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- DAZ 41/2001
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Rechtsprechung aktuell
Öffentliche Apotheken dürfen keine Arzneimittel für den Klinikbedarf abgeben
Eine Münchener Apothekerin erhielt von einem Kunden ein Privatrezept, das von einem im selben Haus ansässigen Arzt ausgestellt worden war. Hierauf war ein Medikament in einer Menge von 4 x 200 ml verordnet. Bei dieser Menge handelt es sich um eine ausschließlich für den stationären Bedarf bestimmte Großpackung. Solche Anstaltspackungen werden vom Hersteller nur an Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken geliefert, wenn sie den Nachweis eines behördlich genehmigten Versorgungsvertrages nach § 14 Apothekengesetz (ApoG) erbringen und mit dem Hersteller einen Vertriebsbindungsvertrag abgeschlossen haben. Eine Großpackung enthält vier Einzelpackungen zu je 4 x 200 ml, die jeweils den Aufdruck "Teil einer Anstaltspackung - Einzelverkauf unzulässig" tragen.
Abgabe einer verordneten Anstaltspackung
In öffentlichen Apotheken ist das verordnete Medikament in einer maximalen Größe von 4 x 30 ml erhältlich; eine solche Packung kostet 57,05 DM. Für die verordnete Menge von insgesamt 800 ml hätten somit ca. 380 DM gezahlt müssen werden. Dennoch gab die Apothekerin die verschriebene Anstaltspackung zu einem Preis von 208,10 DM ab. Woher sie diese Packung hatte, blieb ungeklärt und war für die Entscheidung des Gerichts auch nicht von Bedeutung.
Das Berufsgericht verurteilte die Apothekerin erstinstanzlich zu einer Geldbuße von 3000 DM. In der Berufungsinstanz wurde dieses Urteil bestätigt. Die Richter sahen in dem Verhalten der Apothekerin eine vorwerfbare Verletzung ihrer Berufspflichten, wie sie in der Bayerischen Berufsordnung für Apotheker in §§ 1 Abs. 1, 3 und 8 Abs. 1 normiert sind.
Öffentliches Interesse an einheitlichen Abgabepreisen
Ausgangspunkt der Entscheidungsgründe ist die Feststellung, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einer Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln aufgrund einheitlicher Abgabepreise besteht.
Krankenhausapotheken genießen das so genannte Krankenhausprivileg, d.h. sie erhalten die Medikamente von den Arzneimittelherstellern in der Regel deutlich preisgünstiger als öffentliche Apotheken. Dafür ist der Kreis derjenigen Personen, die mit Arzneimitteln aus Krankenhausapotheken und krankenhausversorgenden Apotheken beliefert werden dürfen, gesetzlich klar umgrenzt: Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken dürfen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 ApoG nur solche Krankenhäuser mit Arzneimitteln versorgen, mit denen rechtswirksame Verträge bestehen oder für deren Versorgung eine behördliche Genehmigung nach § 14 Abs. 2 Satz 4 ApoG erteilt worden ist. Auch dürfen die Medikamente nur in den Stationen und zur Versorgung von Personen abgegeben werden, die im Krankenhaus behandelt werden oder dort beschäftigt sind. Die Abgabe an andere Krankenhäuser oder Personen als die in § 14 Abs. 4 Satz 1 ApoG bezeichneten ist als Ordnungswidrigkeit zu ahnden (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 ApoG).
Der Gesetzeszweck besteht zum einen darin, die Arzneimittelversorgung und die Arzneimittelsicherheit in den Krankenhäusern zu verbessern. Darüber hinaus soll durch die Beschränkung der Abgabe von Medikamenten auch eine nicht vertretbare Verzerrung des Verhältnisses zwischen öffentlicher und Krankenhaus- bzw. krankenhausversorgender Apotheke vermieden werden.
Wettbewerbsverzerrung bei Abgabe von Medikamenten für den Krankenhausbedarf
Im Gegensatz zu diesem Krankenhausprivileg gilt für Arzneimittel, die in öffentlichen Apotheken abgegeben werden, die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Diese Medikamente haben also einheitliche Endverkaufspreise. Dies soll vor allem dem Verbraucher dienen, der so sicher gehen kann, dass er in jeder beliebigen deutschen Apotheke das gleiche Arzneimittel auch zum gleichen Preis erhält. Wären öffentliche Apotheken berechtigt, Arzneimittel für den Krankenhausbedarf zu verkaufen, würde das Preisgefüge zwischen den Beteiligten in verschiedener Hinsicht gestört, so das Gericht.
Nicht nur das von der Rechtsordnung anerkannte Krankenhausprivileg sei durch ein solches Verhalten gefährdet, auch in den Wettbewerb der öffentlichen Apotheken untereinander werde eingegriffen. Letzteres sei selbst dann der Fall, wenn der Apotheker die Preisvorteile an den Patienten weitergibt. Auch so werde die Wettbewerbssituation der übrigen Apotheker, die Arzneimittel über den Großhandel beziehen und an gesetzlich festgeschriebene Spannen gebunden sind, beeinflusst.
Dies würde zugleich dem gesetzgeberischen Ziel von einheitlichen Endverkaufspreisen zuwiderlaufen. Daher führe der Weiterverkauf von Klinikpackungen außerhalb des Krankenhauses unter Verstoß gegen § 14 Abs. 4, 5 ApoG zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Arzneimittelmarkt.
Beschuldigte handelte in vorwerfbarer Weise
Im vorliegenden Fall sah es das Berufsgericht als erwiesen an, dass die beschuldigte Apothekerin in vorwerfbarer Weise in die Wettbewerbssituation eingegriffen habe. Aus den genannten Grundsätzen in Verbindung mit den sie ausprägenden Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung, des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung folge, dass über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 14 Abs. 4 ApoG hinaus auch öffentlichen Apotheken untersagt sei, Arzneimittel für den Krankenhausbedarf in einer in öffentlichen Apotheken nicht erhältlichen Packungsgröße und/oder zu einem entsprechend verbilligten Preis abzugeben. Dies gelte jedenfalls aus berufsrechtlichen Gründen, so die Richter.
Bei Unklarheiten Rücksprache halten
Zwar sind Verschreibungen vom Apotheker unverzüglich auszuführen, wobei die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen entsprechen müssen. Das Arzneimittel darf jedoch nicht abgegeben werden, wenn die Verschreibung einen erkennbaren Irrtum enthält oder sich sonstige Bedenken ergeben. Dies sieht § 17 Apothekenbetriebsordnung vor. Erst wenn die Unklarheiten beseitigt sind, ist der Apotheker berechtigt und verpflichtet, das Medikament unverzüglich abzugeben.
Aufklärungspflicht geht Abgabepflicht vor
Im zu entscheidenden Fall schien nach Auffassung der Berufsrichter ein Irrtum des Arztes naheliegend. Da der verschreibende Arzt sogar im selben Haus praktizierte, wäre es nicht allzu zeitverzögernd gewesen, Rücksprache zu halten. Selbst wenn kein Irrtum vorliegt, ist ein Apotheker in einem solchen Fall zur Rücksprache wegen "sonstiger Bedenken" verpflichtet. Die beschuldigte Apothekerin befand sich nach Ansicht des Gerichts auch nicht in einer Pflichtkollision. Die Aufklärungspflicht geht der Pflicht zur unverzüglichen Abgabe des Arzneimittels vor.
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