Arzneimittel und Therapie

COX-2-Inhibitoren: Besser als herkömmliche NSAR?

Die beiden COX-2-Hemmer Rofecoxib (Vioxx®) und Celecoxib (Celebra®, noch nicht im Handel) werden als die Lösung für die gastrointestinalen Nebenwirkungen der bisher eingesetzten nicht- steroidalen Antirheumatika (NSAR) angepriesen. Wir unterhielten uns mit Prof. Dr. Dr. Kay Brune, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universität Erlangen-Nürnberg, über den Nutzen und die möglichen Risiken dieser neuen Stoffklasse.

?

In den bisherigen Studien wurden sehr hohe Dosen von Diclofenac (dreimal täglich 50 mg) oder Ibuprofen (dreimal täglich 800 mg) zum Vergleich mit den neuen COX-2-Hemmern eingesetzt. Vergleiche mit niedrigerer, angemessener Dosierung und mit Paracetamol fehlen. Wie aussagefähig sind die Studiendaten?

Brune:

Auch von den beiden neuen selektiven COX-2-Hemmern sind hohe therapeutische Dosen eingesetzt worden. Diclofenac ist in den auch in Deutschland üblichen Dosierungen von bis zu 150 mg/Tag getestet worden. Bei Ibuprofen reichen pro Tag 1200 mg aus, wenn man die analgetische Wirkung haben will, und in der Vergleichsstudie sind 2400 mg verwendet worden. Bei der niedrigen Dosierung ist der antiphlogistische Ibuprofeneffekt deutlich geringer. Auf der anderen Seite ging es hier in diesem Stadium quasi um einen "Proof of Principal", das heißt in höchster Dosierung blieben beim Celecoxib und beim Rofecoxib die gastrointestinalen ernsthaften Probleme auf dem Niveau des Plazebos, während diejenigen der klassischen Substanzen ausnahmslos oberhalb des Plazeboniveaus waren.

?

Und dennoch sind auch unter Rofecoxib gastrointestinale Störungen aufgetreten, und die Warnungen davor sind auch in die Fachinformation aufgenommen worden. Wie lassen sich diese erklären?

Brune:

Große Studien haben gezeigt, dass auf 10000 Einwohner etwa ein Erwachsener in diesem Bereich der Welt pro Jahr eine lebensbedrohliche Magen-Darm-Ulzeration bekommt, auch wenn er nicht mit nichtsteroidalen Antirheumatika behandelt wird. Ungefähr in der gleichen Größenordnung liegen die beschriebenen Fälle nach Rofecoxib und Celecoxib. Wenn Sie bedenken, dass inzwischen etwa 16 Mio. Packungen in den Vereinigten Staaten, nicht ganz so viele in Europa, verkauft worden sind, kann es nicht ausbleiben, dass auch in der behandelten Gruppe Ulzerationen auftreten. Bisher entsprechen diese der auch bei Plazebo erwarteten Inzidenz.

?

Wie beurteilen Sie die Fälle von schweren thromboembolischen Zwischenfällen und intestinalen Blutungen, die unter Celecoxib in den USA aufgetreten sind?

Brune:

Verschiedene Wissenschaftler befürchten, dass die Inzidenz von thromboembolischen Prozessen durch die neuen Wirkstoffe erhöht wird. In der Tat gibt es nach den ersten vier Monaten Celecoxib in den USA insgesamt etwa acht Infarkte. Das waren aber eher weniger, als bei der Anzahl der behandelten Patienten statistisch zu erwarten gewesen wäre. Natürlich gibt es, wenn man diese Substanzen einnimmt, Magen-Darm-Beschwerden, es treten Infarkte auf, es treten Tumoren auf. Hier besteht nach unserem derzeitigen Wissen kein Kausalzusammenhang. Es kommt aber auch - und hier besteht Kausalität - vermehrt zu Nierenfunktionsstörungen. Die neuen Substanzen sind keine Allheilmittel ohne unerwünschte Wirkungen, aber zwei theoretische Anforderungen sind erfüllt: Sie wirken analgetisch und antiphlogistisch, und sie haben gastrointestinal keine schwereren Nebenwirkungen.

?

Zugelassen ist Rofecoxib nur zur symptomatischen Schmerzlinderung bei Arthrose. Wie wirksam ist Rofecoxib denn als Entzündungshemmer, ist eine antientzündliche Wirkung belegt?

Brune:

Die Zulassung ist zunächst einmal für die am besten dokumentierte Indikation erfolgt, und das sind Schmerzen bei aktivierter Arthrose und verwandte Schmerzzustände. Nach den Unterlagen, die für Celecoxib vorliegen, ist auch eine antiphlogistische Wirkung zumindest für diesen Wirkstoff in den USA belegt und zugelassen, für Rofecoxib gibt es ein Zulassungsdossier in den Vereinigten Staaten, das auch für diesen Wirkstoff glaubt, den Beweis erbracht zu haben. Dieses endgültig zu beurteilen, wird Aufgabe unserer Behörden sein.

?

Welche möglichen Nebenwirkungen, z.B. an den Nieren oder im Gehirn, können als Folge der COX-2-Hemmung entstehen, welche sind bekannt?

Brune:

auch mit einer leichten Sorge. Natürlich ist die Cyclooxygenase 2 nicht nur dann aktiv, wenn Gewebeschäden, Entzündung und Schmerz auftreten, sondern wir haben dieses Enzym im ganzen Nervensystem, wir haben es in der Niere, wir haben es im Urogenitalapparat, vor allem bei der Frau in den Tuben und Ovarien, und es spielt ja sicher eine Rolle. Wir wissen nicht, ob durch Hemmung dieses Enzyms über lange Zeit in Risikosituationen andere sehr seltene, aber wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten können. Das ist natürlich eine Frage, die man bei jeder Neuzulassung hat. Man kann nun die Ansicht vertreten, wenn man nur ein Enzym hemmt, dann ist das sicher besser, als wenn man beide Enzyme hemmt. Man kann aber auch befürchten, weil diese Enzymhemmung nicht zu evidenten Magen-Darm-Störungen führt, werden die neuen Substanzen vielleicht eher überverordnet oder übergebraucht, so dass daraus eben sehr seltene, aber gravierende Effekte entstehen können.

Sicher ist aber heute schon, dass das Vorhandensein einer Cyclooxygenase-2 in der Niere mit Wasser- und Salzzurückhaltungen in diesem Organsystem im Zusammenhang steht. Diese Nebenwirkung haben alle NSAR; aber die neuen haben sie eben auch; und auch diese hochinteressante Substanzgruppe liefert Schmerz- und Entzündungsreduktion nicht absolut ohne Probleme.

?

Sind weitere - erwünschte - Wirkungen der selektiven COX-2-Hemmer bekannt, die nicht mit dem analgetischen/antientzündlichen Wirkungsmechanismus zusammenhängen?

Brune:

In der Tat bestehen Hoffnungen, dass man diese Wirkstoffe verwenden kann, um die Metastasierung, beispielsweise von Darmkarzinomen und Brustkrebs, zwar nicht zu verhindern, aber um sie zu verzögern. Im Tierversuch sind die Tumoren kleiner und metastasieren später, und die Metastasen entwickeln sich langsamer. Es besteht also begründete Hoffnung, dass man COX-2-Hemmer als Komedikation bei humanen Karzinomen einsetzen kann. Ähnlich, wenn auch erheblich schlechter dokumentiert, ist die Situation bei der Alzheimer-Krankheit. Alle diese zusätzlichen Indikationen werden nur dann definitiv Wahrheit, wenn in der Tat diese selektiven Hemmer in großem Umfange ohne unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind und bleiben. Nur dann ist eine prophylaktische Anwendung und eine Komedikation wirklich gerechtfertigt.

!

Herr Professor Dr. Brune, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.