Kammerversammlung Brandenburg

Dobbert: „Es ist an der Zeit, dass die Parlamentarier Farbe bekennen“

Berlin - 13.06.2024, 14:30 Uhr

Kammerpräsident Jens Dobbert und der Vorsitzende des Landesapothekerverbands Olaf Behrendt bei der Kammerversammlung in Brandenburg (Foto: daz/js)

Kammerpräsident Jens Dobbert und der Vorsitzende des Landesapothekerverbands Olaf Behrendt bei der Kammerversammlung in Brandenburg (Foto: daz/js)


Auch wenn der Referentenentwurf für das Apotheken-Reformgesetz bei der Kammerversammlung am Mittwoch noch nicht bekannt war: Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, warnte vor Lauterbachs Plänen und prognostizierte weitere Apothekenschließungen, wenn diese verwirklicht werden. Was den Dauerbrenner „Pharmaziestudiengang in Brandenburg“ betrifft, berichtete er über positive Entwicklungen. 

Als die Landesapothekerkammer Brandenburg am gestrigen Mittwoch ihre Kammerversammlung abhielt, ahnte noch niemand, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an diesem Tag noch seinen Referentenentwurf für das Apotheken-Reformgesetz über die FAZ lancieren würde. Aber dieser ist sicher ein weiterer Baustein, der ins Bild vom Kammerpräsident passt.

Dobbert betonte in seinem Bericht, dass die Heilberufler alles Notwendige getan haben, um auf ihre schlechte Lage hinzuweisen – sei es über Proteste, gemeinsame Pressekonferenzen oder Gespräche mit Bundes- und Landtagsabgeordneten. „Alle wissen wie es um die Apotheken stehen, jetzt ist es an der Zeit, dass die Parlamentarier Farbe bekennen.“ Er kritisierte Lauterbach, der seine Reformpläne seit Vorstellung der Eckpunkte im Dezember nicht konkretisiert habe und alle im Dunkeln lasse. Der Minister halte es offenbar mit der Salamitaktik: Scheibchenweise würden nur die bekannten Punkte wiederholt.

Kritik an Notfallversorgungsreform

Auch auf Lauterbachs Pläne zur Notfallversorgungsreform ging Dobbert in seiner Rede ein. Diese habe zum Ziel, die Versorgung der Bevölkerung im Notfall besser zu koordinieren. Notdienst, Notaufnahme in Krankenhäusern und Rettungsdienste sollen besser vernetzt werden. Geplant ist unter anderem, integrierte Notfallzentren flächendeckend zu etablieren – und Apotheken sollen in diesem Zuge Versorgungsverträge schließen. Dobbert kritisierte den Aufbau solcher kostenträchtigen Parallelstrukturen. Man habe durch die Apotheken und ihre Notdienste bereits eine flächendeckende Versorgung. Ebenso wenig hält der Kammerpräsident davon, dass den Ärzten in den Notfallpraxen ein Dispensierrecht eingeräumt werden soll, wenn es keine Vertragsapotheke gibt. Wozu noch Notdienst, wenn es künftig Offizinen auf dem Gelände von Notfallzentren gebe? Die Gründe für die Missstände in der Notfallversorgung sieht Dobbert darin, dass der Bereitschaftsdienst weggefallen sei.

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Lauterbachs Politik senkt  Apothekenzahlen dramatisch

Angesichts des Umgangs des Ministers mit der Apothekerschaft – etwa beim vergangenen Deutschen Apothekertag – seinen Plänen für die Apothekenreform, sowie den Geschehnissen rund um CardLink, ist Dobbert überzeugt: Lauterbach will die Apothekenzahl senken; er schaut weg und hat kein Interesse.

Der Kammerpräsident forderte die Politik auf, das Apothekensystem zu stützen. Die Vergütung der Apotheken decke die steigenden Kosten nicht. Die Zahlen „sprächen eine deutliche Sprache“. Hinzu komme noch das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs. Dieses werde für noch mehr Schließungen sorgen. Dobbert prognostizierte bis zu 800 im laufenden Jahr – das rufe Existenzängste hervor. Die Parlamentarier seien nun am Zuge, diese Entwicklung zu stoppen, da der Minister diese nicht erkenne und seine eigene Agenda weiterverfolge.

Reform: Eskalationsstufe entzünden 

Wenn die Apotheken-Reform „das Licht der Welt erblickt“, müssten in der Heidestraße in Berlin – dem Sitz der ABDA – die Eskalationsstufen gezündet werden, appellierte Dobbert. Die Apothekerinnen und Apotheker müssten dann laut werden und dürften die Türen bundesweit auch mal eine Woche oder länger geschlossen halten. Die Versorgung sollte dann nur noch über die Notdienstklappen erfolgen. Die Schlangen, die sich dann bildeten, würden sich in einem Wahlkampf nicht gut machen. Auch in Brandenburg wird in diesem Jahr noch ein neuer Landtag gewählt. Nicht zuletzt deshalb hatte Dobbert übrigens den amtierenden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) zur Kammerversammlung eingeladen – gekommen ist er allerdings nicht. Zu den Gründen gab es keine Information.

Studiengang Pharmazie an der BTU kommt voran

Dennoch konnte Dobbert vorsichtig positiv über Bewegung in einer drängenden landespolitischen Frage berichten. Seit Jahren kämpft der Kammerpräsident beharrlich darum, einen Pharmaziestudiengang in Brandenburg zu etablieren. Nach vielen Rückschlägen war Ende April in einer Pressemeldung der Staatskanzlei zu lesen: „Um dem Apothekermangel zu begegnen, prüfen beide Landesregierungen den Aufbau eines neuen Pharmazie-Studiengangs an der BTU Cottbus-Senftenberg“. Eine länderübergreifende Facharbeitsgruppe werde bis zum Sommer ein Konzept erarbeiten, auf dessen Basis über die Möglichkeit der Umsetzung und Finanzierung entschieden werden könne. Dobbert war in der Folge zu Videokonferenzen geladen – die er auch gerne im Urlaub wahrnahm. Mittlerweile gehört er zur Arbeitsgruppe. Und nun wird über einen ersten Entwurf diskutiert. „So weit wie wir jetzt gekommen sind, waren wir in den letzten zwölf Jahren noch nie“, konstatierte Dobbert. Auch wenn es noch keine Sicherheit gebe – die Hoffnung ist groß. Dieses Papier müsse nun die Ministerien beider Länder überzeugen. Mit einem Beschluss noch in dieser Legislaturperiode rechnet auch Dobbert nicht. Doch das Konzept müsse Bestandteil der Koalitionsverträge in Sachsen und Brandenburg werden. 

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Diskussion um mehr Präsenz in der Öffentlichkeit

Nach dem Bericht des Präsidenten diskutierten die Delegierten unter anderem darüber, wie man „lauter“ in der Öffentlichkeit werden könne. Ein Delegierter forderte mehr mediale Präsenz, zum Beispiel durch „kreative“ Videos, um die Öffentlichkeit auf den Berufsstand der Apotheke und ihre Probleme aufmerksam zu machen. 

Neues Konzept für PTA-Schule

Auch Clemens Tründelberg, Leiter der PTA-Schule in Eisenhüttenstadt, hatte erneut einen Appell an die Apothekenleiter*innen im Gepäck. Er schilderte, dass es weiterhin zu wenig qualifizierte Schülerinnen und Schüler gebe, die sich für den Beruf der PTA interessieren. Probleme sind seiner Meinung nach die schlechte Sichtbarkeit des Berufs, die fehlende Ausbildungsvergütung und dass es keine Aufstiegschancen in der Apotheke gibt. Tründelberg hat sich deshalb –  ein neues Konzept überlegt: PTA an seiner Schule sollen die Möglichkeit bekommen, schon im ersten Ausbildungsjahr die Schule nur von Montag bis Donnerstag zu besuchen. So können sie freitags bereits nebenher in einer Apotheke arbeiten und etwas Geld verdienen. Ein Problem dabei könne allerdings der Mindestlohn sein, der dann an die ungelernte Fachkraft gezahlt werden muss und sich kaum vom Gehalt einer PKA unterscheidet. Trotzdem wirbt Tründelberg dafür, dass Apotheken mitmachen. Zudem sollten sie versuchen, über Schülerpraktika für Berufe in der Apotheke Interesse zu wecken. Werben könne man zum Beispiel mit dem weißen Kittel – der zieht nach Tründelbergs Erfahrungen auch in den Instagram-Posts der Schüler*innen gut.

Hermann-Hager-Preis an Olaf Behrendt verliehen

Zum Schluss der Tagung verlieh Kammerpräsident Jens Dobbert dem Vorsitzenden des Landesapothekerverbands Brandenburg, Olaf Behrendt, den Hermann Hager Preis. Die Medaille wird an verdienstvolle Apothekerinnen und Apotheker sowie an Personen verliehen, die sich für das Apothekenwesen in Brandenburg besonders einsetzen.


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


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