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DAZ aktuell
Arzneimittelversandhandel: Arzneimittelversand in den USA – kein Vorbild f
Der Versandhandel mit Arzneimitteln wird in Deutschland vor allem von jenen befürwortet, die sich hiervon Einsparungen für die gesetzliche Krankenversicherung versprechen. Der Runde Tisch im Gesundheitswesen hat im April dieses Jahres Empfehlungen ausgesprochen, unter welchen Voraussetzungen dieser neue Distributionsweg in Deutschland eingeführt werden könnte. Doch wenn Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz unter fairen Wettbewerbsbedingungen tatsächlich durch Apotheken mit Vollsortiment gewährleistet werden sollen, lässt sich mit Versand kaum Geld sparen.
Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young, die im Auftrag des Verbandes des Pharmazeutischen Großhandels PHAGRO e.V. durchgeführt wurde. Dr. Rolf Badenhoop und Dr. Simone Seiter vom Life Sciences Bereichs bei Cap Gemini Ernst & Young stellten die Studie gemeinsam mit Lothar Jenne und Dr. Bernd Scheifele vom PHAGRO-Vorstand am 30. September in Berlin vor. Badenhoop und Seiter kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass sich ohne tiefgreifende Einschnitte in die bestehenden Strukturen des Gesundheitssystems, ein Arzneimittelversandhandel mit signifikantem Einsparpotenzial in Deutschland nicht aufbauen ließe. Bei einer Übertragung des US-Versandmodells auf Deutschland könnte bestenfalls ein Marktanteil von ein bis zwei Prozent erreicht werden und damit würden eine Reihe nationaler Errungenschaften in Sachen Arzneimittelsicherheit aufs Spiel gesetzt.
Anderes Versicherungssystem in den USA
Die Unternehmensberater erläuterten, warum das US-Modell für Deutschland nicht passe: In den Vereinigten Staaten ist sowohl das Krankenversicherungssystem als auch die ambulante Arzneimittelversorgung völlig anders organisiert als hierzulande. Für Arbeitnehmer und Selbstständige gibt es private Versicherungen, die sich in ihrem Leistungsspektrum stark unterscheiden. Da zumeist nur mit einzelnen Leistungsanbietern Versorgungsverträge abgeschlossen werden, muss der Versicherte erhebliche Therapie-Einschränkungen in Kauf nehmen. Bei Arbeitnehmern werden aus steuerlichen Gründen bis zu 70 Prozent der Versicherungskosten vom Arbeitgeber übernommen es liegt daher auf der Hand, dass weniger der Arbeitnehmer als vielmehr sein Chef über den Umfang des Versicherungsschutzes bestimmt. Für Bedürftige und Menschen über 65 Jahren gibt es in den USA staatliche Versicherungssysteme, die jedoch nicht für ihre gute Versorgungsqualität bekannt sind.
Pharmacy Benefit Manager
Die Arzneimittelversorgung ist weitgehend aus der Krankenversicherung ausgegliedert und wird durch so genannte Pharmacy Benefit Manager (PBM) durchgeführt. Anfänglich handelte es sich bei den PBM um Dienstleister, die lediglich die Kostenerstattung für Medikamente organisierten. Im Laufe der Jahre erweiterte sich das Tätigkeitsfeld der PBM allerdings erheblich: In den 80er Jahren begannen sie, integrierte Serviceangebote zu entwickeln, die darauf abzielten, den Arbeitgebern und Versicherern die Abwicklung der gesamten Aufgaben im Arzneimittelsektor zu erleichtern bzw. abzunehmen. Wirtschaftliche Überlegungen standen hier stets im Vordergrund. Heute kontrollieren die drei PBMs Merck-Medco, AdvancePCS und Express Scripts zwei Drittel des US-Arzneimittel-Markts. Sie legen Medikamentenlisten (formulary) fest, an die sich Ärzte bei Verschreibungen halten müssen. Die Preise der Medikamente werden zwischen den Versicherungen/PBM und den Pharmaunternehmen ausgehandelt. Sie sind daher oft unterschiedlich, zumal Rabatte und Rückvergütungen integraler Bestandteil des Geschäftsmodells sind. Die Patienten müssen für diese Arzneimittel gestaffelte Zuzahlungen leisten.
Für die wichtigsten 20 bis 25 Arzneimittel betreiben die PBM Versandapotheken und bieten für den Bezug via Versand finanzielle Anreize. Schon der Umstand, dass lediglich eine eng umgrenzte Produktpalette zum Versand zur Verfügung steht, macht deutlich, dass das amerikanische System nicht auf das deutsche übertragen werden kann. Auch die Kostenvorteile, die in den USA dadurch erreicht werden, dass dort Bulk-Ware zu Großpackungen neu verpackt und konfektioniert wird, sind in Deutschland nicht realisierbar. Darüber hinaus bestehen in den USA keine so hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Arzneimittel wie hierzulande.
Kettenapotheken dominieren den Markt
Gekauft werden verschreibungspflichtige Arzneimittel in den USA zu gut 46 Prozent in Ketten- und unabhängigen Apotheken. Der Vertriebskanal Versandhandel kommt auf 13 Prozent. Ein Trend aus den USA sollte jedoch auch deutsche Apotheken bedenklich stimmen: In den letzten zehn Jahren ist dort die Anzahl der unabhängigen Apotheken um rund 30 Prozent zurück gegangen. Dies wird zum einen auf das Wachstum der Apothekenketten, zum anderen auf den Versandhandel zurückgeführt, erklärte Seiter. Im Jahre 2000 kam es erstmalig wieder zu einem geringfügigen Anstieg der unabhängigen Apotheken möglicherweise eine Folge verstärkter Beratungsangebote und Dienstleistungen. So werden US-Apotheker etwa im Rahmen von Disease-Management-Programmen tätig und können so mehr auf ihre Kompetenzen aufmerksam machen.
Andere Ausgangsposition auch in Holland und der Schweiz
Auch ein genauerer Blick auf die Gesundheits- und Versandhandelssysteme der Schweiz und der Niederlande zeigt, dass diese nicht einfach auf Deutschland übertragen werden können. Und selbst wenn man außer Acht lässt, dass in beiden Ländern ein ärztliches Dispensierrecht besteht und sich schon deshalb der Arzneimittelmarkt stark vom deutschen unterscheidet: sowohl in Holland als auch der Schweiz hat der Versand im Gesamtmarkt nur eine geringe Bedeutung. Einsparungen ließen sich dort nicht realisieren. Die holländische Internet-Apotheke DocMorris beliefert ohnehin zu 75 Prozent deutsche Patienten. Nur etwa 0,13 Prozent der holländischen Bevölkerung nutzt den Arzneimittelversand.
PHAGRO: Regierung soll Versandhandel noch mal gut überdenken
PHAGRO-Chef Jenne sieht die ablehnende Haltung seines Verbandes gegenüber dem Arzneimittelversandhandel durch die Studie bestätigt: Mit der Einführung des Versands könnten die Probleme des Gesundheitswesens und die steigenden Arzneimittelkosten nicht bewältigt werden. Statt ihre Kräfte auf einem zwar presseträchtigen, aber wirtschaftlich unergiebigen und gesundheitspolitisch hoch problematischen Feld zu verschleißen, sollte sich die deutsche Gesundheitspolitik lieber auf die Stärken unseres Gesundheitssystems besinnen und bei den anstehenden Reformen an diese Stärken anknüpfen, sagte Jenne. Es bestehe weder ein rechtlicher noch ein politischer Zugzwang, das Versandhandelsverbot in Deutschland aufzuheben insbesondere nicht aus europäischer Sicht. Denn die Europäische Union müsste zunächst die gesetzlichen Anforderungen harmonisieren.
Gerade hierfür besitze sie jedoch keine Zuständigkeit, so Jenne, die Organisation des Gesundheitswesens sei nationale Aufgabe. Dem Bundesgesundheitsministerium habe man daher bereits gemeinsam mit den Apothekerverbänden Vorschläge unterbreitet, wie auf andere Art und Weise die Arzneimittelversorgung verbessert und kostengünstiger gestaltet werden kann. Etwa durch telefonische und elektronische Vorbestellungen in der Apotheke und eine Anpassung der Handelsspannen für Medikamente. Diese Vorschläge, so Jenne, könnten kurzfristig und unabhängig von europäischen Entscheidungsprozessen realisiert werden und ließen die Arzneimittelsicherheit sowie die Versorgungssicherheit der Patienten unangetastet. Dabei könne die gesetzliche Krankenversicherung auch sparen: 400 bis 450 Mio. Euro im Jahr der Einführung, danach jedes Jahr weitere 100 Mio. Euro.
Wer noch mehr über die Studie erfahren will, kann die 44 Seiten starke Vorab-Version im Internet unter www.phagro.de/Positionen/Versandhandel abrufen.
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