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Disease Management Programme: Pharmazeutische Betreuung im neuen Gewand
Wolf forderte die Apotheker auf, über eine neue Rolle im Gesundheitswesen nachzudenken. Nach der Tätigkeit als Arzneimittelhersteller und später als Distributeur von Fertigarzneimitteln sollten Apotheker künftig als Medikationsmanager tätig werden. Anstelle von Arzneilieferverträgen mit vorwiegend kaufmännischen Inhalten solle es dann "Verträge für die bedarfsgerechte pharmazeutische Versorgung" geben, die die Lieferung von Arzneimitteln selbstverständlich einschließen.
Dazu gehöre aber auch die Versorgung bei den Patienten zu Hause, was einen Versandhandel sachlich ins Leere laufen lasse. Die Bindung an die reine Distribution werde dagegen zunehmend problematisch, nicht zuletzt wegen künftiger gentechnischer Arzneimittel, die vermutlich direkt vom Arzt appliziert würden.
Fallpauschalen: Vor- und Nachteile
Ein solcher Wandel sei auch vor dem Hintergrund der Gesamtentwicklung des Gesundheitswesens anzuraten, z. B. dem Trend zu Fallpauschalen. Die Einführung der DRG's im Krankenhaus sehe er mit gemischten Gefühlen. Die Patienten kämen so nach einer stationären Behandlung eher in den ambulanten Bereich und würden diesen stärken. Er fürchte aber, dass das Geld nicht den Patienten folgen werde, die zusätzlichen Leistungen im ambulanten Bereich demnach mit konstanten Mitteln zu erbringen wären.
Langfristig sollten sich die Apotheker auch auf eine mögliche Finanzierung des ambulanten Sektors über Pauschalen einstellen, z. B. Fallpauschalen für Fachärzte und Kopfpauschalen für Hausärzte. Über die möglichen Konsequenzen für die Arzneimittelfinanzierung sollte rechtzeitig nachgedacht werden.
Disease Management Programme in der Theorie ...
Derzeit stehen aber die geplanten Disease Management Programme (DMP) im Vordergrund. Disease Management ist ein Unterbegriff von Managed Care und bezeichnet standardisierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke. Das Konzept werde zumeist mit dem problematischen Anspruch verbunden, sowohl die Qualität zu erhöhen als auch die Kosten zu senken.
Da eine intensivere Versorgung chronisch Kranker viel Geld kostet, wird der Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen so abgewandelt, dass Patienten, die sich in ein DMP einschreiben, ihrer Krankenkasse zusätzliche Gutschriften einbringen. Dies soll einen Anreiz schaffen, die Versorgung dieser Patienten zu verbessern. Für rein pekuniär ausgerichtete Krankenkassenfunktionäre sei dieses System aber nicht unbedenklich, da es Anreize biete, die Gutschriften mitzunehmen, dafür aber möglichst wenig zusätzliche Leistungen zu erbringen. Andererseits seien Anreize für eine verbesserte Versorgung notwendig.
... und in der derzeitigen Praxis
Von den zunächst ausgewählten Krankheiten Asthma, KHK, Diabetes und Mammakarzinom empfehle der Koordinierungsausschuss derzeit nur noch Diabetes-Typ 2 und Mammakarzinom. Für die praktische Umsetzung seien noch viele Fragen zu klären, beispielsweise inwieweit vergleichbare Patienten einer Krankenkasse unterschiedlich behandelt werden können oder sollen, wenn sie an einem DMP teilnehmen oder nicht.
Außerdem müssten sich die Leistungserbringer noch qualifizieren und zertifizieren lassen, was bis zum geplanten Start am 1. Juli nicht zu leisten sei. Von den Ärzten werde über zahlreiche neue Qualitätszirkel berichtet. Bei den Apothekern sollten Kammern und Verbände gemeinsam an einer inhaltlich überzeugenden Qualifizierung arbeiten. Hierzu verwies Wolf insbesondere auf das bereits etablierte Angebot der zertifizierten Fortbildung für Asthma und Diabetes.
Pharmazeutische Betreuung im Wettbewerb
Inhaltlich enthalten DMP typischerweise zahlreiche Elemente der Pharmazeutischen Betreuung, die hier nur anders bezeichnet wird. Die Apotheker sollten sich bewusst machen, dass für diese Dienstleistungen keine Apothekenpflicht besteht. Solche Leistungen könnten und würden bereits zahlreiche Stellen anbieten. So hätten schon viele Krankenkassen Verträge mit Internetdiensten, die beispielsweise Medikationschecks durchführen.
Die Apotheken müssten sich diesem Wettbewerb stellen. Hierfür böten die DMP einen ausgezeichneten Einstieg, der nicht verpasst werden dürfe. Dann werde sich auch zeigen, dass Pharmazeutische Betreuung nur "Auge in Auge" gelinge, was den Apotheken letztlich den Markt der Arzneimittellieferung sichern könne.
DMP im modularen Konzept
Um das Angebot der Apotheker zu strukturieren, habe Professor Günter Neubauer, München, für die ABDA eine modulare Gliederung der DMP-Inhalte erarbeitet. Das erste Basismodul umfasst das Einschreiben und Halten der Patienten im DMP. Zum zweiten Basismodul gehören die fortlaufende Dokumentation von Stamm- und Medikationsdaten, die Erstellung des Medikationsprofils, die Kommunikation mit dem Arzt, die Compliance-Förderung und möglicherweise auch die telefonische Betreuung der Patienten.
Dies könne in ein freiwilliges "Einschreiben" der Patienten bei einer "Hausapotheke" münden, um die Medikationsdaten vollständig zu erfassen. Dann biete sich an, einen solchen Patienten in jeder Hinsicht umfassend zu versorgen, so beispielsweise auch mit Verbrauchsmaterialien für Diabetiker. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Ärzten erfordere dreiseitige Verträge zwischen Krankenkassen, Ärzten und Apothekern, woran die Krankenkassen nach Erfahrung von Wolf sehr interessiert sind.
Die beiden Basismodule sind indikationsunabhängig, die neun Aufbaumodule sind für die Indikationen getrennt anzubieten. Ihre Inhalte sind:
- Monitoring therapeutischer Leitlinien,
- Bearbeitung arzneimittelbezogener Probleme,
- Förderung der Compliance,
- Reminder-Aufgaben,
- Förderung des Selbstmanagements,
- Austausch von Informationsangeboten,
- Evaluation,
- Kooperation mit anderen Leistungserbringern und
- nicht-medikamentöse Maßnahmen.
Chancengleichheit für alle Apotheken
Diese Module sollen eine Struktur für künftige Rahmenverträge der Apothekerschaft bieten. Es sei die Aufgabe der Apothekerverbände, allen Apotheken eine gleichermaßen faire Chance zur Teilnahme an DMP zu geben und hierfür angemessene kollektive Rahmenverträge auszuhandeln. In welcher Apotheke welche Leistungen tatsächlich angeboten würden, müsse dagegen individuell anhand der jeweiligen Möglichkeiten und der Patientenbedürfnisse entschieden werden. Nicht jeder Apotheker werde mit seiner Apotheke alles anbieten können und wollen.
Grundvoraussetzungen seien in jedem Fall die Software zur Pharmazeutischen Basisbetreuung für die Medikationsdatenverwaltung und die zertifizierte Fortbildung. Darüber hinaus sollte auch in den einzelnen Apotheken an der Schulung des Teams gearbeitet werden. Für die laufende Qualitätssicherung könnten möglicherweise Qualitätszirkel etabliert werden, wie sie für Ärzte bereits angeboten werden.
Für die Honorierung der neuen Leistungen erarbeite Professor Neubauer derzeit einen neutralen Bewertungsvorschlag. Letztlich sollte die Arzneimittelpreisverordnung um einen Abschnitt über pharmazeutische Tätigkeiten ergänzt werden.
Kasten Zitat:
Wir wollen weg von der Schachtel, hin zum Patienten. Heinz-Günter Wolf, ABDA-Vizepräsident
Disease Management Programme sind aller Voraussicht nach nicht einfach nur eine neue schnelllebige Spielart des Gesundheitswesen. Speziell für Apotheker könnten sie sich schon bald als großer Schritt auf dem Weg zu einem neuen Berufsbild als Medikationsmanager erweisen. Darum sollte – trotz aller bisherigen Unwägbarkeiten bei der praktischen Gestaltung – diese Chance ergriffen werden, meint ABDA-Vize Heinz-Günter Wolf. Welche Chancen darin liegen und welche Hindernisse dabei drohen, beschrieb er am 19. Juni in Magdeburg.
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