Berichte

ASG Hessen-Süd: Arzneimittelqualität in der Diskussion

Arzneimittelqualität war das Thema einer öffentlichen Diskussionsrunde der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) Bezirk Hessen-Süd am 17. Mai 2002. Hierzu referierten Prof. Dr. Henning Blume, Socratec Pharma, ehemaliger Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker, Rosemarie Müller, Mitglied der SPD-Fraktion im Europäischen Parlament, und Dr. Johannes Knollmeyer, Aventis Deutschland, Leiter der Gesundheitspolitischen Abteilung.

Dr. Christian Lukosch, Bezirksvorsitzer der ASG Hessen-Süd, stellte fest, dass die Qualität von Arzneimitteln in Deutschland sehr hoch sei; er fragte die Referenten, ob das auch in naher Zukunft so bleiben werde. Jeder wisse, dass im Gesundheitswesen in Deutschland gespart werden müsse, scheinbar herrsche darüber bei allen Beteiligten Einigkeit. Das einzige Problem bestehe wohl darin, wie man sparen und gleichzeitig die Qualität erhalten könne.

Arzneimittelzulassung in Europa

Frau Müller, Berichterstatterin für Arzneimittelfragen im Europäischen Parlament, stellte die beiden Wege für die Zulassung von Humanarzneimitteln vor: zum einen die zentrale Zulassung bei der EMEA in London, zum anderen die Zulassung in einem EU-Mitgliedsland, woran sich die Anerkennung in den anderen Ländern anschließt.

Ein Problem war früher die Dauer des Zulassungsverfahrens, hier sind aber wesentliche Fortschritte erreicht worden. Bei der zentralen Zulassung, die für die biotechnologisch hergestellten Stoffe obligatorisch ist, ist mit einer Bearbeitungsdauer von 210 Tagen (bei besonders dringlichen Arzneimitteln: 150 Tage) zu rechnen. Falls ein besonders eiliges Verfahren nötig ist, kann das Präparat befristet für ein Jahr zugelassen werden. Für ganz besondere Notfälle, beispielsweise für bestimmte Krebserkrankungen, kann eine Substanz auch ohne Zulassung angewendet werden.

Natürlich ist das Wichtigste bei der Zulassung die Gewährleistung der Sicherheit. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, dass für die Arzneitherapie von Kindern besondere Standards entwickelt werden; denn oft werden Arzneistoffe, die bei Erwachsenen geprüft wurden, bei Kindern quasi im "Blindschuss" angewendet.

Der Arzneimittelcodex, der für Human- und- Tierarzneimittel gilt, beinhaltet die GMP-Richtlinien, deren Einhaltung in den einzelnen Ländern streng überwacht wird. Das Ziel ist die Erarbeitung eines Europäischen Arzneimittelgesetzes.

Bioäquivalenzuntersuchungen von Generika

Professor Blume erwähnte, dass es in der gegenwärtigen rechtlichen Situation nicht möglich ist, in Europa ein neues generisches Arzneimittel zu entwickeln, solange der Patentschutz läuft. Immerhin ist in den letzten acht Jahren erreicht worden, dass bei der Zulassung Bioäquivalenzdaten eingereicht werden müssen.

Zum Teil existieren in den einzelnen europäischen Ländern völlig unterschiedliche galenische Formulierungen für ein Arzneimittel, die zu ganz differenten Blutspiegeln und Halbwertszeiten führen. Interessant dürfte hier sein, dass für die Hochdrucktherapie mit Nifedipin nur bei Retardpräparaten der gewünschte Effekt erreicht werden kann.

Bekannt ist, dass es bei unterschiedlichen Rassen zum Teil sehr bedeutsame Unterschiede in der Biotransformation geben kann. Hinzu kommt, dass dies noch zusätzlich beeinflusst werden kann durch die verschiedenen Hilfsstoffe und gegebenenfalls unterschiedliche Essgewohnheiten. Die Bioäquivalenzuntersuchungen werden zu einem großen Teil in Ländern wie Südafrika, Kanada oder Indien gemacht. Die dabei erhaltenen Ergebnisse müssen aber keineswegs für uns repräsentativ sein. Es ist zu fordern, dass Arzneimittelentwicklung auch in Deutschland wieder möglich ist.

In den USA wird bereits für eine Bioäquivalenzuntersuchung gefordert, dass sie an einem Probandenkollektiv gemacht wird, das so zusammengesetzt ist wie die einheimische Bevölkerung.

Probleme mit der Importquote

Für Knollmeyer ergeben sich aus der Tatsache, dass die GKV die Abgabe von immer mehr importierten Spezialitäten fordert, unübersehbare Schwierigkeiten. Außerdem ist eine solche Maßnahme für die Volkswirtschaft ein beträchtlicher Schaden. Der Einsparung bei den Kassen stehen beträchtliche Mindereinnahmen bei den Steuern oder Löhnen gegenüber. Hinzu kommt, dass Importarzneimittel oft den deutschen Vorschriften nicht entsprechen. Weitere Probleme ergeben sich für die Compliance. Es ist gegenwärtig so, dass der führende Importeur schon einen höheren Umsatz macht als mancher Originalanbieter.

Eine höchst interessante Tatsache ist, dass bei bestimmten Zytostatika die nach Griechenland exportiert werden, der griechische Patient keine einzelne Ampulle erhält, weil alles sofort wieder nach Deutschland zurückgeschickt wird. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass zum Teil gar nicht für Europa bestimmte Arzneimittel importiert werden. Diese entsprechen manchmal keinesfalls den deutschen Vorschriften.

Darüber hinaus stellt jede Umkonfektionierung eine Fehlerquelle dar. Bei illegalen Importen sind die Behörden schlicht machtlos. Generell muss man sagen, dass die Behörden, was Personal- und -Sachmittel angeht, zu schlecht ausgestattet sind. In den USA gibt es ein Agreement, dass die Industrie der Behörde unter die Arme greift.

Arzneimittelforschung in Europa sichern

Aus dem Publikum wurde gefragt, ob durch die Preisgestaltung im Festbetragsmarkt nicht die Gefahr besteht, dass manche Firmen gar nicht mehr liefern können und dann gezwungen sind, das Produkt auf dem Spotmarkt zu besorgen. Allgemein herrschte die Auffassung, dass so etwas illegal ist, da ein Arzneimittel ein Individuum mit ganz bestimmten Charakteristika ist.

Einig waren sich die Referenten, dass aus den verschiedensten Gründen in der Forschung, Entwicklung und Produktion Europa sich nicht aus dem Markt verabschieden darf.

Frau Müller erklärte zum Schluss, die verabschiedeten Regelungen sähen vor, dass ab 2005 auch die Generikaentwicklung für neuere Arzneistoffe in Europa möglich sein wird.

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