- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 51/1999
- Thalidomid: Eine Substanz...
Arzneimittel und Therapie
Thalidomid: Eine Substanz kehrt zurück
Neben der teratogenen Wirkung sind heute weitere unerwünschte Wirkungen wie Schwindel, periphere Neuropathie, Überempfindlichkeit (häufig mit Fieber), Tachykardie, Hypertension, Somnolenz und Bradykardie benannt.
Die Substanz wird in Dosierungen von 100 bis 300 mg täglich bis zum Ansprechen der Therapie (ca. zwei Wochen) verabreicht. Die Dosierung wird dann über zwei bis vier Wochen um jeweils 50 mg reduziert. Die Verschreibung darf ausschließlich durch nach dem so genannten S.T.E.P.S. (System for Thalidomide Education and Prescrebing Safety) registrierte Ärzte erfolgen. Für die Abgabe an den Patienten muss sich die Apotheke über dasselbe System registrieren lassen. Es darf jeweils nur die für vier Wochen benötigte Arzneimittelmenge auf ein maximal sieben Tage altes Rezept abgegeben werden. Patienten, die mit Thalidomid behandelt werden sollen, müssen eine in 14 Sprachen zur Verfügung stehende Erklärung unterzeichnen, dass sie vom Arzt ausreichend über die Wirkung und Nebenwirkungen von Thalidomid informiert worden sind. Sowohl Frauen als auch Männer müssen diese Erklärung unterzeichnen, da nicht sicher auszuschließen ist, dass Thalidomid im Ejakulat nachzuweisen ist.
In Deutschland stellt die Grünenthal GmbH unter dem Namen Thalidomid "Grünenthal" 100 eine Packung mit 100 Tabletten zu 100 mg Thalidomid für die Indikation Erythema nodosum leprosum Ärzten auf Einzelanforderung zur Verfügung. Die Belieferung erfolgt über eine Apotheke. Der Packung liegt eine Gebrauchsanweisung in deutsch, englisch und spanisch bei. Es werden Hinweise auf die Möglichkeit schwerer Missbildungen in der Frühschwangerschaft ebenso wie Hinweise auf unerwünschte Wirkungen sowie auf Wechselwirkungen mit anderen Mitteln gegeben. Ein Hinweis fehlt, dass bei Männern nicht auszuschließen ist, dass Thalidomid im Ejakulat nachweisbar sein könnte und daher beim Geschlechtsverkehr entsprechende Vorsicht geboten ist. Es handelt sich um ein nicht zugelassenes Arzneimittel.
Immunmodulatorische Wirkung
Thalidomid ist eine immunmodulatorisch wirksame Substanz. Der gesamte Wirkungsmechanismus ist noch nicht geklärt. Der immunologische Effekt der Substanz wird durch eine Reduktion von Tumornekrosefaktora (TNF-α) durch Eingriff in die messenger RNA erreicht. Damit unterscheidet sich Thalidomid im Angriffspunkt von Cortison, das ebenfalls TNF-α reduziert.
Einsatz bei Krebserkrankungen
In mehreren Phase-I/II-Studien ist Thalidomid bei onkologischen Erkrankungen geprüft worden. Patienten mit therapierefraktärem Glioblastoma multiforme erhielten bei sechs Zyklen Carboplatin Thalidomid in einer anfänglichen Dosis von 100 mg/m². Diese wurde auf die von den Patienten maximal tolerierte Dosis von 300 mg/m² gesteigert. Thalidomid wurde kontinuierlich bis zum Wiederauftreten der Erkrankung verabreicht.
Die maximale Dosierung wurde von 64 Patienten vertragen. Von diesen konnten 46 behandelt werden. 33 Patienten sprachen auf die Therapie nicht an. Die mittlere Überlebensrate betrug 40 Prozent, die mittlere Ansprechzeit bis zum erneuten Ausbruch der Erkrankung betrug 24 Wochen.
In weiteren Studien wurde Thalidomid als Palliativum in einer Dosierung von 100 mg/m² bei Ovarialkarzinom (19 Patientinnen), bei Nierenzellkarziom (18 Patientinnen), bei Melanom (17 Patientinnen) und bei Brustkrebs (12 Patientinnen) eingesetzt. Lediglich drei Patienten mit Nierenzellkarzinom zeigten ein partielles Ansprechen. Bei den Brustkrebspatientinnen konnte keine Stabilisierung der Erkrankung erreicht werden. Dagegen konnte beim Ovarialkarzinom, Nierenzellkarzinom und bei Melanompatienten in 5%, 17% und 6% der behandelten Patienten ein Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden.
In einer dritten Studie erhielten zehn Patienten mit einem Gliom bis zu 1200 mg Thalidomid täglich. In einem Fall konnte eine komplette Remission erreicht werden. Insgesamt kann festgestellt werden, dass Thalidomid bei bestimmten onkologischen Erkrankungen palliativ wirksam zu sein scheint. Die optimal verträgliche Dosis liegt bei 400 bis 500 mg täglich. Weitere Studien müssen abgewartet werden.
Quelle
Vorträge im Rahmen des Chemotherapy Foundation Symposium XVII, Innovative Cancer Therapy for Tomorrow, New York/USA, 3. bis 6.November 1999.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.