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DAZ aktuell
Disease Management: Alle Daten an Kassen?
Sind wir auf dem Weg in einen Krankenkassenversorgungsstaat?, fragte überspitzt Dr. Wolfgang Aubke, Vorstandsmitglied der KBV. Er lehnte es ab, den Kassen alle sensiblen Daten – wie zum Beispiel Befunde – zur Verfügung zu stellen. Mehrere Ärzte verwiesen in Königswinter auf das sensible Arzt-Patienten-Verhältnis, welches Kassenmitarbeiter nicht stören dürften.
Aktive Call-Center der Kassen
"Die Dämme sind bereits gebrochen", konstatierte allerdings Dr. Leonhard Hansen, Arzneiexperte im KBV-Vorstand. Denn es gebe bereits Anrufe aus Call-Centern von Krankenkassen bei Patienten, die den aktuellen HbA1c-Wert abfragten mit dem Hinweis, ihre Arzneimittelmedikation könnte gegebenenfalls verbessert werden. Ein anderer Mediziner sprach in diesem Zusammenhang von "Spürhunden der Kassen".
Zwar solle die Datenweitergabe nicht dämonisiert werden, so Hansen, da die Informationen zur Steuerung der Behandlung benötigt würden, die Patienten sollten aber nicht aufgescheucht werden. Ulrike Wollersheim, Justitiarin von KBV und Bundesärztekammer, hob hervor, dass durch das Gesetz neue Datenflüsse geschaffen wurden, die auch das Leistungsrecht der Patienten berührten. Dabei sei noch unklar, wie deren informationelle Selbstbestimmung erhalten bliebe. Auch die entsprechende EG-Richtlinie habe Gesundheitsdaten als sensible Daten und damit als etwas Besonderes klassifiziert.
Nicht alles in Kassenhände
Der Chef der KBV Dr. Manfred Richter-Reichhelm warnte vor einer uneingeschränkten Datenlieferung an die Krankenkassen. Durch die finanzielle Verknüpfung mit dem kassenübergreifenden Finanzausgleich (siehe Kasten) bestehe die Gefahr, dass zum Beispiel Diabetiker als "Risikofälle" angesehen werden, wenn alle negative Faktoren wie etwa Übergewicht bei der Kasse bekannt seien. Dann drohe Risikoselektion, also der Ausschluss dieser Diabetiker aus den Disease-Management-Programmen und stattdessen die verstärkte Aufnahme möglichst gesunder Zuckerkranker darin.
Sicht des Datenschützers
Um Missbrauch zu verhindern, sollte eine Kasse nicht alle sensiblen Daten des Patienten in einer Hand halten. Das hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Dr. Joachim Jacob in Königswinter vertreten. Bei den Disease-Management-Programmen dürften keinesfalls alle personengebundenen Informationen weitergegeben werden, vielmehr müsse diskutiert werden, welche Daten die Kasse benötige. Anonymisierte Zusammenfassungen seien im übrigen kein Problem. Jacob nannte verschlüsselte (pseudonymisierte) Daten einen guten Weg.
Der Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, Dr. Edwin Smigielski, kündigte ein Eckpunktepapier zu einem Datentransparenzgesetz für Ende März an. Neben den Disease-Management-Programmen erforderten auch die Arzneimittelversorgung oder der Gesundheitspass mehr Informationstransparenz.
DMP verknüpft mit RSA
Brisanz erhalten die künftigen Disease-Management-Programme (DMP), die das Bundesversicherungsamt in Bonn zulassen muss, durch die finanzielle Verknüpfung mit dem kassenartenübergreifenden Finanzausgleich (Risikostrukturausgleich, RSA). Für diese strukturierten Behandlungsprogramme, die für einige ausgewählte chronischen Erkrankungen ab Juli beginnen, wird es "Fördergelder" (genauer RSA-Ausgleichszahlungen) für die Krankenkassen geben, um den Wettbewerb um so genannte gute Risiken (gesunde, eher jüngere und gutverdienende Kassenmitglieder) hin zu den chronisch Kranken (im Kassenjargon "schlechte Risiken") zu lenken, die am stärksten auf gute Kassenleistungen angewiesen sind. Bisher scheuen Kassen die Optimierung der Chroniker-Behandlung eher, weil sie bei Bekanntwerden von Erfolgen den Zulauf anderer Erkrankter derselben Krankheit mit entsprechenden Folgekosten fürchten. Ärzte und Krankenkassen streiten derzeit bei den Disease-Management-Programmen darüber, ob die Kassen sämtliche Behandlungsinfos oder nur ausgewählte Daten erhalten sollen.
Erhebliche Probleme zeichnen sich wenige Monate vor dem geplanten Start der so genannten Disease-Management-Programme (DMP) ab. Zentrale Frage ist, welche Daten den Krankenkassen übermittelt werden sollen. Während die Kassen gern alle arzt- und versichertenbezogenen Abrechnungsinformationen hätten, lehnen die Ärzte die Weitergabe sämtlicher Daten ab. Das wurde auf einem Symposium der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Vertretung der rund 120 000 niedergelassenen Mediziner, am 22. März in Königswinter deutlich.
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