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Treuhand: Wirtschaftliche Situation der Apotheken nicht sehr rosig
Hasan-Boehme bezeichnete mit Blick auf das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz die Abschaffung des kombinierten Arznei- und Heilmittelbudgets sowie des Kollektivregresses der Ärzteschaft als "frohe Botschaft". Die Referentin wies aber auch darauf hin, dass anstelle der Budgets Arzneimittelvereinbarungen getreten sind. Die Rahmenvorgaben für Arzneimittelausgaben zwischen den Vertretern der Ärzteschaft und den Kassen sehen vor, dass eine Milliarde Euro eingespart werden sollen. Diese Zielvorgaben haben aber zum jetzigen Zeitpunkt für das Apothekengeschäft laut Hasan-Boehme keine Auswirkung.
Im Hinblick auf das Festbetrags-Anpassungsgesetz (FBAG), mit dem ein Einsparvolumen von 300 Millionen Euro angestrebt werde, sei dagegen schon jetzt "einiges sichtbar, was tatsächlich gespart wurde." So sanken die Preise im Festbetragssegment im Vergleich vom ersten zum zweiten Halbjahr um minus 2,7%, beim Nicht-Festbetragsmarkt war ein Anstieg um 2,1% zu verzeichnen.
Bezüglich der Importquote für Arzneimittel übererfüllten die Apotheker die politischen Vorgabe, die bekanntlich bei 5,5% liegt und erreichten im ersten Halbjahr dieses Jahres 6,8% und im zweiten Quartal sogar 7,5%. Theoretisch wurde mit letzterer Zahl schon die für das Jahr 2003 festgelegte Importquote von 7% getoppt.
Die Referentin erörterte auch die Problematik des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) und die Sonderzahlung der Industrie in Höhe von 205 Mio. Euro. Diese Zahlung bezeichnete sie als ein "Novum in der Politik."
Skeptische Einschätzung der Sparpläne
Die Auswirkungen der Sparpläne des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) betrachtete die Treuhand-Expertin skeptisch. So war das Einsparziel des BMG mit 2,3 Mrd. Euro angegeben worden. Als eine "realistischere" Zahl für das Jahr 2002 nannte Hasan-Boehme 0,8 Mrd. Euro inklusive des Kassenabschlags.
Bei der Untersuchung der Auswirkungen der Sparpläne auf die Apotheke nannte Hasan-Boehme folgende theoretisch ermittelten Zahlen: Die GKV-Umsatzentwicklung wird um minus 3% durch direkt umsatzwirksame Maßnahmen zurückgehen und zusätzlich noch um minus 1% durch die Erhöhung des Kassenrabattes. Zu Verschlechterungen des relativen Wareneinsatzes bzw. des Rohgewinns wird es ebenfalls kommen, diese werden im Durchschnitt 0,5 Prozentpunkte ausmachen. Insgesamt prognostiziert die Steuerfachfrau eine Gewinnminderung von knapp 15%.
Bei der Zusammenfassung der wirtschaftlich relevanten politischen Eingriffe ging die Referentin insbesondere auf die Aut-idem-Regelung ein. Hasan-Boehme äußerte Bedauern darüber, dass diese Regelung lediglich auf die Finanzfrage reduziert wurde. Gleichzeitig rief sie noch einmal die Veröffentlichung des Bundesausschusses der Ärzte/Krankenkassen vom 8. Juni 2002 mit den ersten austauschfähigen Arzneimittelgruppen in Erinnerung: Dort waren 112 Wirkstoffe und 170 austauschbare Darreichungsformen aufgelistet. Insgesamt beläuft sich die Zahl der betroffenen Fertigarzneimittel auf 9000.
Die BKK veröffentlichte am 12. Juni 2002 knapp 300 Drittellinien-Grenzen für 63 Wirkstoffe. Insgesamt sind 5809 Fertigarzneimittel betroffen, davon lagen am 1. Juli 2002 rund 2800 Pharmazentralnummern über rund 3000 unter den Drittelgrenzen.
Anhand eines Beispiels demonstrierte Hasan-Boehme die Kompliziertheit der Berechnungen der quartalsweise neu zu definierenden Drittelgrenzen. Außerdem verwies sie darauf, dass es für 49 Wirkstoffe aus verschiedenen Gründen keine Drittelgrenzen gibt.
Der Alltag wird umständlicher
Die Treuhand-Geschäftsführerin resümierte, welche alltäglichen Änderungen durch die Aut-idem-Regelungen dem Apotheker entstehen. So müssen die Daten der Auswahlgruppen bzw. der Drittelgrenzen dem Apotheker von den EDV-Häusern zur Verfügung gestellt werden. Dabei wird trotz guter EDV-Lösungen der Bedienvorgang umständlicher, so dass der Apotheker "sich eher mit der EDV auseinandersetzen muss, als mit dem Patienten." In diesem Zusammenhang ist auch die Lagerhaltung von zentraler Bedeutung, die mittels korrekter Anzeigen von "Rankings" optimal ablaufen sollte.
Die Marktreaktionen auf die Aut-idem-Regelung hielt die Steuerberaterin für schwer abschätzbar, da zu viele Fragen offen sind. So wurde beispielsweise beim Ankreuz-Verhalten der Ärzte beobachtet, dass einige fast immer darauf bestehen, dass der Apotheker nicht substituieren darf, während dies andere Mediziner den Apothekern in den meisten Fällen überlassen. Die konkreten Aussagen zum Ausmaß der Preissenkungen seien derzeit noch nicht verallgemeinerungsfähig.
Ungewiss sei auch, wie viele Preiserhöhungen für nicht-aut-idem-fähige Arzneimittel kommen werden. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor bestehe durch neue Preis- und Produktstrategien der Firmen, so seien vereinzelt völlig überteuerte "Dummies" platziert worden, um damit die Drittelgrenze künstlich hochzuhalten. Außerdem bestehe die Möglichkeit, sich der Auswahl zu entziehen, indem die Unternehmen die Packungsgröße verändern. Hasan-Boehme wies auch auf den "Kellertreppen-Effekt" hin, der durch die quartalsweise Neu-Definition der Drittelgrenze zwangsläufig entstehe. Schon jetzt würden durch vorweggezogene Preissenkungen der Hersteller Preise festgelegt, die nicht weiter absenkbar sind – somit seien in diesen Fällen keine weiteren Einsparungen möglich.
Einsparvolumen durch Aut-idem ungewiss
Eine ungenaue Informationslage herrscht in Bezug auf die mit der Aut-idem-Regelung zu erwartenden Einsparvolumen: So veranschlagt das BMG ein Einsparziel von 230 bis 250 Mio. Euro, während die GKV-Spitzenverbände von nur 30 bis 40 Mio. Euro ausgehen. Nach Ansicht von Hasan-Boehme liegt es allerdings im Interesse der Kassenvertreter, die Zahlen niedrig zu halten, damit die Politik gezwungen ist, noch zusätzliche Einspar-Maßnahmen vorzunehmen. Nach Auffassung des Bundesfachverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) wurden schon vorweg für das Jahr 2002 Einsparungen von 90 Mio. Euro erwirtschaftet. Die theoretisch zu erzielenden jährlichen Einsparungen beziffert das BAH mit 450 Mio. Euro.
Für die Apotheke bedeutet die Aut-idem-Regelung Umsatz- und Lagerwertverluste. Die Treuhand ermittelte folgende Einzelergebnisse aus den Apotheken, bezogen auf den Zeitpunkt des 1. Juli 2002:
- Rund 5 bis 10% der Lagerpositionen (PZN-Nr.) waren betroffen.
- Die Preissenkungen der betroffenen Pharmazentralnummern lagen zwischen 10 bis 30%.
- Teilweise war es auch zu anderen Preissenkungen bzw. -erhöhungen gekommen.
- Die Lagerwertänderung im Drittelgrenzbereich lag unter minus 1 % des Gesamtlagerwertes. Teilweise konnten die Lagerverluste durch das Verbändemodell ausgeglichen werden (ABDA/Phagro).
- Der Umsatzverlust – isoliert im Drittelgrenzbereich – lag unter 1% des GKV-Umsatzes.
Nach Überzeugung von Hasan-Boehme sind nicht die Umsatzverluste das Hauptproblem der Apotheker, sondern der zeitraubende und permanente Erklärungs- bzw. Rechtfertigungsbedarf gegenüber den Patienten. Ein weiteres Problem stelle das Warenlager dar, zumal es kaum eine Chance zur Warenlagerstraffung gebe, und statt dessen eher eine Tendenz zur Warenlagerausweitung bestehe. Im Hinblick auf die Preise bestehe in Auswahlbereichen ohne Drittelgrenzen ein größeres Preisänderungsrisiko als bisher.
Hasan-Boehme berichtete auch über die jüngsten Zahlen, wonach ab Oktober knapp 6000 PZN als neue Aut-idem-Gruppen dazukommen. Insgesamt sind dann 14 800 PZN betroffen. Laut Meldung des Bundesverbandes der Krankenkassen (BKK) gibt es ab 1. Oktober 2002 insgesamt für 103 Wirkstoffe 515 Drittelgrenzen, die rund 10 500 PZN umfassen.
Beim Thema Versandhandel schilderte die Referentin die Rahmenbedingungen der jetzigen Regierung. Demnach muss die Arzneimittelsicherheit gewährleistet sein. Konkret bedeutet dies, dass dem Patienten zeit- und ortsnah das volle Sortiment der Arzneimittel zur Verfügung stehen muss. "Dabei ist die spannende Frage wie das funktionieren soll", gab Hasan-Boehme kritisch zu bedenken.
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