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Arzneimittel und Therapie
Osteoporosetherapie: Parathormonfragment reduziert Frakturrisiko
Das Parathormon und der Knochenstoffwechsel
Das Parathormon ist ein aus 84 Aminosäuren bestehendes Peptidhormon. Die biologische Wirkung wird durch spezifische Rezeptoren vermittelt, wobei für die Rezeptor-Bindung das N-terminale Ende des Moleküls verantwortlich ist. Der Rezeptor stimuliert nach der Hormonbindung mehrere unterschiedliche second messenger Systeme.
Die klassische Wirkung des Parathormons besteht in der kurzfristigen Regulation des Serumcalciumspiegels. Ein niedriges Serumcalcium bewirkt einen exponentiellen Anstieg der Serumkonzentration von Parathormon, wodurch die Knochenresorption und damit die Calciumfreisetzung gesteigert wird.
In der Niere wird die Bildung von Calcitriol und die Calciumrückresorption aus dem Primärurin gesteigert. Alle diese Mechanismen sorgen dafür, dass selbst bei calciumarmer Ernährung oder bei Vitamin D-Mangel der Serumcalciumspiegel lange Zeit noch im Normbereich gehalten werden kann. Die knochenabbauende Wirkung von Parathormon manifestiert sich exemplarisch im Krankheitsbild des primären Hyperparathyreoidismus, wo das dauerhaft erhöhte Parathormon über die Stimulation des Knochenabbaus zur sekundären Osteoporose führt.
Osteokatabol und -anabol je nach Applikation
Es erscheint paradox, ausgerechnet Parathormon zur Osteoporosetherapie einzusetzen. Parathormon jedoch hat auf den Knochen sowohl katabole als auch anabole Wirkung. Wenn Parathormon in Form von einer einmal täglichen subkutanen Injektion verabreicht wird, kommt überwiegend seine osteoanabole Wirkung zum Tragen. Hierbei spielt die zeitliche Dimension der Exposition eine wichtige Rolle.
Nach einer subkutanen Parathormoninjektion kommt es nur zu einem kurzfristigen Anstieg der Parathormonkonzentration in der Zirkulation. Die Proliferation und Differenzierung von osteoblastären Zellen wird stimuliert und die Apoptose von Osteoblasten wird verhindert. Durch diese Effekte wird der Knochenstoffwechsel in Richtung Knochenaufbau gelenkt. Dies wird durch die Stimulation der Kollagenbildung durch Parathormon unterstützt.
Im Tierexperiment konnte der osteoanabole Effekt einer pulsatilen Parathormonbehandlung eindeutig nachgewiesen werden. Ratten, die mit 1-38-Parathormonfragment behandelt wurden, zeigten eine Zunahme des trabekulären Knochenvolumens und eine Erhöhung des Mineralgehaltes. Bei Affen konnte ebenfalls eine Erhöhung des trabekulären Knochenvolumens und der Knochenmasse beobachtet werden. Ferner nahm der Vernetzungsgrad der Trabekel zu und eine höhere Knochenfestigkeit und Stabilität des Knochens wurde erreicht.
Gentechnisches Derivat als Zukunftsoption
Untersuchungen am Menschen bestätigten anhand histomorphometrischer Untersuchungen an Beckenkammbiopsien, dass die pulsatile Parathormontherapie (Injektion 1 x täglich) zu einer Zunahme der Knochenmasse und auch der trabekulären Vernetzung führt. Die kortikale Dicke nimmt ebenfalls zu.
Eine große, plazebokontrollierte Studie zur Therapie der Osteoporose mit Teriparatid wurde 2001 veröffentlicht. Insgesamt wurden 1637 postmenopausale Frauen über 21 Monate mit zwei Dosierungen des Parathormon-Fragments rhPTH 1-34 (20 bzw. 40 µg rhPTH (1-34) 1 x täglich subkutan) oder Plazebo behandelt. Wirbelkörperfrakturen wurden mittels konventioneller Röntgenuntersuchung evaluiert, und die Knochendichte wurde mittels 2-Energie-Röntgenschwächung (DXA) gemessen.
Es kam zu einer deutlichen Zunahme der Knochendichte insbesondere im Bereich des trabekulären Knochens an der Wirbelsäule (9 bzw. 13% an der Lendenwirbelsäule), weniger ausgeprägt im Bereich des proximalen Femurs (3 bzw. 6% am Schenkelhals). Am Radiusschaft hingegen kam es unter der Dosierung mit 20 µg Parathormon täglich zu keiner signifikanten Änderung, unter der Dosierung von 40 µg täglich sogar zu einer leichten Abnahme der Knochendichte.
In Tierexperimenten an Cynomolgus-Affen konnte jedoch gezeigt werden, dass die unter Parathormon vor allem im endokortikalen Bereich des kortikalen Röhrenknochens beobachtete Zunahme der Porosität nicht zu einer verminderten mechanischen Belastbarkeit führt, da eine Kompensation über die Vergrößerung der kortikalen Fläche stattfindet. Die durch Parathormon induzierte endostale und periostale Apposition von neuer Knochensubstanz erhöht daher vielmehr die Knochenfestigkeit.
Signifikante Reduzierung des Frakturrisikos
In der Human-Studie kam es unter 20 µg Teriparatid täglich zu einer signifikanten Reduktion der Frakturinzidenz an der Wirbelsäule um 65%. Das relative Risiko für mittelschwere und schwere Frakturen sank im Beobachtungszeitraum sogar um 90%. Die Frakturinzidenz der ebenfalls getestete höhere Dosierung von 40 µg Teriparatid lag in der gleichen Größenordnung. Ebenso wurde eine signifikante Senkung des relativen Risikos für extravertebralen Frakturen um 53% nachgewiesen. Auch für die Behandlung von Männern mit idiopathischer Osteoporose erwies sich Parathormon geeignet.
Mit dem Parathormon-Fragment (rhPTH 1-34/Teriparatid) steht ein neues, den Kriterien der evidence based medicine standhaltendes therapeutisches Prinzip zur Verfügung, das zu einem Zuwachs an Knochenmasse, einer Zunahme der trabekulären Vernetzung und zu einer Reduzierung sowohl vertebraler als auch extravertebraler Frakturen führt.
Die Parathormon-Therapie beruht auf einem physiologischen Prinzip und ist aufgrund ihrer osteoanabolen Wirkung eine wertvolle Ergänzung zu den bisher verfügbaren überwiegend antiresorptiv wirksamen Therapeutika insbesondere für schwere Osteoporosefälle.
Teriparatid ist bisher nur in den USA zugelassen (Forteo®), für die EU wird die Zulassung in diesem Jahr erwartet.
Quelle
Prof. Dr. Johann Diederich Ringe, Leverkusen; Prof. Dr. med. Helmut W. Minne, Bad Pyrmont; Priv.-Doz. Dr. Stephan H. Scharla, Bad Reichenhall: Symposium "Osteoporosetherapie auf die es ankommt", Göttingen, 28. März 2003, veranstaltet von der Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg.
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