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Parlamentarischer Abend in der Landesvertretung Baden-Württemberg
Das Gesundheitswesen krankt, die gesetzliche Krankenversicherung schreibt tiefrote Zahlen. Immer wieder ist zu hören, die hohen Ausgaben für Arzneimittel seien Schuld an der Finanzmisere der Kassen. In der Folge ist bereits das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG) in Kraft getreten, ab dem 1. April müssen Apotheker die Import-Quote erfüllen. Und im Bundesgesundheitsministerium und am Runden Tisch werden Pläne für die Zulassung eines Versandhandels mit Arzneimittel geschmiedet.
Wie stellt sich diese Situation für die Apotheker dar? Welchen Beitrag können sie zur Genesung des Gesundheitswesens leisten? Politiker sind offenbar an der Meinung der Apotheker interessiert. So erschienen beim "parlamentarischen Abend" der LAK und des LAV Baden-Württemberg u. a. die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD Regina Schmidt-Zadel, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marion Caspers-Merk, der Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss Detlef Parr und Annette Widmann-Mauz (CDU).
Arzneimittelversorgung in Baden-Württemberg
Der Präsident des LAV Baden-Württemberg Fritz Becker lieferte den Zuhörern "Daten, Fakten und Meinungen rund um das Apotheken- und Gesundheitswesen". Zunächst warf er einen Blick auf die Situation in Baden-Württemberg. In den vier Kassenärztlichen Vereinigungen des Bundeslandes steigerten sich im vergangenen Jahr die Ausgaben für Arzneimittel um 10,8 Prozent. Als Hauptursache nannte Becker zum einen die gegenwärtige Zuzahlungsregelung. Nahezu die Hälfte aller Rezepte in Baden-Württemberg seien mittlerweile von der Zuzahlung befreit. Dies zeige, dass es "höchste Zeit" sei, "über neue Zuzahlungsmodelle nachzudenken", etwa eine stärkere Spreizung oder eine prozentuale Zuzahlung.
Becker verwies hierbei auf das Positionspapier der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) "Zukünftige Gestaltung der Arzneimittelversorgung", das tags zuvor der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (siehe Bericht in DAZ Nr. 12, S. 1470). Zum anderen sei der vermehrte Einsatz innovativer Medikamente für den Ausgabenanstieg ursächlich. Dieser mache in Baden-Württemberg 6,2 Prozent des Gesamtanstiegs aus, erläuterte Becker.
Die höheren Kosten seien aber durchaus gerechtfertigt: Die moderne Arzneimitteltherapie diene in erster Linie dem Patienten. So habe sich etwa die Verordnung von Alzheimer-Medikamenten im Vergleich zum Vorjahr um knapp 55 Prozent erhöht. Zudem sei die moderne Arzneimitteltherapie vergleichsweise kostengünstig und trage dazu bei, Geld in anderen Bereichen, insbesondere dem ambulanten, zu sparen.
Klare Worte fand Becker zum Thema "Importquoten": "Weg damit!". Er forderte, dieses Regularium im Sinne einer patientenfreundlichen und kundennahen Arzneimittelversorgung im Konsens mit allen Leistungserbringern und Krankenkassen wieder abzuschaffen. Immer wieder komme es zu Problemen bei der Lieferung von Import-Arzneimitteln. Zudem verhinderten sich angleichende Preisniveaus Einsparungen im großen Umfang.
Was die Abgabe von Generika betrifft, so der LAV-Präsident, sei Baden-Württemberg ganz "Musterländle": Fast 75 Prozent aller abgegebenen Arzneimittel sind hier Generika. Sobald sie neben dem Originalpräparat erhältlich sind, gehe der Anteil der verordneten Originale deutlich zurück.
Was wollen die Apotheker?
Mit der Einführung der Aut-idem-Regelung sei die Regierung "einen Schritt in die richtige Richtung gegangen", erklärte Becker. "Aber der Schritt war zu klein und die Ausführungsbestimmungen sind zu bürokratisiert". Der LAV-Präsident erläuterte den Politikern das "Index-Modell" der ABDA , das den "Drittellinien" des AABG vorzuziehen sei. Nach diesem Modell bekomme das billigste Arzneimittel einer Auswahlgruppe den Index "0", das teuerste den Index "100". Für die Auswahl des Medikamentes würde ein Zielindex vorgegeben. Der Apotheker könne also teurere wie preiswertere Präparate abgeben, habe aber insgesamt den Zielindex zu erreichen. Dabei könne jederzeit abgerufen werden, in welche Richtungen noch Spielräume bei der Abgabe bestehen.
Arzneimittelpreise und Versandhandel
Die Arzneimittelpreisverordnung, so Becker weiter, sei ein "tragender Pfeiler unseres gesamten Gesundheitssystem". Sie bedürfe jedoch einer Weiterentwicklung, an der sich die Apotheker gerne beteiligen wollen. Dumping-Preise für Arzneimittel und die Freigabe der OTC-Preise gingen jedoch in die falsche Richtung. "Niemand will den Arzneimittelmehrgebrauch ankurbeln", so Becker. Nicht zuletzt machte der LAV-Präsident deutlich, dass das Versandhandelsverbot für Arzneimittel in Deutschland bestehen bleiben müsse. Er erinnerte an die Worte des Bundeskanzlers Gerhard Schröder vom Februar dieses Jahres: "Wer in ein gewachsenes System eingreift, muss sich klar machen, was er damit zerstört" – Schröder hatte dabei den deutschen Autohandel vor Augen, doch dieser Appell habe auch beim Arzneimittelversand seine Richtigkeit. Keinesfalls, so Becker, sei der Versand die Lösung der Probleme. Die Antwort aus Baden-Württemberg laute daher: "Die öffentliche Apotheke ist näher, schneller, persönlicher, preiswerter und schafft in Deutschland Arbeitsplätze."
Einbindung von Apothekern in DMP
Karin Graf, Vizepräsidentin der LAK Baden-Württemberg, erklärte, "warum das deutsche Gesundheitswesen auf die Apotheker nicht verzichten kann". So seien die Apotheker bereit, ihre fachliche Kompetenz z. B. im Rahmen der Disease-Management-Programme (DMP) einzubringen. Graf stellte das mehrstufige Konzept der ABDA vor, das aus zwei Basismodulen und neun Aufbaumodulen besteht: Zunächst biete sich die Apotheke an, Patienten durch persönliche Ansprache für die Einschreibung in die DMP der Kassen zu gewinnen. Ebenso könnten Apotheker dazu beitragen, dass Patienten in den Chroniker-Programmen bleiben und aktiv mitarbeiten (Compliance-Förderung).
Das zweite Basismodul betrifft u. a. das Compliance-Monitoring: Apotheken dokumentieren EDV-gestützt die Patientenstammdaten sowie fortlaufend die Medikationsdaten einschließlich der Selbstmedikation, um daraus ggf. ein Medikationsprofil abzuleiten. Sodann folgen verschiedene Aufbaumodule: Mithilfe des Medikationsprofils könne der Apotheker die Compliance des Patienten verfolgen und abschätzen. Dies sei sowohl im Falle einer neuen oder geänderten Medikation möglich, als auch bei einer unverändert andauernden Arzneimitteltherapie.
Zudem ermöglichten die Daten, etwaige arzneimittelbezogene Probleme (Interaktionen, Kontraindikationen) zu verhindern. Apotheker könnten darüber hinaus "Reminderaufgaben" übernehmen, z. B. den Patienten telefonisch nach dem Verlauf seiner Therapie befragen. Auch für alle sonstigen Fragen der Patienten stehe der Apotheker mit fachkundiger Information und Beratung beiseite. Dies gelte auch für nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie etwa Raucherentwöhnung oder Ernährungsberatung. Da es sich bei DMP um einen integrativen Behandlungsansatz handle, sei eine Kooperation mit den anderen Leistungserbringern erforderlich. Dies beinhalte auch, sicherzustellen, dass patienten- bzw. arzneimittelbezogene Daten – soweit erforderlich – zeitnah übermittelt werden.
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