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Gesundheitsreform: Regierung, Opposition und Kommissionen feilen an ihren Konzep
Schon gleich nach dem Besuch beim Außerordentlichen Apothekertag am Morgen des 19. März ging es für Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt im Bundestag weiter. Die Haushaltsdebatte stand auf der Tagesordnung – auch für das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung.
Noch unter dem Eindruck des Vormittags stehend, betonte Schmidt im Bundestag, man werde sich im Zuge der Strukturreform im Gesundheitswesen mit "vielen Lobbygruppen" anlegen müssen. Schmidt: "Es wird schwierig, einen Beitragssatz von unter 13 Prozent zu fordern und gleichzeitig die Apothekerschaft und die Ärzte außen vor zu lassen und bei den Krankenhäusern alles zurückzunehmen nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass." Vielmehr müsse jeder im System verpflichtet werden, sich zu fragen, was er dazu beitragen könne, dass mit den Geldern der Versicherten sparsam umgegangen werde.
Konkretisierungen zum Krankengeld ...
Zudem konkretisierte Schmidt ihre Vorstellungen, von der Reform des Krankengeldes: Wenn sich die private Versicherungswirtschaft schon über ein neues Geschäft gefreut haben sollte, so war dies verfrüht. Die Ministerin will das Krankengeld in der GKV belassen – lediglich die Parität soll aufgehoben werden, d. h. allein der Arbeitnehmer solle für die Absicherung aufkommen. Dies sei gerechtfertigt, da der Arbeitgeber bereits allein für die sechswöchige Lohnfortzahlung aufkomme, erläuterte Schmidt.
Einige Besonderheiten müssten allerdings Berücksichtigung finden, etwa dass die Krankengeldansprüche einer Verkäuferin deutlich geringer seien als die eines langjährig im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Dass auch die Rentner gesondert betrachtet werden müssen, ist Schmidt ebenfalls klar. Während sie zur Zeit mit ihren Beiträgen auch für das Krankengeld aufkommen, würden diese Zahlungen nach der neuen Regelung künftig ausfallen. So überlegt man nunmehr im Ministerium, wie diese Ungerechtigkeit kompensiert werden könnte.
... und Praxisgebühren
Auch der Vorschlag des Kanzlers, Arztbesuche künftig mit einem Eintrittsgeld zu belegen, wurde am Wochenende aufgegriffen, ohne dass bislang eine endgültige Regelung gefunden ist. Während Gerhard Schröder davon sprach, bestimmte Personengruppen von der Regelung auszunehmen, erklärte Schmidt nun, dass die Patientenzuzahlung nur beim Facharzt geplant sei – und das auch nur dann, wenn nicht zuvor der Hausarzt konsultiert worden sei. Grundsätzlich ausgenommen von dem Eintrittsgeld sollen Frauen-, Augen- und Kinderärzte bleiben. Die Höhe der Zuzahlung steht noch nicht fest. Im Gespräch sind zehn bis 15 Euro.
Stoiber stellt Sanierungsplan der CSU vor
Am 24. März stellte der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber in Berlin den Sanierungsplan der CSU für Deutschland vor. Nach vorangegangenen Unstimmigkeiten mit seinem Parteikollegen und dem Fraktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Horst Seehofer hatte man sich am Wochenende auf eine gemeinsame Linie in der Sozialpolitik geeinigt. 40 Punkte umfasst der Sanierungsplan, der Deutschland wieder nach vorne bringen soll.
Ein wesentliches Thema ist die Senkung der Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent. Dazu soll zum einen das Arbeitslosengeld begrenzt und gesenkt werden und weniger in Weiterbildungen investiert werden. Zudem sollen die Beiträge zur GKV in einem ersten Schritt auf 14 Prozent gesenkt, danach soll ein Beitragssatz von 13 Prozent angestrebt werden. Schlüssel zur Absenkung seien mehr Eigenverantwortung, etwa durch eine private Absicherung von Zahnersatz, sowie eine Neuordnung der Zuzahlungsregelungen und die Einführung von Bonussystemen, erklärte Stoiber. Das Krankengeld will die CSU hingegen nicht aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen streichen.
Lauterbach will in der GKV 36 Mrd. Euro einsparen
Für einigen Aufruhr sorgten auch die Vorschläge Karl Lauterbachs, Mitglied der Rürup-Kommission und des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 24. März von einen Konzeptpapier, das der Gesundheitsökonom der Rürup-Kommission zur Diskussion vorgelegt hat.
Ganz neu sind die Ideen nicht – ehrgeizig ist allerdings das Ziel: bis zu 36 Mrd. Euro sollen in der GKV gespart werden. Der durchschnittliche Satz der Kassen könnte somit von 14,3 Prozent so auf bis zu 10,7 Prozent gesenkt werden. So plädiert Lauterbach etwa für die Einführung einer "Bürgerversicherung". Damit einhergehend soll die Versicherungspflichtgrenze abgeschafft werden, was der Abschaffung der privaten Krankenversicherung gleich kommt. Auf diese Weise sollen auch Beamte und Selbstständige in die GKV einbezogen werden. Die Beitragsbemessungsgrenze soll nach Auffassung des Beraters der Bundesgesundheitsministerin von 3450 Euro auf 5100 Euro steigen.
Zudem spricht sich Lauterbach für eine Erhöhung der Tabaksteuer um einen Euro pro Schachtel aus – die zusätzlichen Einnahmen sollen für Zuschüsse für versicherungsfremde Leistungen wie Leistungen rund um die Schwangerschaft oder Sterbegeld verwendet werden. Ebenfalls nicht neu ist der Vorschlag, Arzneien aus der Erstattungspflicht der GKV herauszunehmen, wenn deren Nutzen wissenschaftlich fragwürdig ist. Auch freiverkäufliche Arzneimittel will Lauterbach künftig die Patienten selbst zahlen lassen.
Schaich-Walch hat Zweifel
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gudrun Schaich-Walch ist von den Plänen des Schmidt-Beraters nicht überzeugt. Der Financial Times Deutschland (Ausgabe vom 25. März) sagte sie: "Ich sehe den Vorschlag nicht als etwas, das Chancen auf eine politische Umsetzung hat, jedenfalls nicht auf die Schnelle". Nicht durchzusetzen sei auch der Vorschlag Lauterbachs, Beamte in die GKV mit einzubeziehen, sagte Schaich-Walch. "Darüber wird mit den Ländern nicht zu reden sein." Denn in diesem Fall müssten die Länder für ihre Beamten den Arbeitgeberanteil am Kassenbeitrag zahlen.
Trotzdem werde die SPD-Fraktion das Konzept diskutieren, sollte die Rürup-Kommission es vorlegen. Auch den ehrgeizigen Plänen aus allen Lagern, die Beitragssätze der Kassen drücken zu wollen, sieht die Fraktions-Vize kritisch. Zunächst müsse man damit rechnen, "dass Ende des Jahres die Beiträge nicht mehr dort liegen werden, wo sie jetzt sind", sagte Schaich-Walch der Financial Times Deutschland. Zu erwarten sei bis Ende 2003 eine Erhöhung des durchschnittlichen Beitragssatzes aller Kassen auf 14,7 oder 14,8 Prozent, so die SPD-Politikerin.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dieter Thomae hält den Vorschlag Lauterbachs, alle Bürger in die GKV zu "zwingen", für "ordnungspolitisch völlig verfehlt". Die GKV sei als "Versicherung für die Schutzbedürftigen gerechtfertigt", nicht aber als "Zwangsveranstaltung für 100 Prozent der Bevölkerung".
Auch in den vergangenen Tagen wurden wieder allerlei Vorschläge zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterbreitet. Das Thema Arzneimittelversandhandel und Mehrbesitz griff die Ministerin nach dem Apothekertag allerdings nicht erneut auf. Statt dessen wurden Vorschläge des Kanzlers konkretisiert. Zudem meldete sich die CSU wieder einstimmig zur Sozialpolitik zu Wort. Für einigen Wind sorgte ein Reformkonzept des Rürup-Kommissions-Mitglieds Karl Lauterbach.
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