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Berichte
AK Berlin: Fortbildung über Herz- und Kreislauferkrankungen
Fettstoffwechselstörungen
Dr. Anja Vogt, die am Evangelischen Geriatriezentrum Berlin in der Ambulanz für Fettstoffwechselstörungen tätig ist, referierte über das Thema Fettstoffwechselstörungen. Die Hypercholesterinämie (LDL) zählt neben Nicotinabusus, Bewegungsmangel, Übergewicht und Diabetes mellitus zu den kardiovaskulären Risikofaktoren. Ein Sonderfall der Fettstoffwechselstörungen ist die familiäre Hypercholesterinämie, die durch einen LDL-Rezeptor-Defekt hervorgerufen werden kann.
Zur Diagnose dienen Eigenanamnese, Familienanamnese, körperliche Untersuchung, Laborwerte und, wenn notwendig, eine Duplexsonographie der Carotiden, um bereits vorhandene Plaques festzustellen. Zielwerte für Lipidparameter sind:
- Gesamtcholesterin < 200,
- Triglyceride < 200,
- HDL > 40,
- LDL < 150 (bei Risikofaktoren < 100).
Die Therapie beinhaltet Nicotinabstinenz, Gewichtsreduktion, Ausdauersport (auf das entsprechende Alter abgestimmt), Medikamente und eine Umstellung der Ernährung. Bei der Ernährung ist auf regelmäßige Mahlzeiten mit vielen Ballaststoffen zu achten. Die Fettzufuhr im Allgemeinen und der Anteil von gesättigten Fettsäuren sollten reduziert werden. Durch die Ernährungsänderung kann allerdings nur eine 10- bis 15%ige Senkung des LDL erreicht werden kann. Zur Medikation stehen Präparate folgender Stoffklassen zur Verfügung:
- Anionenaustauscherharze,
- CSE-Hemmer,
- Fibrate,
- Nicotinsäurepräparate und
- Fischölpräparate.
Bei Patienten, deren LDL-Wert trotz optimaler medikamentöser Behandlung nicht ausreichend sinkt, ist die Lipid-Apherese angezeigt.
Therapie der koronaren Herzkrankheit
Priv.-Doz. Dr. Peter-Lothar Schwimmbeck, Leitender Oberarzt der Medizinischen Klinik II (Kardiologie/Pulmologie) am Universitätsklinikum Benjamin Franklin, stellte die koronare Herzkrankheit (KHK) als ein sehr großes therapeutisches, soziales und ökonomisches Problem in den entwickelten Ländern dar. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sterben ca. 180000 Patienten pro Jahr an den Folgen eines Myokardinfarktes.
Ziel einer Behandlung ist es, möglichst die Entstehung von Plaques zu verhindern, zumindest aber eine Anlagerung von Thromben im Bereich von Läsionen und somit einen Gefäßverschluss zu vermeiden. Die Primärprävention der KHK mit Thrombozytenaggregationshemmern ist nach heutiger Studienlage bei Risiko-Patienten (z.B. mit Diabetes mellitus) angezeigt, während sie bei Patienten ohne Risikofaktoren wegen der Gefahr möglicher Nebenwirkungen (gastrointestinale Blutungen) nicht sinnvoll erscheint.
Zur Behandlung des akuten Koronarsyndroms stehen neben den Heparinen vor allem GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten wie Abciximab, Tirofiban und Eptifibatid zur Verfügung. Diese Substanzen müssen intravenös verabreicht werden. Daneben werden zur Thrombozytenaggregationshemmung vor allem Acetylsalicylsäure und Thienopyridine (Hemmer des thrombozytären ADP-Rezeptors) wie Ticlopidin und Clopidogrel verwendet. Letztere sind besonders bei einer Stent-Implantation wichtig, um eine ungestörte Endothelisierung zu gewährleisten.
Bei der Sekundärprävention der KHK steht die Acetylsalicylsäure im Vordergrund. Nur bei magenempfindlichen Patienten sowie bei Patienten mit besonderer Risikokonstellation sollte auf die Thienopyridine übergewechselt werden. Eine Therapie mit Cumarin-Derivaten ist dagegen nur bei großen Vorderwandinfarkten, intrakardialen Thromben und größeren Aneurysmen mit Thrombenbildung notwendig.
Therapie der chronischen Herzinsuffizienz
Prof. Dr. Osterziel, Oberarzt am Universitätsklinikum der Charité, informierte über die Therapie der chronischen Herzinsuffizienz, einer Erkrankung des höheren Lebensalters, an der 1 bis 2% der Bevölkerung leiden und deren Zahl ständig zunimmt. Die Therapieansätze zielen sowohl auf die Verlängerung des Lebens als auch auf die Verbesserung der Lebensqualität.
Galten Betablocker lange Zeit bei chronischer Herzinsuffizienz als kontraindiziert, so gehören sie heute, besonders wegen der Senkung des Risikos eines plötzlichen Herztods, neben den ACE-Hemmern, AT-Blockern und Aldosteron-Antagonisten zur medikamentösen Standardtherapie. Vorteile ihrer Anwendung existieren bei jedem Schweregrad und unabhängig von der Ätiologie der Herzinsuffizienz.
Zur symptomatischen Besserung tragen Diuretika bei, die oft auch mit den genannten Arzneimittelgruppen kombiniert werden. Die Bedeutung der Digitalisglykoside ist in den letzten Jahren zurückgegangen, weil sie die Mortalität nicht beeinflussen und die Herzfrequenz unter Belastung nur unzureichend kontrollieren. Sollten allerdings Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz gleichzeitig auftreten, wird die Therapie mit Digitalisglykosiden empfohlen, z.B. in Kombination mit einem Betablocker. Calciumantagonisten werden bei Herzinsuffizienz nicht mehr empfohlen. Um das Risiko von Schlaganfällen bei herzinsuffizienten Patienten, bei denen außerdem Vorhofflimmern diagnostiziert wurde, zu minimieren, ist die Einnahme von Antikoagulanzien angezeigt.
Die medikamentöse Therapie sollte immer durch nicht-medikamentöse Maßnahmen wie z.B. Reduktion von Übergewicht durch diätetische Ernährung, Minderung des Kochsalzkonsums, der Trinkmenge und Minimierung des Alkoholkonsums unterstützt werden. Selbstverständlich in diesem Zusammenhang ist die optimale Therapie von Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie und Hypercholesterinämie. Endothelin-Antagonisten, die Hemmung des TNF-alfa und die Gabe von Immunglobulinen werden als neue Wege zur Behandlung der Herzinsuffizienz diskutiert.
Pharmakogenetik und arterielle Hypertonie
Die arterielle Hypertonie ist, wie Priv.-Doz. Dr. Reinhold Kreutz, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Benjamin Franklin, ausführte, eine der häufigsten multifaktoriellen, polygenen kardiovaskulären Grunderkrankungen weltweit. Von der Molekularbiologie erwartet man wesentliche Fortschritte für die Therapie. Mithilfe der Pharmakogenetik, die die genetischen Prädispositionen des Arzneimittelmetabolismus erforscht, soll es in Zukunft möglich sein, individualisierte Therapiekonzepte zur Behandlung der primären Hypertonie zu erstellen. Ein analoges Beispiel ist die Therapie des Mammakarzinoms mit Herceptin bei einer bestimmten, genetisch prädisponierten Gruppe von Patientinnen.
Nach den neuen Hypertonie-Leitlinien der WHO definiert sich ein moderater Bluthochdruck ab systolisch 140 und/oder diastolisch 90 mm Hg. Zur medikamentösen Behandlung werden anhand eines Stufenplans ACE-Hemmer, Betablocker, Ca-Kanal-Blocker und Diuretika eingesetzt. Dagegen werden in der so genannten First-line-Therapie in den USA nur Betablocker und Diuretika herangezogen.
Das Therapieziel des normalen Blutdrucks wird leider nur bei 20% aller behandelten Hypertoniker erreicht. Die Rate der Therapieabbrüche oder -wechsler (wegen Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit) liegt bei durchschnittlich 60% innerhalb von 6 Monaten. Die Patienten durchleben also häufig eine Odyssee von Medikamentenwechsel und Kombinationstherapien. Dem Arzt und Patienten stehen jedoch keine Alternativen zur Verfügung, weil durch Laborparameter und Pathophysiologie der einzelnen Patienten bisher keine Vorhersage auf das Ansprechen einer Therapie möglich ist.
Hier will in Zukunft die Pharmakogenetik ansetzen: Wenn das genetische Profil des Patienten bekannt ist, kann eine Vorhersage über die Wirkung der verschiedenen Arzneimittel gemacht werden. Dadurch würden die Anzahl der monotherapierten Hypertoniker und die Compliance steigen, die Anzahl der verordneten Medikamente und die Folgeerkrankungen sinken und Kosten gespart.
Alles in allem war der diesjährige, nunmehr fünfte Fortbildungstag der Apothekerkammer Berlin wegen der aktuellen und spannenden Themen und der hervorragenden Referenten wieder ein voller Erfolg. Der Fortbildungsausschuss bedankt sich bei allen Referenten, bei Jutta Helmold-Koch von der Geschäftsstelle der Apothekerkammer Berlin und bei Ira Seidel sowie bei allen anderen, die zum Gelingen dieses Fortbildungstages beigetragen haben.
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