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Arzneimittel und Therapie
Empfängnisverhütung: Neue Mikropille mit Drospirenon
Moderne Mikropillen unterscheiden sich heute in erster Linie hinsichtlich der Gestagenkomponente, während Ethinylestradiol nach wie vor das Östrogen der Wahl ist. Im Wesentlichen unterschied man bisher zwei Gestagengruppen, nämlich die der 19-Nortestosteron-Derivate und die 17α-Hydroxyprogesteron-Abkömmlinge, deren wesentliche gemeinsame Merkmale die ovulationshemmende Wirkung sowie die Fähigkeit zur Transformation eines proliferierten Endometriums sind, während sie sich hinsichtlich des Partialwirkungsprofils sowohl untereinander als auch gegenüber dem natürlichen Gestagen, dem Progesteron, unterscheiden.
Estrogeninduzierte Wassereinlagerungen
Eine Vielzahl von Beschwerden, die Patientinnen und Gynäkologen unter der Einnahme herkömmlicher oraler Kontrazeptiva als Folge estrogeninduzierter Wassereinlagerungen immer wieder beobachten, sind auf das in oralen Kontrazeptiva als Estrogenkomponente enthaltene Ethinylestradiol zurückzuführen. Der Versuch, diese Problematik durch immer weitere Dosisreduktion der Ethinylestradioldosis zu limitieren, stößt jedoch an seine Grenzen, sofern man nicht bereit ist, als Folge einer weiteren Dosisreduzierung das vermehrte Auftreten von azyklischen Blutungen in Kauf zu nehmen. Da andererseits durch die gestageninduzierte Ovulationshemmung die Bildung des natürlichen Antimineralocorticoids Progesteron im Ovar supprimiert wird, fehlt dem Körper ein wirksamer Gegenspieler des Estrogens.
Milde antimineralocorticoide Wirkung
Der Vergleich der Partialwirkungen verschiedener Gestagene zeigt, dass Drospirenon derzeit das einzige synthetische Gestagen ist, das dem natürlichen Progesteron vergleichbare Eigenschaften aufweist. Drospirenon ist wie Spironolacton ein Derivat des 17α-Spirolactons. Im Gegensatz zu Spironolacton besitzt Drospirenon in der in Yasmin enthaltenen Dosierung von 3 mg jedoch nur eine milde antimineralocorticoide Wirkung, die mit der des natürlichen Progesterons vergleichbar ist, sodass eine milde natriuretische Wirkung ohne Alteration der Elektrolytbilanz resultiert.
Natrium ist das wichtigste extrazelluläre Kation des Körpers und bestimmt als solches maßgeblich das Volumen des extrazellulären Raumes. Rund 25000 mmol Natriumionen werden täglich von beiden Nieren filtriert und davon wiederum ca. 24000 mmol im proximalen Tubulus und in der Henle-Schleife rückresorbiert. Wie viel von den verbleibenden 1000 mmol Natriumionen im Endharn ausgeschieden werden, unterliegt der Kontrolle des Mineralocorticoids Aldosteron. Dieses kann - z. B. ausgelöst durch eine über das Ethinylestradiol induzierte Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems - eine vermehrte Wassereinlagerung fördern. Die daraus resultierende Vergrößerung des interstitiellen Volumens führt dann zu Ödemen. Drospirenon antagonisiert die als Folge der estrogeninduzierten Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems bestehende Tendenz zur vermehrten Wassereinlagerung, indem es die Wirkung von Aldosteron auf Rezeptorebene blockiert.
Antiandrogene Eigenschaften
Erhöhte Serumspiegel frei zirkulierender Androgene oder eine erhöhte Aktivität an Androgenrezeptoren der Haut und Hautanhangsgebilde äußern sich nicht selten in kosmetisch störenden Nebenwirkungen wie dem androgenbedingten Effluvium, einer Seborrhö und verschiedenen Ausprägungsgraden einer Akne.
Drospirenon verfügt über eine milde antiandrogene Wirkung, die etwas stärker als bei Chlormadinonacetat und leicht schwächer als bei Dienogest ausgeprägt ist. Des Weiteren antagonisiert Drospirenon, im Gegensatz zu den meisten 19-Nortestosteron-Derivaten, nicht den estrogeninduzierten Anstieg der Serumspiegel des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG). Die damit einhergehende vermehrte Bindung freier Androgene an das SHBG bleibt somit erhalten. Das heißt, der Serumspiegel der freien Androgene wird gesenkt und damit auch die Konzentration freier Androgene am Rezeptor von Haut und Hautanhangsorganen wie Haare und Talgdrüsen.
Kontrazeptive Sicherheit und Zyklusstabilität
Im Rahmen umfangreicher klinischer Studien wurden insgesamt rund 30000 Zyklen ausgewertet. Dabei ergab sich eine sehr gute kontrazeptive Sicherheit, die sich in einem korrigierten Pearl-Index von 0,09 widerspiegelt. Unter der Anwendung von Yasmin ergibt sich eine hohe Zyklusstabilität. Annähernd 80% der Patientinnen waren bereits im ersten Zyklus frei von Zwischenblutungen. Dieser Anteil erhöhte sich in den folgenden beiden Zyklen auf 80 bis 90% und blieb danach stets bei über 90%. Schmierblutungen wurden lediglich in 6 bis 7% und Durchbruchblutungen sogar nur in 0,5% der Zyklen beobachtet. Ein Ausbleiben der Monatsblutung wurde in lediglich 1,2% der Zyklen festgestellt.
Wenig Auswirkungen auf den Stoffwechsel
Wie auch von anderen oralen Kontrazeptiva bekannt, findet man unter der Anwendung von Yasmin einen leichten Anstieg der Triglyceridwerte, der auf die Östrogenkomponente Ethinylestradiol zurückzuführen ist. Die daraus resultierenden Triglyceridserumwerte bewegten sich jedoch im Normbereich. Der Einfluss auf die LDL-Cholesterinspiegel ist neutral, während der leichte Anstieg des HDL-Cholesterins bzw. des Verhältnisses von HDL zu LDL unter kardiovaskulären Aspekten sogar als günstig interpretiert werden kann. Des Weiteren blieb die Glucosetoleranz und auch die hämostatische Balance unverändert.
Im Gegensatz zu herkömmlichen oralen Kontrazeptiva, bei denen als Folge einer östrogeninduzierten Stimulierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems mitunter ein leichter Anstieg des Blutdrucks zu verzeichnen ist, konnten unter der Anwendung von Yasmin® konstante diastolische und systolische Blutdruckwerte jeweils über den gesamten Studienverlauf gemessen werden. Dennoch müssen bei der Anwendung von Yasmin die üblichen Kontraindikationen bei Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren, zum Beispiel ein erhöhtes Thromboserisiko, beachtet werden.
Akne und prämenstruelle Beschwerden bessern sich
Die antiandrogenen Eigenschaften von Drospirenon lassen einen günstigen Einfluss auf androgenbedingte Stigmata der Haut erwarten. Entsprechend konnte auch in einer randomisierten Studie, an der Frauen mit einer bekannten Seborrhö oder leichter bis mittelschwerer Akne über neun Zyklen teilnahmen, eine kontinuierliche Abnahme der Akneläsionen sowie ein deutlicher Rückgang der Sebumproduktion beobachtet werden.
Zahlreiche prämenstruelle Beschwerden, wie Brustspannen oder Ödeme der Extremitäten, lassen sich häufig auf eine estrogeninduzierte vermehrte Wassereinlagerung zurückführen. Basierend auf der aus der antimineralocorticoiden Wirkung von Drospirenon resultierenden milden natriuretischen Wirkung, konnte bei zahlreichen Patientinnen im Rahmen klinischer Studien mit Yasmin eine Besserung präexistenter prämenstrueller Beschwerden registriert werden.
In einer Studie mit 57 Frauen wurden die Einflüsse von Yasmin auf den COPE-Score (COPE: Calendar of premenstrual experiences), über den eine breite Palette an Symptomen erfasst wird, bewertet. Unter Yasmin ergab sich eine deutliche Besserung der Beschwerden, die sich in einem deutlich niedrigeren COPE-Score im Vergleich zur Kontrollgruppe widerspiegelte. Auch in einer weiteren Studie, an der 326 Frauen teilnahmen, konnte durch eine Befragung anhand des Menstrual Distress Questionaires ein signifikant positiver Effekt auf verschiedene prämenstruelle Beschwerden festgestellt werden.
Angst vor Gewichtszunahme
Nach wie vor sind zahlreiche Patientinnen davon überzeugt, dass unter einer oralen Kontrazeption mit einer Gewichtszunahme zu rechnen ist, wie einer kürzlich durchgeführten repräsentativen Umfrage des EMNID-Institutes unter Frauen im Alter zwischen 14 und 44 Jahren zu entnehmen ist. Demnach glaubt mehr als jede zweite Frau (56%), dass die Einnahme eines oralen Kontrazeptivums eine Gewichtszunahme zur Folge hat. Diese Angst hat häufig nicht nur eine mangelnde Compliance zur Folge, sondern hält zahlreiche Frauen davon ab, eine orale Kontrazeption anzuwenden, wie in derselben Befragung zum Ausdruck kam. Demnach hat bei 58% der befragten Frauen, die keine oralen Kontrazeptiva anwendeten, die Furcht vor einer Gewichtszunahme eine Rolle bei der Entscheidung gegen diese Form der Kontrazeption gespielt.
Moderne Mikropillen können jedoch weder für eine vermehrte Kalorienaufnahme noch für eine verstärkte Anlagerung von Fettgewebe verantwortlich gemacht werden. Unter der Anwendung von Yasmin konnte nach Aussage von Schering in umfangreichen klinischen Studien sogar eine geringe durchschnittliche Gewichtsabnahme von 0,78 kg registriert werden. Dieser Effekt kam bereits unmittelbar in der Einstellungsphase zum Tragen und hielt auch im weiteren Verlauf an. Demgegenüber trat bei dem desogestrelhaltigen Vergleichspräparat eine kontinuierliche Gewichtszunahme auf, die im Therapieverlauf über 24 Monate hinweg auch in einer kontinuierlich größeren relativen Gewichtsveränderung zwischen Yasmin und dem desogestrelhaltigen Referenzpräparat zum Ausdruck kam.
Literatur Fuhrmann, U., R. Krattenmacher, E. P. Slater, et al.: The novel progestin drospirenone and its natural counterpart progesterone: biochemical profile and antiandrogenic potential. Contraception 54, 243-251 (1996). Oelkers, W. K. H.: Effects of estrogens and progestogens on the renin-aldosterone system and blood pressure. Steroids 61, 166-171 (1996). Rosenbaum, P., W. Schmidt, F. M. Helmerhorst, et al.: Inhibition of ovulation by a novel progestogen (drospirenone) alone or in combination with ethinylestradiol. Eur. J. Contracept. Reprod. Health Care 5, 16-24 (2000). Foidart, J.-M., W. Wuttke, G. M. Bouw, et al.: A comparative investigation of contraceptive reliability, cycle control and tolerance of two monophasic oral contraceptives containing either drospirenone or desogestrel. Eur. J. Contracept. Reprod. Health Care 5, 124-134 (2000).
Das neue Gestagen Drospirenon, ein Derivat des 17-alpha-Spirolactons, ist in einer Dosierung von 3 mg als Gestagenkomponente in dem neuen oralen Kontrazeptivum Yasmin enthalten, das am 15. November nach einer Information von Schering zuerst in Deutschland und wenig später in weiteren europäischen Ländern sowie der USA eingeführt wird. Drospirenon soll über eine dem natürlichen Progesteron vergleichbare milde natriuretische bzw. wasserausschwemmende Wirkung verfügen. Damit können östrogeninduzierte Wassereinlagerungen wieder ausgeglichen werden.
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