Arzneimittel und Therapie

Hyperaktivitätsstörung: Methylphenidat und Verhaltenstherapie haben Erfolg

Hyperkinetische Verhaltensauffälligkeiten zählen zu den häufigsten Vorstellungsanlässen bei Kinderpsychiatern und Psychotherapeuten. Wesentliche Symptome sind Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität und Hyperaktivität.

Das 1845 erstmals von dem Frankfurter Psychiater Heinrich Hoffmann beschriebene komplexe Verhalten eines hyperkinetischen Kindes als "Zappelphilipp" wird heute nach DSM-IV als ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung) und nach ICD-10 als hyperkinetische Störung bzw. als einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung bezeichnet. Aufgrund der vielfältigen Lebens- und Funktionsbereiche, die bei Kindern mit ADHS beeinträchtigt sind, zeigt ein isolierter Behandlungsansatz nicht den gewünschten Effekt.

Moderne Behandlungsrichtlinien fordern daher ein multimodales Konzept unter Einbeziehung von Psychotherapie und Psychostimulanzien, wie die Firma Medice berichtete. Eine multimodale Therapie und die Auswahl der Interventionsmöglichkeiten muss darauf ausgerichtet sein, dass die Therapie dort wirksam wird, wo die Probleme auftreten - in der Familie, in der Schule, bei den Aufmerksamkeitsdefiziten, der Impulsivität, der Hyperaktivität oder der Aggressivität.

Aufklärung und Beratung

Grundlage jeder therapeutischen Maßnahme ist die Aufklärung und Beratung der Eltern und des Kindes in altersangemessener Form. Dabei werden Störungsbild, Diagnose, Ursache und die möglichen Behandlungsstrategien genannt. Die Beratung der Eltern bezieht sich auf Regeln im Umgang mit dem Kind und berücksichtigt dabei auch andere familiäre Belastungen, z. B. Partnerschaftsprobleme.

Interventionen

Psychostimulanzien sind dann angezeigt, wenn eine ausgeprägte hyperkinetische Symptomatik (in Familie, Schule und in der ärztlichen Praxis beobachtet) besteht, unter der sich eine Krise in der Schule und/oder der Familie entwickelt hat. Ferner sollte keine Kontraindikation für eine Stimulanzientherapie vorliegen.

Krisenhafte Eskalationen zeigen sich darin, dass ein Verbleib des Kindes in der Schule infrage gestellt werden muss. Die Symptome sind so massiv ausgeprägt, dass die Situation von der Klassenleitung nicht mehr zu bewältigen ist. In der Familie wird das Erledigen der Hausaufgaben zur Qual und mit großem Aufwand betrieben. Solche Situationen erfordern daher eine möglichst rasche Symptomminderung, die durch Gabe von Psychostimulanzien am ehesten erreicht werden kann. Verhaltenstherapeutische Interventionen sind mit Zeitverzögerungen verbunden und bei massiven Störungen schwer zu erzielen.

Multimodales Management

Hyperaktivitäts-Störungen erfordern eine intensive und differenzierte Diagnose. Der Einsatz von Psychostimulanzien ist dabei nur einer von mehreren Bausteinen im so genannten multimodalen Therapiekonzept, von dem ein nachhaltiger Erfolg zu erwarten ist. Das Konzept setzt aber zwingend auf eine enge Kooperation zwischen Eltern, Pädagogen und Kinder- bzw. Jugendpsychiatern, Pädiatern, Psychologen.

Die Behandlungsrichtlinien empfehlen in erster Linie Elterntraining, flankierende Maßnahmen und Förderung in speziellen Vorschuleinrichtungen. Eine Pharmakotherapie ist dann angezeigt, wenn diese Interventionen ohne Erfolg bleiben. Dann ist die Kombination mit einem Psychostimulanz angezeigt.

Stimulanzien - ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts

Für die Pharmakotherapie von Hyperaktivitäts-Störungen stehen drei Wirkstoffgruppen zur Verfügung: Psychostimulanzien, Antidepressiva und Neuroleptika. Das Psychostimulanz Methylphenidat hat sich bisher weitaus am effektivsten gezeigt. Etwa 70 bis 85 Prozent der Kinder über fünf Jahre sprechen auf die Behandlung mit Methylphenidat an. Bei jüngeren Kindern liegt die Responder-Rate vermutlich niedriger.

Methylphenidat erhöht die Verfügbarkeit der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt. Gleichzeitig stimuliert es die Ausschüttung der beiden Neurotransmitter aus den präsynaptischen Vesikeln. Dabei wird insbesondere der Transport von Dopamin gehemmt und somit der Reuptake in die Nervenendigungen verringert.

Individuell titrieren

Methylphenidat passiert rasch die Blut-Liquor-Schranke. Maximale Plasmaspiegel werden in circa 90 bis 180 Minuten erreicht, die klinische Wirkung setzt bereits nach 30 Minuten ein und kann bis vier Stunden anhalten. Bei der Ersteinstellung mit Methylphenidat muss stets - in Abhängigkeit vom Körpergewicht des Patienten - eine individuelle Titration erfolgen. Die Steigerung der Dosierung erfolgt dabei in der Regel in Schritten von 2,5 mg. Als Nebenwirkungen können vorwiegend leichte Durchschlafstörungen und eine Verminderung des Appetits auftreten. Einige Kinder reagieren anfangs mit Bauch- und Kopfschmerzen, die jedoch im Verlauf der Behandlung verschwinden.

Da sich die Therapie mit Methylphenidat derzeit als die einzige First-line-Interventionsmöglichkeit anbietet, grenzt ihr Nichtbeachten nach den bisher vorliegenden Befunden an einen Kunstfehler, wenn alternative Therapien sich als nicht erfolgreich erweisen.

Hyperkinetische Verhaltensauffälligkeiten zählen zu den häufigsten Störungen, mit denen Kinder bei Psychiatern und Psychotherapeuten vorgestellt werden. Wesentliche Symptome sind Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität. Der Einsatz von Methylphenidat und eine Verhaltenstherapie sind dabei Bausteine eines Therapiekonzeptes.

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