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Gesundheitsreform – das steht drin
Positivliste
Direkt ins Gesetz wird die Liste erstattungsfähiger Arzneimittel (Positivliste) aufgenommen. Eine neue Kommission erstellt sie als Vorschlagsliste, welche dann vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) als Verordnung erlassen wird. Dieser muss der Bundesrat zustimmen. "Unverzüglich" soll das Bundesgesundheitsministerium eine Fertigarzneimittelliste bekannt geben. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ist eine Zustimmung der Länder zur Positivlistenverordnung aber unwahrscheinlich.
Phytopharmaka, Homöopathika und Anthroposophika kommen in einen Anhang zur Liste, die Präparate gelangen in den Hauptteil, wenn sie die entsprechenden Standards erfüllen. Für die Liste wird die "Geeignetheit" der Medikamente gefordert, die Kriterien bei den besonderen Therapierichtungen sollen deren Besonderheiten berücksichtigen. Nicht auf die Aufstellung dürfen Präparate gegen geringfügige Gesundheitsstörungen; die, die für das Therapieziel oder zur Risikominderung nicht erforderliche Bestandteile enthalten oder deren Wirkung wegen der Vielzahl der Wirkstoffe nicht mit Sicherheit zu beurteilen ist.
Die Arzneimittel auf der Liste sollen nach Anwendungsgebieten und Stoffgruppen geordnet werden. Bis zum 30. Juni 2001 soll erstmals die Vorschlagsliste beschlossen werden. Zuvor müssen unter anderem die Apotheker dazu angehört werden. Ärzte dürfen Arzneimittel, die nicht verordnungsfähig zu Lasten der GKV sind, ausnahmsweise und mit Begründung verschreiben.
Wer die Liste baut
Es wird ein "Institut für die Arzneimittelverordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung" geschaffen. Es besteht aus einer Kommission und einer Geschäftsstelle. In der Kommission sitzen
- drei medizinische Sachverständige,
- zwei Experten der Pharmakologie und der klinischen Pharmakologie,
- ein Medizin-Statistiker,
- ein Sachverständiger der Phytopharmaka,
- ein Experte für Homöopathie und
- einer für die Anthroposophie.
Alle müssen entweder Medizin oder Pharmazie studiert haben. Sie arbeiten ehrenamtlich und unabhängig.
Budgets
Die Arznei- und Heilmittelbudgets laufen weiter. Dasselbe gilt für die übrigen Ausgabentöpfe für die Ärzte, Zahnärzte oder die Kliniken.
Importe
Die Abgabe importierter Arzneimittel nach Maßgabe des Rahmenvertrages zwischen Kassen und Deutschem Apothekerverband wird per Gesetz vorgeschrieben.
Apotheken-Verzeichnis
Der Deutsche Apothekerverband als Spitzenorganisation der Pharmazeuten muss den Krankenkassen bis zum 31. März 2000 ein bundeseinheitliches Verzeichnis über die Apotheken unentgeltlich zur Verfügung stellen. Auch dessen Aktualisierungen erhalten die Kassen für sie kostenlos. Das Verzeichnis soll den Namen des Apothekers, die Anschrift und das Kennzeichen der Offizin enthalten. Neben den Apothekern sind "weitere Anbieter von Arzneimitteln" verpflichtet, die Kassen entsprechend selbst zu informieren.
Rechenzentren
Die Apothekenrechenzentren können die von ihnen erfassten Daten in anonymisierter Form weiterverarbeiten. Das hatten die Regierungsfraktionen zunächst einschränken wollen. § 300 SGBV wird an drei Stellen geändert. So werden bei der Verpflichtung des maschinenlesbaren Aufdrucks der Pharmazentralnummer jetzt außer den Apotheken "weitere Anbieter von Arzneimitteln" aufgeführt. Die Bestimmung zu den Rechenzentren wird erweitert. Künftig heißt es dazu: "Die Apotheken und weitere Anbieter von Arzneimitteln können zur Erfüllung ihrer Verpflichtung nach Absatz1 (§ 300 SGBV, die Red.) Rechenzentren in Anspruch nehmen. Die Rechenzentren dürfen Daten für im Sozialgesetzbuch bestimmte Zwecke verarbeiten und nutzen, soweit sie dazu von einer berechtigten Stelle beauftragt worden sind; anonymisierte Daten dürfen auch für andere Zwecke verarbeitet und genutzt werden."
Mehr Prävention
Prävention und Selbsthilfe sollen gestärkt werden. Die Krankenkassen können in ihren Satzungen Leistungen dazu vorsehen, sie dürfen im Jahr 2000 dafür nicht mehr als fünf Mark pro Versichertem ausgeben. Selbsthilfegruppen können mit maximal einer Mark pro Versichertem gefördert werden.
Hausärzte
Die Stellung der Hausärzte soll durch verschiedene Maßnahmen gestärkt werden. So wird ihre Honorierung künftig von der der Fachärzte getrennt. Die Hausärzte erhalten - bei Einwilligung des Patienten - für ihre "Lotsenfunktion" eine erweiterte Dokumentationsbefugnis und können Berichte von anderen Ärzten verlangen und weitergeben. Darüber hinaus wird ein finanzieller Anreiz für diejenigen Patienten ermöglicht, die nur auf Überweisung des Hausarztes zum Facharzt gehen. Die Krankenkassen können in ihrer Satzung das Nähere zum Bonus und den Fachärzten regeln, die ausnahmsweise direkt aufgesucht werden dürfen.
Substitution
Zum Schluss des Verfahrens kam ein Passus in das Gesetz, der die Vergütung ärztlicher Leistungen bei der Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen außerhalb der Gesamtvergütung vorsieht.
Integrierte Versorgung
Forciert werden neue Versorgungsformen, bei denen etwa Ärzte verschiedener Fachrichtungen zum Beispiel in Netzen kooperieren können. Sämtliche Leistungen, zu denen auch die Arzneiverschreibungen gehören, werden gesondert vergütet. Die Verträge können kombinierte Budgets mit Verantwortung zur Einhaltung der Ausgabengrenzen vorsehen. Patienten, die sich bei solchen Modellen einschreiben, nehmen freiwillig teil. Ihnen kann ein Bonus eingeräumt werden.
Qualitätssicherung
Es wird jetzt in das Gesetz hineingeschrieben, dass Leistungserbringer - wie Ärzte oder Apotheker - zur Sicherung der Qualität ihrer Leistungen verpflichtet sind. Ihre Arbeit muss dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Die Mediziner sind expressis verbis verpflichtet, sich an übergreifenden Maßnahmen zu beteiligen. Zugelassene Kliniken müssen in ihren Häusern ein Qualitätsmanagement einführen.
Neu: Soziotherapie
Für Versicherte, die wegen schwerer psychischer Erkrankung keine ärztliche Behandlung selbstständig in Anspruch nehmen können, gibt es künftig als neue Leistung in der GKV die Soziotherapie. Die Patienten haben einen Anspruch auf höchstens 120 Stunden Behandlung innerhalb von drei Jahren je Krankheitsfall.
Darüber hinaus finden sich noch weitere Regelungen wie die geänderte Krankenhausvergütung ab 2003, die Förderung der Rehabilitation oder zur Beitragssatzstabilität im Gesetz. Auch wird die Grenze zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung fester gezurrt. So wird beispielsweise der Wechsel von bisher Privatversicherten zur GKV für Personen über 55 Jahre beschränkt.
Die abgespeckte Gesundheitsreform kann am 1. Januar 2000 in Kraft treten. Der Bundesrat konnte den zustimmungsfreien Torso am 17. Dezember nicht stoppen. Am 16. Dezember hatte der Bundestag zugestimmt, einen Tag zuvor war die Vorlage im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gelandet. Dort gab es ein "unechtes Vermittlungsergebnis", da es keine inhaltliche Einigung zu strittigen Fragen gab. Wir bringen eine Auswahl wichtiger Punkte zur gesetzlichen Krankenversicherung.
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