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- DAZ 18/2003
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Arzneimittel und Therapie
Interview: Wie wirkt Paracetamol?
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Der Wirkmechanismus von Paracetamol gilt seit langem als umstritten. Wie unterscheidet sich diese Substanz von den anderen antipyretischen Analgetika?
Hinz:
Nichtsaure antipyretische Analgetika wie Paracetamol und die Phenazon-Derivate besitzen eine vergleichsweise geringe Hemmwirkung auf die peripheren Cyclooxygenase(COX)-Isoenzyme und weisen dementsprechend im Gegensatz zu den sauren antipyretischen Analgetika (nichtsteroidale Antiphlogistika, z. B. Acetylsalicylsäure, Indometacin) keine klinisch relevante antiinflammatorische Wirkung auf.
Darüber hinaus werden auch pharmakokinetische Faktoren als Ursache der fehlenden antiphlogistischen Wirkung sowie der im Vergleich zu den sauren Analgetika nicht auftretenden Gastrotoxizität diskutiert: Das neutrale Paracetamol erreicht zwar hohe Konzentrationen im zentralen Nervensystem, akkumuliert im Gegensatz zu den sauren Analgetika aber nicht in Kompartimenten mit saurem extrazellulärem pH-Wert (z. B. entzündetes Gewebe, Wand des oberen Gastrointestinaltrakts).
Schon Anfang der 70er-Jahre konnte gezeigt werden, dass Paracetamol die Prostaglandinsynthese in Hirnhomogenaten stärker als in peripheren Geweben hemmt. In späteren Untersuchungen gelang der Nachweis, dass Paracetamol mit der für die Schmerzweiterleitung wichtigen Prostaglandin-Synthese im Rückenmark interferiert.
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Jetzt wurde von einer neuen Isoform der Cyclooxygenase (COX-3) berichtet. Ist eine Hemmung dieses Enzyms ein denkbarer Wirkmechanismus von Paracetamol?
Hinz:
Bei dem durch die Gruppe um Dan Simmons vor kurzem identifizierten Enzym handelt es sich um eine Splicing-Variante des COX-1-Enzyms, die vor allem in der Hirnrinde, aber auch im Herz und in der Aorta exprimiert wird.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die von den Entdeckern gewählte mutige Bezeichnung "COX-3" nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass diese Isoform keinen neuen genetischen Hintergrund besitzt, sondern sich vom gleichen Gen wie das COX-1-Enzym ableitet sowie ein der COX-1 identisches katalytisches Zentrum besitzt.
In vergleichenden Inhibitorexperimenten konnten die Autoren zeigen, dass Paracetamol nur die COX-3-Isoform hemmt, während verschiedene nichtsteroidale Antiphlogistika die Bildung von Prostaglandinen aller drei COX-Isoenzyme unterdrücken. Diese Inhibitorexperimente sind allerdings sehr heterogen mit Isoenzymen unterschiedlicher Basalaktivität und verschiedener Spezies (COX-3: Hund, COX-1 und COX-2: Ratte) durchgeführt worden.
Entsprechende Versuche an den humanen Isoformen stehen noch aus. Bemerkenswert ist weiterhin, dass Paracetamol die COX-3-Isoform noch immer etwas schwächer hemmt als das COX-2-Enzym von Monozyten im humanen Vollblutassay, d. h. die zu einer Hemmung der COX-3 notwendigen Konzentrationen sind nach wie vor relativ hoch.
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Welche weiteren Ergebnisse sprechen gegen COX-3 als Wirkort von Paracetamol?
Hinz:
Eine Involvierung des COX-3-Enzyms in die pharmakologische Wirkung von Paracetamol scheint auch unwahrscheinlich auf der Basis von Untersuchungen, die gezeigt haben, dass bei der zentralen Schmerzweiterleitung und -wahrnehmung sowie bei der Fieberentstehung COX-2- und nicht COX-1-abhängig gebildete Prostaglandine involviert sind.
So lassen sich beispielsweise bei COX-1-knock-out-Mäusen, denen der Theorie nach auch das COX-3-Enzym fehlen müsste, Fieberreaktionen hervorrufen. Zum anderen konnte eine Expression der COX-3 in der Gegend des Fieberzentrums, dem Hypothalamus, bisher nicht nachgewiesen werden.
Nicht zuletzt reduzieren selektive COX-2-Hemmer, die nur schwach mit dem (der COX-1 identischen) aktiven Zentrum der COX-3 interagieren dürften, Fieber genauso gut wie traditionelle nichtsteroidale Antiphlogistika. Diese Bedenken sollen keinesfalls die Existenz eines die pharmakologische Wirkung von Paracetamol vermittelnden COX-Isoenzyms infrage stellen, eine signifikante Bedeutung der identifizierten COX-3 scheint jedoch sehr fragwürdig.
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Gibt es alternative Wirkmechanismen, die dann für Paracetamol diskutiert werden könnten?
Hinz:
Für wahrscheinlicher halte ich eine kürzlich publizierte Arbeit, in der gezeigt werden konnte, dass Paracetamol beide COX-Enzyme indirekt hemmt. Das COX-Enzym vermittelt zwei biochemische Schritte, die eigentliche COX-Reaktion, durch die molekularer Sauerstoff in die Arachidonsäure eingefügt wird, und eine Peroxidase-Reaktion, durch die das entstandene Prostaglandin G2 zu Prostaglandin H2 reduziert wird.
Die Peroxidase ist weiterhin für die Aktivierung der COX-Reaktion notwendig. In diesen Aktivierungsvorgang scheint Paracetamol durch Reduktion des oxidativen Status der Peroxidase inhibitorisch einzugreifen. Diese Hemmwirkung kann in Gegenwart hoher Peroxid-Konzentrationen, wie sie im entzündeten Gewebe zu finden sind, aufgehoben werden.
Gleiches gilt für Thrombozyten. Hier scheint insbesondere 12-Hydroperoxyeicosatetraensäure [12-HPETE], die durch die 12-Lipoxygenase aktivierter Plättchen gebildet wird, die Wirkung von Paracetamol an der COX-1 zu begrenzen. Von daher ist die Wirkung von Paracetamol auf Zellen und Gewebe mit niedriger Peroxid-Konzentration begrenzt.
Im Einklang mit dieser Theorie hemmt Paracetamol beispielsweise die COX-2-Aktivität in Endothelzellen, durch die auch die Bildung von Prostaglandinen im hypothalamischen Fieberzentrum gewährleistet wird.
Insgesamt bleibt mit Spannung abzuwarten, mit welchen bisher nicht identifizierten Wirkmechanismen und Effekten uns die inzwischen ein Jahrhundert alten antipyretischen Analgetika Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder Phenazon in naher Zukunft noch konfrontieren werden.
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Herr Dr. Hinz, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Paracetamol wird seit langem als zuverlässiges antipyretisches Analgetikum eingesetzt, der genaue Wirkmechanismus gilt allerdings noch immer als nicht eindeutig geklärt. Wir sprachen mit Priv.-Doz. Dr. Burkhard Hinz von der Universität Erlangen-Nürnberg über die Versuche, mit einer neuen Isoform der Cyclooxygenase, der COX-3, die pharmakologische Wirkung des Analgetikums zu erklären.
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