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- DAZ 49/2002
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Ökologie
Ökologie: Ist "Ölpest" unheilbar?
Das Öl des gesunkenen Tankers "Prestige" verursacht eine ökologische Katastrophe. Misst man den Vorgang lediglich an der Menge des ausgelaufenen Öls, dann gibt es in der Geschichte der Tankerfahrten größere Unfälle (Tab. 1). Dennoch ist die gesamte Küste sehr stark belastet. Und das wird erst einmal so bleiben. Ein Teil des Öls ist mit dem Wrack in die Tiefe gesunken. Die leckenden Tanks drohen die Küste für viele Jahre zu verölen.
Eine Felsenküste mit starker Brandung wird nach einer akuten Ölpest binnen zwei bis drei Jahren blank gewaschen. Kies- und Sandstrände dagegen bleiben mehrere Jahre verölt, da die Kohlenwasserstoffe etwa 30 cm tief ins Sediment sickern. Für geschützte Buchten und flache Ästuare (Mündungstrichter) mit Muschelbänken hat eine starke Verölung verheerende Folgen, die der Mensch im Grunde nicht beheben kann. Es bleibt in der Regel nur das Warten auf die Selbstreinigungskraft der Natur.
Öl ist zäh und giftig
Das Öl der "Prestige" ist hoch viskos. Die bei kühlen Temperaturen puddingartige Masse treibt auf dem Wasser und verschmiert die Gefieder der Seevögel. Sie können nicht mehr fliegen und unterkühlen sich auf dem Wasser. Wenn sie sich mit den Schnäbeln zu reinigen versuchen, gelangt das Öl in den Magen-Darm-Trakt und vergiftet die Tiere.
Das Vogelsterben ist der für den fernen Beobachter deutlichste Teil der Ölverschmutzung. Doch das Benthal und die Küste mit der gesamten Flora und Fauna sind nachhaltig gestört. Dagegen vorzugehen, ist sehr schwierig.
Was ist Erdöl?
Rohöl und davon abgeleitete Produkte wie Heizöl oder Kerosin bestehen aus Aromaten, Alkanen, Alkenen, Cycloalkanen (Naphthenen) wie Cyclopentan und -hexan und einigem anderen, je nach Entstehungsort und Verarbeitung. Die physikalischen Eigenschaften hängen von zahlreichen äußeren Faktoren ab wie Temperatur, Lichtintensität, Windstärke, Dampfdruck, Dichte und Alter des Öls. Die Verdunstung der volatilen Anteile ist unabhängig von der Löslichkeit.
Die Dispersion des Öls ist ohne Seegang mit etwa 1,5 mg/l sehr gering. Bei maximaler Durchmischung kann sie auf 100 mg/l ansteigen. Selbst bei hohem Seegang geht weniger als 1% in Lösung. Die Tröpfchengröße liegt dann zwischen 1 µm und 1 mm.
Vom Ölteppich zum Teerklumpen
Ausgelaufenes Öl breitet sich zunächst auf der Meeresoberfläche aus und bildet dort einen Ölteppich. Je dicker und viskoser, um so stabiler ist er. Die chemische Zusammensetzung ändert sich mit der Zeit: Niedermolekulare Kohlenwasserstoffe verdunsten in wenigen Wochen, andere Bestandteile lösen sich im Wasser, unlösliche Komponenten verteilen sich und bilden eine zähe Öl-Wasser-Emulsion, Mousse genannt, die sich nach einiger Zeit zu großen, klebrigen Fladen formt, aus denen nach mehreren Wochen bis Monaten Teerklumpen werden, die auf dem Wasser treiben, irgendwann sedimentieren und die Küste durch sukzessives Anlanden jahrelang belasten.
Mechanische und chemische Notlösungen
Die Versuche, ausgelaufenes Öl mit schwimmenden Barrieren und Schiffsauslegern einzugrenzen und abzusaugen, sind nur bei ruhiger See erfolgreich. Sie müssten im Idealfall sofort gestartet werden. Doch selten sind die Spezialschiffe rechtzeitig zur Stelle. Und schon sechzig Zentimeter hohe Wellen stoppen jede Mühe. Am Berliner Institut für Land- und Seeverkehr wird deshalb ein Katamaran entwickelt, der auch bei hohem Seegang das Öl mit einer Art Hobel von der Wasseroberfläche saugen kann. Doch soweit ist es noch nicht.
Je nach Viskosität und Alter des Öls werden amphiphatische Dispersionsmittel eingesetzt, um die Ölteppiche aufzulösen. Doch deren Wirksamkeit ist nicht nachhaltig. Zudem sind solche Mittel selbst toxisch. Versuche mit Adsorptionsmitteln, die Öl binden und anschließend von Schiffen aufgenommen werden, scheinen bisher ebenfalls nicht überzeugend zu sein.
Die Neuentwicklung "CytoSol", eine Methylestermischung aus Soja und anderen Pflanzen, könnte hier vielleicht Abhilfe schaffen. Die Substanz koaguliert das Rohöl im Wasser und lässt sich anschließend einfach mit geeigneten Schiffen einsammeln.
Biologische Reinigung mit Bakterien
Seit der Havarie der Exxon Valdez 1989 vor Alaska (Tab. 1) wird die biologische Reinigung von Meerwasser und Küstensaum intensiv diskutiert. Denn die Auswirkung des Öls, vor allem seiner schweren Anteile, auf marine Systeme ist bis heute nicht verstanden. Klar ist, dass der Ölschlamm des Meeres und der Küsten sowohl photochemisch als auch mikrobiell abgebaut wird. Mindestens 100 Bakterienarten können die Kohlenwasserstoffe des Öls abbauen und zu Kohlendioxid umwandeln (Biodegradation). Zu den wichtigsten aeroben Bakterien zählen Nocardia, Corynebacterium, Acinetobacter und vor allem Pseudomonas.
Gelangt Öl ins Wasser oder Sediment, durchlaufen die Mikroorganismen zunächst eine lag-Phase, bis die flüchtigen toxischen Substanzen des Öls verdunstet sind. Erst danach können sie aktiv werden. Dies ist der Ansatzpunkt für die biologische Reinigung. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
- Man kann die Küstenlinie mit besonders geeigneten Mikroorganismen impfen (Bioaugmentation). In diesem Zusammenhang sind im Labor auch schon gentechnisch optimierte Stämme getestet worden.
- Man kann die Lebensbedingungen der natürlichen Populationen durch spezielle Dünger oder durch Optimierung des Habitats verbessern. Die Sedimente der Strände können z. B. mit Sauerstoff angereichert werden.
Seit der Havarie der Exxon Valdez weiß man, dass vor allem Stickstoff- und Phosphatgaben die mikrobielle Abbauleistung signifikant steigern können; dies, obwohl der Energiegewinn aus der Oxidation der langen Kohlenwasserstoffketten gering ist.
Der Flüssigdünger Inipol EAP22, ein Gemisch aus Oleinsäure, Wasser, Phosphorsäure, Dodecylester, Harnstoff und 2-Butoxyethanol, erscheint geeignet, die Abbauleistung zu erhöhen. Die Population der Mikroorganismen stieg nach Inipol-Gaben dauerhaft von 1000 auf 1 Million je Milliliter an. Allerdings ist 2-Butoxyethanol recht toxisch und möglicherweise kanzerogen. Die Verbindung wirkt auf die Schleimhäute und das zentrale Nervensystem. Sie soll auch hämolytisch wirken.
Inipol EAP22 wurde nach der Havarie der Exxon Valdez vor der Küste Alaskas mit großem Erfolg ausgebracht. Mittlerweile soll diese Entwicklung der französischen ELF AG weltweit bei Ölverlusten an Bahnhöfen und Raffinerien eingesetzt werden.
Hydrocarbonoclastische Bakterien
Neben der Förderung natürlicher Populationen wird auch nach neuen Ölverwertern gesucht. Die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig hat hier Pionierarbeit geleistet, indem sie zahlreiche Vertreter der "neuen" Gruppe der hydrocarbonoclastischen Bakterien (HCB) isoliert hat.
Das sind gramnegative, aerobe, stäbchenförmige, obligate Meeresbewohner, die noch bei Natriumchloridkonzentrationen von bis zu 3,5 M wachsen und nur spezielle Kohlenwasserstoffe (aber keinerlei Aminosäuren, Proteine, Kohlenhydrate) als Substrat nutzen können. HCB zeigen die höchste gemessene Affinität zu Kohlenwasserstoffen, was erklärt, dass sie in allen Weltmeeren auch bei extrem niedrigen Kohlenwasserstoffkonzentrationen existieren können.
Die HCB lassen sich in Aliphaten- und Aromatenabbauer unterteilen. Während Alcanivorax borkumensis und Marinobacter hydrocarbonoclasticus nur lineare und kettenverzweigte Aliphaten nutzen, verwertet Psychroserpens burtonensis Aromaten wie Toluol, Naphthalin, Phenanthren und Anthracen als einzige Kohlenstoffquelle.
Normalerweise lösen sich hydrophobe Verbindungen auf, wenn sie in eine Zellmembran eindringen. Daher wirken sie in hohen Konzentrationen toxisch: Sie zerstören die Membranen und damit die Zellen. HCB, die sich von hydrophoben Substanzen ernähren, besitzen allerdings einen speziellen Schutzmechanismus, der bereits vor einigen Jahren an der TU Braunschweig aufgeklärt wurde. Aus A. borkumenis konnte ein stark wirksames Glucolipid-Tensid isoliert werden, das mit der hydrophoben Ölfraktion Mizellen bildet (Abb. 2); diese Mizellen sind für die Zellmembran unschädlich.
Die in HCB gefundenen Biotenside und Bioemulgatoren sind übrigens auch technologisch interessant, zum Beispiel für die Entwicklung neuer Kosmetika.
Kasten Summe vieler Tropfen
Die Havarie der Exxon Valdez hat mit 40 000 t Öl nur mit 0,7% zur weltweiten Meeresverschmutzung mit Öl beigetragen. Der weitaus größte Teil der Verölung stammt mit geschätzten 600 000 t aus natürlichen Quellen, vor allem vom Meeresgrund. Doch der Mensch belastet die Meere auch ganz ohne Havarien. Während bei der Ölförderung etwa 40 000 t verloren gehen, veranschlagt man Unfälle mit 150 000 t verlorenen Öls jährlich.
Den größten Brocken stellen die Fahrlässigkeiten dar. Jeder Tropfen Benzin und jeder unachtsame Ölwechsel an Mofa und Rasenmäher summiert sich weltweit auf fast 500 000 t ölhaltige Substanzen, die über Grundwasser, Bäche und Flüsse schließlich ins Meer gelangen. Gegen diese diffuse Einleitung sind die 7500 t Kerosin, die aus unterschiedlichen Gründen von den Flugzeugen abgelassen werden, vernachlässigbar.
Kasten Ölpest durch Krieg
Die bislang größte Ölpest der Geschichte wurde am Ende des 2. Golfkriegs durch die aus Kuwait abziehenden Iraker ausgelöst. Wahrscheinlich gelangten durch die Zerstörung von Ölförderanlagen etwa 1,4 Mio. t Öl in den Persischen Golf.
Kasten Statistischer Mittelwert
Die Mineralölindustrie rechnet damit, dass sich im statistischen Mittel ein Unfall beim tausendsten Anlaufen eines Hafens oder nach 50 Jahren regelmäßiger Fahrt eines Öltankers ereignet. Dies bedeutet durchschnittlich den Verlust von 87 Gramm pro Tonne transportierten Erdöls.
Quellen
K. N. Timmis, M. M. Yakimov, P. N. Golyshin: Hydrocarbonoclastische Bakterien: Neue Meeresbakterien, die nur auf Öl wachsen. BGF, Arbeitsgruppe Mikrobielle Ökologie. http://mik.gbf.de/oeko/index.html
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