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- DAZ 14/2003
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Die Seite 3
Quasi aus erster Hand – von der "Arbeitsebene" des Ministeriums, also von dort, wo die Gesetze formuliert werden – erfuhren die Teilnehmer des Versandhandelsseminars auf der Interpharm, warum und wie sie der Versandhandel erwartet. Dr. Gert Schorn vom Referat für Apothekenwesen, u. a. zuständig dafür, wie der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland konkret aussehen könnte, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Versandhandel kommt. Über das "Ob" könne man mit ihm nicht mehr diskutieren. Basta. Die Apotheker sollten erkennen, dass eine Verweigerungshaltung in dieser Sache nicht mehr hilft.
Fast flehentlich forderte er, der selbst aus einer Apothekerfamilie "mit kleiner Landapotheke" stammt, dazu auf, den Versandhandel aktiv anzugehen, den "Sprung zu machen" und auch auf diesem Weg die Zukunft der persönlich geführten Einzelapotheke zu sichern. Stünde er heute in der Apothekenpraxis, würde er schon jetzt die legalen Möglichkeiten ausschöpfen und Arzneiversand anbieten, beispielsweise auf dem Markt der freiverkäuflichen Arzneimittel, der Heil- und Hilfsmittel und dem gesamten Randsortiment. Schorn nannte es "Anfüttern der Kunden". Es wird nämlich immer mehr Kunden geben, so seine Meinung, die auch die Einkaufsoption übers Internet wahrnehmen wollen – die Apotheken wären dumm, wenn sie sich diese Chancen von (Online-) Drogeriemärkten wegnehmen ließen. Er versuchte, auch die Angst zu nehmen, dass ausländische Apotheken den Markt abschöpfen. Nach seiner Auffassung ist der "Patient ein Mensch der besonderen Art", der eine besondere Zuwendung und Betreuung braucht. Wenn er diese in seiner Apotheke vor Ort findet, dann wird er nicht zu DocMorris abwandern.
Beschwichtigen wollte Schorn auch im Hinblick auf die Ausgestaltung des Versandhandels. Zum einen würden harte Anforderungen an eine Versandapotheke gestellt, die im übrigen jede Apotheke sein kann bzw. eine "Präsenzapotheke" mit allem drum und dran sein muss, zum andern zitierte er seine Dienstherrin Ulla Schmidt, die bekanntlich auf dem außerordentlichen Apothekertag in Berlin sagte: "Niemand darf zum Bezug von Arzneimitteln übers Internet (Versandhandel) gezwungen werden. Es bleibt bei der freiwilligen Entscheidung der Patientinnen und Patienten. Auch in Zukunft wird die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten ihre Arzneimittel in der nahegelegenen Apotheke kaufen."
Natürlich ist es legitim, wie Schorn einräumte, dass die Gegner des Versandhandels ihre Stimme erheben und dagegen angehen – sie sollten dann aber wirklich handfeste, nachvollziehbare Argumente dafür liefern, warum ein Arzneiversand schädlich ist. Pauschale Formulierungen wie Hinweise darauf, dass dann die Arzneimittelsicherheit leide, Arzneimittelrisiken gefördert würden oder ein ungleicher Wettbewerb mit anderen Staaten stattfände, zögen nicht. Das sei zu wenig konkret, gab Schorn zu verstehen. Im übrigen könnte man viele dieser Einwände durch eine entsprechende Ausgestaltung der Versandhandelsvorschriften beseitigen. Die Apotheker sollten endlich konstruktiv mitarbeiten.
Was Bedenken-Tragen und pure Antihaltung auslösen, zeigt die Absicht des Ministeriums, den Mehrbesitz zu zulassen. Diese Vorschläge habe er auf Anweisung von oben ausarbeiten müssen. Denn das Ministerium hatte von den Berufspolitikern der Apotheker immer wieder vernommen, dass bei einem Versandhandel automatisch über kurz oder lang der Fremd- und Mehrbesitz droht. Die Folge war: das Ministerium nahm diese Sorgen ernst und fasste dies als Auftrag auf, den Mehrbesitz auf rechtlich geordnete Füße zu stellen. Die Tatsache, dass der Mehrbesitz Eingang in die Entwürfe zur großen Gesundheitsreform gefunden hat, ist nach Schorn wie ein Eigentor der ABDA – das haben wir uns also selbst eingebrockt. Wir könnten froh darüber sein, dass der Fremdbesitz nicht aufgenommen wurde.
Ungeschickt war auch, so ließ Schorn durchblicken, dass der Deutsche Apothekerverband gegen DocMorris Klage einreichte. Es wäre besser gewesen, mit der Politik über eine apothekenfreundliche Ausgestaltung des Versandhandels zu reden – auf dieser Schiene wäre man schneller und besser zu verträglichen Lösungen gekommen. Was passiert, wenn der Europäische Gerichtshof nun den Versandhandel in Europa zulässt, ist ungewiss. Das Impfstoffurteil zeigt bereits, in welche Richtung Gerichte entscheiden – auch dieses Urteil ist wohl wieder ein Eigentor der Apotheker.
Nach diesen Aussagen dürfte jedem klar geworden sein, dass wir kaum noch eine Chance gegen den Versandhandel haben. Hätten wir Schlimmes verhüten können, wenn wir aktiver auf die Politik zugegangen wären? Bleibt uns also nur noch, sich fügen und das Beste draus machen? Sollten wir uns jetzt öffnen und mitgestalten, damit wenigstens Gesetzesvorschläge wie kein Zwang bei einer Versandapotheke zu bestellen, Gleichberechtigung von Präsenz- und Versandapotheke etc. realisiert werden? Oder kann ein Bundesrat mit Hilfe von CDU/CSU und FDP Versandapotheken doch noch verhindern? In einer Diskussionsrunde auf der Interpharm bekannten sich Oppositionspolitiker eindeutig gegen den Versand... Ob sie es durchhalten?
Peter Ditzel
Selbst schuld?
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