Kammerversammlung Brandenburg

Dobbert: „Die totale Verweigerung war falsch“

Potsdam - 20.11.2024, 17:50 Uhr

Jens Dobbert bei der Kammerversammlung in Potsdam. (Foto: DAZ)

Jens Dobbert bei der Kammerversammlung in Potsdam. (Foto: DAZ)


Das kommende Jahr wird beginnen, wie das noch laufende endet: mit großer Ungewissheit und in einem politischen Vakuum. Wird es noch vor der Sommerpause eine Regierung geben? Und wie positionieren sich bis dahin die Apotheken? Für Brandenburgs Kammerpräsidenten Jens Dobbert ist zumindest klar: Die Apothekerschaft muss neue Konzepte entwickeln – eine Blockade hilft nicht weiter.

Der 6. November steckt noch immer allen in den Knochen – das merkt man auch in den gegenwärtigen Kammerversammlungen. Donald Trump wurde überraschend deutlich zum US-Präsidenten gewählt, die Ampel zerbrach und nebenbei scheiterten in Sachsen auch noch die Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und BSW. „Was für ein Tag“, konstatierte auch bei der heutigen Kammerversammlung in Potsdam der Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg Jens Dobbert. Seitdem wird in den Medien analysiert, wie es zu dieser Schieflage kommen konnte und spekuliert, wie es nun weitergehen wird. All die Berichte laufen laut Dobbert auf eines hinaus: „Deutschland liegt am Boden.“ Ob marode Bahn, zusammenstürzende Brücken, eine siechende Autoindustrie – an allen Ecken und Enden zeigen sich die Missstände. Nur die Gesundheitspolitik sei in den Medienberichten kein Thema gewesen. Dabei befinde sich auch das Gesundheitswesen in einer Schieflage. Nicht zuletzt die Apotheken: Ihre wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Monaten ist mehr als ernüchternd und ihre Zahl hat ein Rekordtief erreicht – dabei ist die Talfahrt noch immer nicht am Ende. Selbst in Brandenburg, wo die Zahl der Betriebsstätten lange stabil war, gab es Ende September nur noch 532 Apotheken – 543 waren es Ende 2023 noch gewesen.

Was bleibt von Lauterbach?

Doch was ist jetzt von der Politik zu erwarten? Drei Jahre mit Karl Lauterbach (SPD) als Bundesgesundheitsminister waren aus Dobberts Sicht kein großer Wurf. Er mag die Digitalisierung vorangebracht haben. Doch er habe auch den Kassenabschlag erhöht, mit seinem Cannabisgesetz dem Schwarzmarkt ein enormes Wachstum verschafft und selbst sein Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen zeige noch keine große Wirkung – Stichwort: isotonische Kochsalzlösung.

Zu wenig Diskussion im Apothekerhaus

Zum Apothekenreformgesetz, das nie über einen Referentenentwurf hinausgekommen ist, oder die apothekenrelevanten Regelungen der Notfallreform, die nunmehr ebenfalls Geschichte sind, müsse er nun nicht mehr referieren, so Dobbert, es sei ohnehin alles gesagt. Ein Signal in Richtung „Heidestraße“ wollte er aber doch noch senden: Die totale Verweigerung, auf die Reformpläne des Ministers mit einem Gegenentwurf zu reagieren, war aus seiner Sicht falsch. Der Minister habe immer gesagt, er habe kein Geld mit der Gießkanne zu verteilen, sondern er wolle an die Strukturen. Der Kammerpräsident meint zwar: Die Apothekenstrukturen funktionieren in Deutschland noch gut und kosteneffizient. Trotz finanzieller und personeller Unterversorgung sei die flächendeckende Versorgung bei Tag und Nacht noch gesichert. Dennoch habe man in der ABDA nicht genügend über diese Strukturen diskutiert. Durch die Aussage „Keine Apotheke ohne Apotheker“ habe man sich blockiert und es sich so unmöglich gemacht, eigene Ideen als Gegenargumente aufzubauen.

Dabei betonte Dobbert, dass auch er Apotheken light, die nur mit PTA und einem an lediglich acht Wochenstunden persönlich anwesenden Apotheker betrieben werden können, entschieden ablehne. Aber: Gedankenspiele, wie man mit dem bestehenden Fachkräftemangel umgehen und die Betriebe künftig noch führen kann, habe es im Berliner Apothekerhaus nicht gegeben. Aus Dobberts Sicht muss jedoch diskutiert werden, „wie wir im Zuge der digitalen Transformation unsere Apotheken neu aufstellen“. In der Ärzteschaft geschehe das auch. Dort gebe es eine „Schwester Agnes“, die über die Dörfer fahre und zum Beispiel den Blutzucker kontrolliere und bei Problemen einen Arzt oder eine Ärztin per Telefon oder Video zuschalte. Dafür gebe es auch einen eigenen Abrechnungsschlüssel. „Warum geht das nicht bei uns?“, fragt Dobbert. Über so etwas müsse man reden können, ohne dass gleich der Untergang des Abendlandes heraufbeschworen werde.

Apotheken können mehr als Distribution

Der Kammerpräsidenten ist überzeugt: „Wir müssen weg von der reinen Distribution“. Diese gehöre zwar auch zur Aufgabe der Apotheken, doch man müsse sich von den großen holländischen Versendern, die nur Päckchen packen, abheben. Ein Servicepaket rund um das Arzneimittel, bei dem der Patient und die Patientin im Mittelpunkt stehen – das ist es, was Dobbert vorschwebt. Nötig sei dazu auch eine nicht nur packungsbezogene Vergütung. Mit der Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen sei man einen wichtigen Schritt gegangen. Nur bekomme man die dahinterstehenden „PS nicht richtig auf die Straße“ – die Zeit geht für anderes drauf.

Mehr zum Thema

Irritiert zeigte sich Dobbert überdies über das Kommunikationsverhalten der ABDA mit Blick auf das Konzept einer „Apotheke der Zukunft“. Mitte des Jahres sei eine „Taskforce“ eingesetzt worden, um eine solche Konzeption zu erarbeiten – nachdem der Referentenentwurf zum Apothekenreformgesetz veröffentlicht war. Ende Oktober habe man den Gesamtvorstand über erste Ergebnisse informiert und „absolute Verschwiegenheit“ verordnet. Die ABDA-Spitze sah es in der Vergangenheit schließlich nicht gern, wenn in der Presse bereits Sitzungsdetails zu lesen waren, ehe die Sitzung beendet war. Die Folienpräsentationen sollten den Mitgliedern des Gesamtvorstandes zeitnah zur Verfügung gestellt werden, damit sie erst einmal innerhalb der Kammervorstände diskutiert werden können. Allerdings seien die Präsentationen erst diesen Dienstag – und nach mehrmaliger Aufforderung – angekommen, erklärte Dobbert. Dafür habe ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf am 9. November beim Apothekerforum Brandenburg munter ausgeplaudert, worüber man diskutiert habe – später nachzulesen in der Presse. Auch die DAZ berichtete von den Ideen, dass sich Apotheken künftig mehr in die Primärversorgung einbringen können sollen. Dobbert hielt dazu fest: Eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema hat im ABDA-Gesamtvorstand noch nicht stattgefunden. Er ist aber sicher: Es wird noch intensiv diskutiert werden. Er hält einige Ideen für gut, manche für weniger sinnvoll. Wichtig sei aber vor allem, dass das Arzneimittel weiterhin Ausgangspunkt aller Leistungen ist – und neue Aufgaben gesondert vergütet werden. 

Wer kommt nach Lauterbach?

In der weiteren Diskussion machte Dobbert deutlich, dass es ohne neue Konzepte nicht geht. Denn die Hoffnung, dass das Packungshonorar erhöht wird, schwindet zusehends – die erhofften 12 Euro Fixum könne man sich jedenfalls abschminken. Die Ampelregierung habe es nicht einmal geschafft, eine Skonto-Regelung zu erlassen, obwohl dies leicht im Verordnungswege möglich gewesen wäre. Und man müsse überlegen, wie das Gesundheitsministerium nach der Wahl im kommenden Jahr besetzt sein könnte – um diesen Posten reißt sich schließlich kaum jemand. Lauterbach will zwar Minister bleiben, doch nicht nur die Apothekerschaft hat ihre Schwierigkeiten mit ihm, sodass eine weitere Amtszeit sicherlich nicht als gesetzt gelten kann. Nachdem auch im Schattenkabinett der Union dieser Posten offengeblieben ist, hält es Dobbert für denkbar, dass in einer Koalition von Union und SPD Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) Lauterbach nachfolgen könnte. „Das wird nicht lustig“, ist Dobbert überzeugt. Auch sie habe bereits deutlich gemacht, dass es „kein Geld mit der Gießkanne“ gebe.

Grundsätzlich wünscht sich Dobbert ein selbstbewussteres Auftreten der Apothekerschaft – gegenüber der Politik ebenso wie gegenüber den Kunden, die nach wie vor oft glaubten, den Apotheken gehe es angesichts hoher Arzneimittelpreise wirtschaftlich bestens. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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