliert, wir wachsen 2004 weit mehr als erwartet. Nachdem wir seit diesem Jahr endlich innerhalb eines gesetzlich abgesicherten Rahmens arbeiten können, besitzen wir jetzt die Grundlage, als Marktführer hier unsere Position zu festigen und auszubauen.

DAZ

Viele haben prophezeit, durch die neue Arzneimittelpreisverordnung würde Ihnen die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden. Das scheint sich wohl nicht bewahrheitet zu haben?

Däinghaus:

Nach wie vor begrüße ich diese Veränderung der Arzneimittelpreisverordnung, denn sie passt genau in unser Konzept. Jetzt ist uns ein sicherer Deckungsbeitrag bei jeder Bestellung garantiert.

DAZ

Heißt das etwa, das seit Januar 2004 eingeführte Kombimodell begünstigt Ihr Versandhandelskonzept und entzieht ihm nicht – wie von der ABDA geplant – die wirtschaftliche Grundlage?

Däinghaus:

Gegenfrage: Warum sollte es DocMorris anders ergehen als jeder deutschen Apotheke? Bis Januar 2004 mussten wir – genauso wie jede Apotheke – mit einer Mischkalkulation arbeiten. Der Versand von Interferonen und Sortis quersubventionierte die Abgabe von L-Thyroxin und Diclofenac. Jetzt leistet jede Bestellung einen Deckungsbeitrag. Wir sind jetzt sogar in der Lage, unseren Kunden einen Bonus rückzuvergüten, der in der Höhe der halben Zuzahlung liegt.

DAZ

... was nicht nur aus Sicht der ABDA-Juristen illegal ist.

Däinghaus:

Wir erstatten nicht die halbe Zuzahlung, sondern einen Bonus, der sich an dieser Größe orientiert. Dass dies legitim ist, hat sogar das bayerische Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen als Aufsichtsorgan der bayerischen Krankenkassen festgestellt.

Unser Bonussystem wurde von den Apothekerverbänden heftig attackiert, aber war nie Inhalt juristischer Auseinandersetzungen. Zuerst wurde in einem Editorial der DAZ behauptet, wir würden die Kassen betrügen. Als diese dann abgewunken haben, wurde lautstark hinterfragt, ob dies denn nicht eine Einladung an unsere Patienten zum Steuerbetrug wäre. Auch dies ist nicht der Fall, da wir stets den Bonus und die Zuzahlung gemeinsam auf die Rechnung drucken. Nur auf der Quittung für die Krankenkassen ist die Zuzahlung einzeln ausgestellt. Aber dieses Dokument ist ausdrücklich nur für die Einreichung bei der GKV bestimmt.

Dieses Thema war also wieder ein Sturm im Wasserglas, und hat uns gleich zweimal genutzt. Zum ersten Mal, als durch dieses Thema einmal mehr auf unsere Preisvorteile hingewiesen wurde, und zum zweiten Mal, als die Vorwürfe zurückgenommen werden mussten bzw. von berufener Seite widerlegt wurden. Genauso war es bei den vermeintlichen Themen Rosinenpickerei und Mehrwertsteuerbetrug auch. Beides gab es nie, hat aber eine schöne Aufmerksamkeit gebracht. Als Herr Raida, Präsident des BVDA, vor eineinhalb Jahren bei Stern TV live berichtete, dass er mich wegen Steuerbetruges strafrechtlich angezeigt hat, war die Empörung über dieses Goliath-Gehabe groß und die Bestellungen gingen um den Faktor 5 hoch. Die Staatsanwaltschaft Aachen hat inzwischen die Ermittlungen gegen mich eingestellt. Ich bin voll rehabilitiert, die Kunden von damals sind aber immer noch da. Danke, Herr Raida!

DAZ

Die Roherträge bei den meisten Apotheken in Deutschland sinken. Wie schafft es DocMorris, einen Bonus in Höhe der halben Zuzahlung an die Patienten rückvergüten zu können und trotzdem noch Gewinne zu erzielen?

Däinghaus:

Neben unseren überdurchschnittlich guten Einkaufskonditionen möchte ich hier einige Punkte nennen: Bei uns werden pro Kunde durchschnittlich 3,5 Packungen versendet, während in vielen deutschen Apotheken nicht einmal die Hälfte abgegeben werden. Das schafft einen hohen Deckungsbeitrag pro Kunde bzw. Bestellung. Zum anderen entspricht unser Warenlager mit 25 000 Artikeln nur dem Umsatz von ca. 8 Tagen, was in Deutschland so gut wie keine Apotheke erreicht bzw. erreichen kann. Eine hohe Liquidität durch niedrige Kapitalbindung im Warenlager ist uns somit gesichert. Zudem haben wir durch die stark automatisierten und standardisierten internen Prozesse sehr niedrige Prozesskosten.

DAZ

Trotzdem benötigen Sie nach eigenen Angaben weiterhin frisches Kapital von Investoren. Warum müssen Sie Ihren Erfolg denn mit diesen teilen, obwohl Ihr Unternehmen doch angeblich so erfolgreich ist ?

Däinghaus:

Hinsichtlich der Investoren möchte ich folgendes anmerken: Die bestehenden Investoren 3i und TechnoNord wollen ihre Investitionen der letzten vier Jahre realisieren und verkaufen einen Teil ihre Anteile. Ein weiterer Finanzinvestor steigt dafür ein. Das ist bei solchen Investitionsprojekten wie bei DocMorris ganz normal. Wir benötigen für die nächsten geplanten Schritte eigentlich keine weiteren Investoren. DocMorris kann aus dem "free cash flow" leben und nach Plan wachsen. Allerdings wollen wir auch die Gunst der Stunde nutzen, und unseren momentanen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz weiter ausbauen. Wäre es nicht falsch, aufgrund der jetzt erreichten Rentabilität die strategische Zukunftsplanung zu vergessen?

DAZ

Die deutsche Präsenz-Apotheke bietet eine geringere Defektquote und eine schnellere Belieferung mit dem besten Logistiksystem der Welt, dem deutschen Pharmagroßhandel ...

Däinghaus:

... und auch dem teuersten! Sicher, die Qualität und Schnelligkeit des pharmazeutischen Großhandels in Deutschland ist einmalig, doch ist dieser heute wirklich noch zeitgemäß? Welche Branche kann sich solch ein System heute noch leisten? Eine Apotheke, die diese Handelsspanne mit einem eigenen Großhandel überspringen kann, wird stets wirtschaftlicher arbeiten als ihre Konkurrenten und dabei ihren Kunden noch günstigere Preise anbieten können.

DAZ

Eine erhöhte Defektquote wäre ein Rückschritt. Immerhin geht es hier nicht um irgendwelche Konsumgüter, sondern um Arzneimittel, welche die Gesundheit der Bevölkerung sichern. Die Lieferfähigkeit der deutschen Apotheken ist beispielhaft und der Anteil der Logistikkosten beim Großhandel nicht überproportional. Welche Alternative schlagen Sie denn vor?

Däinghaus:

Die Apotheke vor Ort und einen pharmazeutischen Großhandel wird es immer geben, das ist sicher. Wie viele sich jeweils langfristig am Markt halten, bleibt abzuwarten. Die Niederlassungsfreiheit der Apotheken in Deutschland sollte aber nicht als Bestandsgarantie für alle und jeden missverstanden werden. Die Frage dürfte bald lauten, welche Größe wird in Zukunft für eine Apotheke notwendig sein, um sich am Markt behaupten zu können. Die Apotheke der Zukunft wird sich vom Großhandel emanzipieren müssen, um unabhängig und wirtschaftlich stark genug zu sein und nicht immer über Lieferantenkredite an der langen Leine geführt zu werden. Dazu braucht sie eine Mindestgröße, die bei den meisten Apotheken sicherlich bisher nicht gegeben ist. Sie muss in der Lage sein, ein großes Warenlager zu finanzieren und günstig einzukaufen. Ich bin überzeugt, dass hier noch viele Veränderungen anstehen. Spezialisierte und servicestarke Apotheken werden meiner Meinung nach immer eine Chance haben.

DAZ

Nach Ihren eigenen Angaben haben Sie pro Tag bis zu 5000 Bestellungen. Welche Gründe sind Ihrer Meinung nach Ausschlag gebend für die Entscheidung, nicht in der deutschen Präsenzapotheke einzukaufen und sich dort beraten zu lassen?

Däinghaus:

Zum einen die Diskretion, die nur von einer Versandapotheke geleistet werden kann. Viele Menschen sind froh, Hämorrhoidensalben, Antimykotika und Potenzmittel diskret zu erwerben. Zum anderen unser Preisvorteil. Außerdem ist unsere Beratung besser. Denn die Beratung fängt nicht dann an, wenn ein Apotheker über den Goldrand seiner Brille schaut und dem Patienten seine Krankheit an der Nasenspitze ansieht. Sondern Beratung umfasst nach unserer Meinung eine möglichst umfassende Betreuung des Patienten. Dazu gehört vor allem eine wirkungsvolle Überprüfung von Wechselwirkungen, Doppelmedikationen, etc. All dies kann eine Versandapotheke leisten. Dadurch, dass wir alle Bestellungen im Computer erfassen müssen, um sie verarbeiten zu können, fällt es uns leicht, diese Daten in allen Fällen einer Wechselwirkungsdatenbank zuzuführen. Durch gleichzeitige Betrachtung der Medikationshistorie können wir auch Fälle erkennen, in denen unerwünschte Wirkungen auftreten zwischen Medikamenten, deren Bestellung auch Wochen auseinander liegt. Das kann die Präsenzapotheke nur bedingt leisten.

DAZ

Die Möglichkeit der freien Preisgestaltung bei OTC-Präparaten wird von Ihnen genutzt. In Ihren Werbeflyern werben Sie mit bis zu 30% Preisnachlass. Steht DocMorris somit für Preisdumping im OTC-Bereich?

Däinghaus:

Wir nutzen die freie Preisgestaltung im OTC-Bereich konsequent. Seit Anfang des Jahres konnten wir so unsere Zusatzverkaufsquote von OTC-Präparaten von 5 auf 50% steigern. Dies bedeutet, dass mit jeder zweiten Bestellung nicht mehr ausschließlich ein Rezept beliefert wird. Allerdings werden Sie nach einer Internetrecherche feststellen, dass es für viele Artikel aus unserem aktuellen Katalog bei deutschen Versandapotheken noch günstigere Angebote gibt. Preisgünstig ja, aber Ziel von DocMorris ist es keinesfalls, der billigste Anbieter zu sein. Qualität steht bei uns im Vordergrund und die hat nun mal ihren Preis.

DAZ

Hat Ihrer Meinung nach jetzt auch die "Geiz-ist-geil-Mentalität" den Bereich der Gesundheit und somit auch die Apotheken erreicht?

Däinghaus:

Klar nutzen die Leute die Möglichkeit, gleiche Produkte zu günstigeren Preisen zu bekommen. Das war auch schon vor der "Geiz-ist-geil"-Werbekampagne von Saturn so. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass durch die gestiegenen Eigenbeteiligungen im Gesundheitswesen viele Patienten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gezwungen sind, jegliche Einsparmöglichkeit bei der Lebenshaltung zu nutzen, auch bei Arzneimitteln. Hartz IV könnte dies forcieren.

DAZ

Die deutsche Apothekerschaft hat mit dem Hausapothekenmodell eine neue Beratungsoffensive gestartet und so ein innovatives Kundenbindungskonzept geschaffen. Eine echte Konkurrenz für DocMorris?

Däinghaus:

Ich sehe das Hausapothekenmodell mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits wäre ohne DocMorris nie jemand auf die Idee gekommen, dem Kunden sprichwörtlich entgegenzukommen und Medikamente nach Hause zu bringen. Gut für den Markt, gut für die Kunden. Andererseits begrüße ich diese Initiative, weil wir dies als einen Wettbewerb zwischen Versand- und Präsenzapotheke verstehen. Für uns wird dies als eine Herausforderung angesehen, unsererseits neue Servicekonzepte zu entwickeln. Zwei Dinge möchte ich jedoch anmerken: Zum einen, Dokumentation des Arzneimittelmedikationsschemas und Interaktionscheck sind bei DocMorris seit Jahren eine Selbstverständlichkeit. Zum anderen ist das Hausapothekenmodell zu restriktiv. Ich befürchte, eine solche Idee könnte daran scheitern, dass es zu wenig eingeschriebene Patienten geben wird. Ich bin nicht sicher, ob sich die Patienten auf eine Einschränkung bei der Auswahl ihrer Apotheke vor Ort einlassen werden.

DAZ

Welchen Marktanteil streben Sie langfristig in Deutschland an?

Däinghaus:

Ich glaube, das Gesamtpotenzial des Versandhandels liegt zwischen 8 und 14%. Bei bestimmten Gruppen wie den z. B. multimorbiden Patienten oder Diabetikern werden erheblich höhere Anteile erreicht werden. Schon jetzt verkaufen wir 7% aller Propecia-Verschreibungen, 3,5% aller Diabetiker sind unsere Kunden. Ich gehe davon aus, dass wir unsere Marktführerschaft behaupten können und im Segment der Versandapotheken auch in Zukunft unangefochten an der Spitze stehen.

DAZ

Wenn dann z. B. 30% der Diabetiker bei einem oder wenigen Versandhändlern ihre Medikamente einmal beziehen würden, hätten diese gegenüber der pharmazeutischen Industrie eine wesentlich stärkere Position als die bisherigen Apothekenkooperationen. Ein bisher unbekanntes Szenario mit welchen Konsequenzen?

Däinghaus:

Die Apothekerschaft ist organisatorisch nicht auf einen wettbewerbsorientierten Markt vorbereitet, da es nie wirklich Wettbewerb gegeben hat. Die bestehenden Strukturen sind für den einzelnen Apotheker keine wirtschaftliche Stütze, sie sind sogar kontraproduktiv. Einige Verbünde (parmapharm, MVDA, etc.) haben sich gebildet. Aber nur ein Bruchteil der Apotheken ist organisiert. Ich halte es für legitim, sich hier eine Position zu erarbeiten. Als Vorsitzender einer AG bin ich verpflichtet, für mein Unternehmen erfolgreich zu sein.

DAZ

Im GMG sind die Apotheker jetzt auch zur Teilnahme an der integrierten Versorgung berechtigt. Gibt es bei DocMorris hier Pläne?

Däinghaus:

Ich glaube, dass wir hier bestens vorbereitet sind. Im Besonderen durch unsere hoch entwickelte EDV können wir hier sicherlich Einsparpotenziale erschließen. So könnten z. B. Mehrfachverordnungen jetzt schon erkannt werden. Auch Schnittstellen zu Ärztenetzen könnten wir in kurzer Zeit realisieren.

DAZ

Bei der integrierten Versorgung ist besonders die Akutversorgung wichtig. Müssten Sie dann nicht mit deutschen Präsenzapotheken kooperieren?

Däinghaus:

Konkret haben wir diesbezüglich keine Kooperation mit anderen Apotheken und wir planen zurzeit auch keine Zusammenarbeit. Prinzipiell ist die Zusammenarbeit mit anderen Apotheken möglich. Allerdings ist eine Abgrenzung der Geschäftsfelder schwierig. Hier müssten z. B. über die Trägerschaft vertragliche Regelungen getroffen werden, wer wofür zuständig ist. Auch bietet der Gesamtmarkt weitere Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Handelsstrukturen. Dies kann weit über die bisher bekannt gewordenen Kooperationsmöglichkeiten mit Drogerien hinausgehen. Überlegungen wie Rezeptsammelstellen haben wir schon lange hinter uns gelassen.

DAZ

Sind Sie auf das elektronische Rezept vorbereitet?

Däinghaus:

Mit dem elektronischen Rezept kann im Gesundheitssystem sehr viel Geld eingespart werden. Auch die Sicherheit wird erhöht, weil Übertragungsfehler ausgeschlossen werden. Dies ist zu begrüßen. Auch für uns wird die Arbeit leichter. Der Kunde muss nicht mehr so lange auf seine Medikamente warten, weil die Rezeptlaufzeit wegfällt. Mit Einführung des elektronischen Rezeptes werden wir die meisten Kunden von heute auf morgen beliefern können.

DAZ

Wo sehen Sie die Chancen für die deutsche Präsenzapotheke?

Däinghaus:

Jeder Kunde von DocMorris kauft auch in deutschen Apotheken ein. Die deutschen Präsenzapotheken waren immer, sind immer, werden immer sein. Mit DocMorris kommt jetzt Wettbewerb auf. Sehen Sie doch dies – genauso wie ich – als eine Herausforderung!

DAZ

Herr Däinghaus, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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