Opioid-abhängige in Metaanalyse untersucht

Schmerzempfindlicher durch Opioide?

04.10.2024, 13:45 Uhr

Ist eine Hyperalgesie auf die pharmakologische Therapie (Methadon, Buprenorphin oder Naltrexon) oder auf eine Opioid-Konsumstörung zurückzuführen? (Symbolfoto: luchschenF/AdobeStock)

Ist eine Hyperalgesie auf die pharmakologische Therapie (Methadon, Buprenorphin oder Naltrexon) oder auf eine Opioid-Konsumstörung zurückzuführen? (Symbolfoto: luchschenF/AdobeStock)


Patienten, die aufgrund einer Opioid-Konsumstörung mit Opioid-Agonisten behandelt werden, leiden oft unter einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit. Mithilfe einer Metaanalyse sollte geklärt werden, ob diese mit dem Konsum der Opio­ide oder anderen, nicht Opioid-be­zogenen Faktoren zusammenhängt. 

Eine Opioid-Konsumstörung bezeichnet den chronischen Konsum von Opioiden, der bei den Patienten klinisch signifikante Belastungen oder Beeinträchtigungen verursacht. Zu den Symptomen gehören das überwältigende Verlangen, Opioide zu konsumieren, eine erhöhte Opioid-Toleranz und Entzugssymptome. Über 16 Millionen Menschen weltweit und über 2,1 Millionen Personen in den USA sind betroffen. Zur Behandlung einer Opioid-Konsumstörung werden Opioid-Agonisten wie Methadon oder Buprenorphin eingesetzt. Oftmals ist eine jahrelange Behandlung erforderlich. Ein Problem kann sein, dass eine Therapie mit Opioiden mit einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit in Verbindung gebracht wird. Dieses Phänomen wird als Opioid-induzierte Hyperalgesie beschrieben. 

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Rund 45% der Patientinnen und Patienten unter einer Langzeittherapie mit Opioid-Agonisten leiden unter chronischen Schmerzen. Deshalb sollte geklärt werden, ob die Hyperalgesie auf die pharmakologische Therapie (Methadon, Buprenorphin oder Naltrexon) oder auf eine Opioid-Anwendung im Rahmen der Opioid-Konsumstörung zurückzuführen ist. Eine Klärung dieser Frage ist auch von Bedeutung, da die Hyperalgesie einen Rückfall in den illegalen Opioid-Konsum auslösen kann. Kann ein Zusammenhang zwischen langfristigem Opioid-Konsum und Hyperalgesie gezeigt werden, wäre möglicherweise auch eine Prävention im Rahmen einer Behandlung der Opioid-Konsum­störung möglich.

Stärkere Reaktion auf Kältereize

In die norwegische Metaanalyse flossen die Daten von 39 Studien und 1385 Patienten ein. Ein Großteil wurde aufgrund einer Opioid-Konsum­störung mit einem Opioid-Agonisten behandelt, andere waren seit längerer Zeit abstinent. Festgehalten wurden unter anderem Schmerzschwelle, Schmerztoleranz und Schmerzintensität. 741 gesunde Probanden waren in der Kontrollgruppe. Als Indikator für eine Hyperalgesie wurde die Kälteüberempfindlichkeit ermittelt. Diese erfolgte mithilfe des Kaltwassertests, bei dem die Probanden ihre Hände für einige Minuten in eiskaltes Wasser tauchen, um Schmerzschwelle und -intensität zu bewerten. Die Kälteempfindlichkeit wurde vor der Therapie mit Opioid-Agonisten, währenddessen und während der Abstinenz von Opioiden bestimmt. 

Probanden, die mit einem Opioid-Agonisten behandelt wurden, wiesen eine um zwei bis drei Sekunden geringere Schmerzschwelle auf als Teilnehmer der Kontrollgruppe. Die Schmerztoleranz war im Vergleich mit der Kontrolle um 29 Sekunden verringert. In Prozent ausgedrückt, waren dies eine um 22% geringere Schmerzgrenze und eine um 52% niedrigere Schmerztoleranz. Auch gab es eine signifikante Korrelation zwischen der Zeit der letzten täglichen Dosis des Opioid-Agonisten und der Empfindlichkeit gegenüber Kälteschmerzen. So war die Toleranz direkt nach der Gabe fünf Sekunden höher als direkt davor.

Opioid-Krise in Deutschland?

js | In einem aktuellen Beitrag des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ heißt es, dass die Zahl der Patienten in Deutschland, die Opioid-haltige Schmerzmittel zu sich nehmen, auffällig hoch ist. Die Zahl der Verschreibungen von starken Schmerzmitteln habe sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht. Weiter heißt es, dass in Deutschland zwischenzeitlich pro Kopf mehr Opioide verschrieben werden als in den USA. Problematisch dabei sei es, dass jede zehnte Person, die Opioide einnimmt, süchtig werde. In den Jahren nach dem Ausruf des nationalen Notstandes aufgrund der Opioid-Krise in den USA 2017 seien Ärzte in Deutschland nun zurückhaltender mit Verschreibungen geworden. Die Zahlen der Krankenkassen zeigten, dass die Verordnungen auf hohem Niveau stagnierten [2].

Die Ergebnisse einzelner Studien waren indes sehr variabel. Den Studienautoren zufolge sind diese Unterschiede möglicherweise aufgrund von Verzerrungen wie etwa einem Verlust von Patientendaten zu hoch eingeschätzt. Eine Meta-Regression gab keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass die Hyperalgesie Opioid-bezogen ist.

Assoziation bleibt unklar

Es konnte gezeigt werden, dass Probanden, die aufgrund einer Opioid-Konsumstörung mit Opioid-Agonisten behandelt werden, empfindlicher auf Kältereize reagieren als Teilnehmer der Kontrollgruppe. Ob diese Hyper­algesie im Zusammenhang mit dem Opioid-Konsum, der Einnahme eines Opioid-Agonisten oder unabhängig davon zu sehen ist, bleibt unklar [1].

Linderung einer Opioid-bedingten Hyperalgesie

Zur Linderung einer Opioid-bedingten Hyperalgesie werden drei verschiedene Strategien beschrieben:

Teilweise wird ein Wechsel auf den NMDA-Rezeptorantagonisten Ketamin vorgeschlagen. 

Quelle: Jungmayr P. Opioid-induzierte Hyperalgesie – ein Paradoxon der Schmerztherapie. DAZ.online 08.08.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/08/08/opioid-induzierte-hyperalgesie-ein-paradoxon-der-schmerztherapie 

Literatur

[1] Trøstheim M, et al. Hyperalgesia in Patients With a History of Opioid Use Disorder: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Psychiatry 2024:e242176, doi: 10.1001/jamapsychiatry.2024.2176

[2] Amann S et al. Sucht auf Rezept. Spiegel, 17. September 2024, www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/opioid-krise-in-deutschland-sucht-auf-rezept-a-8e5a7d4c-2b2e-4597-9e7a-2e6eccec7032


Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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