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- DAZ 36/2002
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Die Seite 3
Was hat der Kanzler mit der ABDA gemein? Schön die Worte, triste die Wirklichkeit – das eint sie. Nicht zum Jäger, zum Gejagten ist die standeseigene Berufspolitik geworden – nicht weil, sondern obwohl sie von Eschborn in die Jägerstraße nach Berlin gezogen ist. Das hartnäckige Gerücht, dass mit dem Grundbuch der Berliner Edelimmobilie nicht alles so ist, wie es sein sollte, will nicht verstummen. Aber das ist nur eine Petitesse am Rande, die uns freilich noch teuer zu stehen kommen kann.
Wichtiger für uns alle ist zum Beispiel der Supergau in Sachen aut idem. Im Herbst letzten Jahres, als plötzlich eine Umsetzungschance für aut idem am politischen Horizont auftauchte, hätten bei der fürs Fachliche zuständigen Bundesapothekerkammer alle Warnleuchten angehen müssen. Doch Fehlanzeige: in der irrigen Annahme, dass relevante Unterschiede zwischen Generika doch gar nicht (mehr) bestehen könnten, tauchten die Verantwortlichen, allen voran der letztverantwortliche BAK-Präsident weg.
Erst als die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft mit einer Stellungnahme und später mit einer Leitlinie zur "Guten Substitutionspraxis" an die Öffentlichkeit ging, wurde hektisch nachgelegt. Eigentlich hätte die Bundesapothekerkammer – öffentlich-rechtlich und auch zur Vertretung von Patienteninteressen verpflichtet – frühzeitig darauf aufmerksam machen müssen, wo Aut-idem-Substitution durch den Apotheker einen deutlichen Vorteil für die Patienten bedeuten kann, wo sie fachlich vertretbar ist, wo besondere Vorsicht walten muss und wo massive Bedenken angemeldet werden müssen.
Nichts davon ist rechtzeitig passiert. Bei der Politik musste sich dadurch der Eindruck verfestigen, den Apothekerinnen und Apothekern gehe es doch immer nur um das eine: um attraktive Einkaufskonditionen, um den Wunsch, stärker als bisher zum Objekt der Begierde der Pharmaindustrie zu werden. Die freilich zeigte sich nicht nur äußerst reserviert. Als Gegenstrategie gelang es ihr, in letzter Minute eine Regelung ins Gesetz zu drücken, wonach eine Substitution durch den Apotheker verboten bleibt, solange der Arzt ein Arzneimittel verordnet, das nach den Kriterien des Gesetzes als "preisgünstig" zu gelten hat.
Die erste, zum 1. Juli in Kraft getretene Aut-idem-Tranche hat gezeigt: die Industrie senkte die Preise auf breiter Front; es gibt praktisch nur noch "preisgünstige" Arzneimittel. Damit war die von den Apothekern seit langem herbeigesehnte Aut-idem-Regelung zur Nullnummer abgewertet. "Es steht noch aut idem 'drauf, es ist aber nicht mehr drin" – so ABDA-Geschäftsführer Dr. Frank Diener frank und freimütig.
Einkaufsvorteile und eine Straffung des Warenlagers – diese Wünsche konnten die Apotheker ebenso abhaken wie den Wunsch, ihre Patienten wenigstens in der Akutversorgung in Zukunft sofort versorgen zu können; sie also nicht warten zu lassen, wenn man zehn therapeutisch äquivalente Generika am Lager hat, aber ein elftes "preisgünstiges" Generikum verordnet ist.
Erst nachdem das Kind im Brunnen lag, kam die ABDA mit einem im Kern sinnvollen, aber nicht mehr sonderlich originellen Vorschlag zu aut idem aus den Büschen, der es der Pharmaindustrie erleichtert hätte, sich nicht in eine Preissenkungsorgie zu stürzen (einen ähnlichen Vorschlag hatte die DAZ schon im letzten Herbst erneut zur Diskussion gestellt; s. DAZ 2001, Nr. 38, S. 56). Kern der Regelung: alle Arzneimittel, egal mit welchem Preis, wären im Einzelfall "kassenfähig" geblieben; nur insgesamt darf bei der Substitution ein "Zielpreis" nicht überschritten werden. Zu spät: Die Ministerin kann sich die Hände reiben.
Die Einsparungen durch die Preissenkungen werden allein in den ersten beiden Tranchen bei insgesamt rund 600 Mio. Euro liegen – das ist wohl mehr als das Dreifache dessen, was man ursprünglich erwartet hatte. Hinzu kommen weitere gut 200 Mio. Euro aus der Erhöhung des Kassenrabattes. Die Berufsvertretung der Apotheker hatte sich dagegen nur pro forma und kaum wahrnehmbar gewehrt, weil man – leichtsinnig, leichtsinnig – auf Ertragsverbesserung durch die Aut-idem-Regelung hoffte.
Jetzt hat man beides: Ertragsverschlechterungen durch die Preissenkungen und durch die Erhöhung des Kassenrabattes. Bravo! Für eine Durchschnittsapotheke macht das einen Rohertrags- und Ertragsverlust von gut 16 000 Euro, d. h. mehr als 32 000 DM pro Jahr aus. Doch nicht nur deshalb stehen die Apotheker derzeit schlecht da. Die Öffentlichkeitsarbeit wird immer mehr zur Achillesferse. Die veröffentlichte Meinung in den Publikumsmedien – zuletzt auch in der FAZ – wendet sich immer entschiedener von den Apothekern ab. Was läuft da falsch, seit langem falsch? Einziger Lichtblick war die Unterschriftenaktion. Doch sonst wird allzu häufig unsinnig Geld verpulvert – so zum Beispiel bisher schon über 3 Mio. DM für das Internetportal der ABDA, das bislang gleichwohl nicht richtig funktioniert und immer noch keine bundesweiten Notdienstinformationen anbietet.
Das soll nun geändert werden; aber muss man dafür einen Augenarzt gratis mit Daten füttern, die dieser dann – wohl ohne Kenntnis der ABDA und ohne dass dies so einfach erkennbar wäre – unter der Hand weiterverscherbelt? Da kommt Freude auf. Die Industrie als Loser, die ABDA und die Apotheken als Loser – und sogar, was die Versorgung angeht, die Patienten: welch eine Meisterleistung! Wie gut, dass wir am 22. September nur Bundestagswahlen haben.
Klaus G. Brauer
Lauter Loser
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