Streit um Apothekenreform

BMG vermisst konstruktive Vorschläge der ABDA

Berlin - 26.06.2024, 15:15 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium behält seinen Kurs zur Apothekenreform trotz aller Widerstände bei. (Foto: DAZ)

Das Bundesgesundheitsministerium behält seinen Kurs zur Apothekenreform trotz aller Widerstände bei. (Foto: DAZ)


Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verteidigt seine umstrittenen Pläne zur Apothekenreform. Der zuständige Abteilungsleiter des Ministeriums versucht zu erklären, warum Apotheken ohne anwesende Apotheker*innen notwendig sind, um die flächendeckende Versorgung zu garantieren. Apotheken- und Treuhandvertreter sind da anderer Meinung. Von der ABDA wünscht sich das BMG konstruktive Vorschläge.

Über die geplante Apothekenreform diskutierten am heutigen Mittwoch der Leiter der Abteilung für Arzneimittel- und Medizinprodukte im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Thomas Müller, der Geschäftsführer der Treuhand Hannover Sebastian Schwintek, Holger Seyfahrt, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes und der Gesundheitsökonom David Matusiewicz.

In der vom Branchendienst Apotheke Adhoc veranstalteten Diskussionsrunde, gab Thomas Müller auch Einblicke in die Verbändeanhörung zur Apothekenreform, die am Dienstag im BMG stattgefunden hatte. Dort habe es viel Widerstand aus den Reihen der Ärzteschaft gegen die Pläne zur Ausweitung der Impf- und Testungsbefugnisse für die Apotheken gegeben.

Von der ABDA kamen – aus seiner Sicht – keine konstruktiven Vorschläge für eine Strukturreform. Anders wurden offensichtlich Adexa und die Freie Apothekerschaft (FA) wahrgenommen. Die FA-Vorsitzende Daniela Hänel regte laut Müller an, über eine Erhöhung der Zuzahlung der Patient*innen zu reden.

Apotheken ohne Apotheker*innen

Mit Blick auf die viel kritisierten Pläne zur Apotheke ohne Apotheker*innen, betonte Müller, dass es keineswegs beabsichtigt sei, Apotheken von PTA leiten zu lassen, es gehe lediglich darum, dass diese ohne Anwesenheit eines Approbierten öffnen können. Zudem plane man auch Anpassungen in der PTA-Ausbildung. Diese könnte sich zukünftig stärker an der einstigen Ausbildung zum Pharmazieingenieur orientieren, einem Berufsbild der ehemaligen DDR. Das Problem der Abgabe von BtM könne man lösen, indem dafür bestimmte Öffnungszeiten festgelegt werden, in denen dann ein Approbierter anwesend ist.

Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln

Auch zur Problematik bei der Abgabe hochpreisiger Arzneimittel wurde kontrovers diskutiert. Sowohl Schwintek als auch Seyfarth machten deutlich: Die geplante Reduzierung des prozentualen Honoraranteils von drei auf zwei Prozent werde dazu führen, dass viele Apotheken diese Arzneimittel nicht mehr liefern werden, da die finanziellen Aufwendungen und das damit verbundene Risiko im eklatanten Missverhältnis zum erzielbaren Gewinn stünden. Schon jetzt schreckten viele Apotheken vor der Belieferung mit Hochpreisern zurück, so Seyfarth. Diese Befürchtungen teilt das BMG offenbar nicht. Bei den Hochpreisern seien keine Versorgungsprobleme bekannt oder absehbar.

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Müller ließ durchblicken, dass hinsichtlich des prozentualen Honoraranteils noch nicht das letzte Wort gesprochen sei – hier werde noch verhandelt. Hingegen sei man sich bei der Höhe des Fixums innerhalb der Koalition weitgehend einig. Bei der Forderung der ABDA nach einem Fixum in Höhe von 12 Euro seien die Gesundheitsexperten der Ampelfraktionen „zusammengezuckt“, eine Erhöhung dieses Ausmaßes sei „wenig brauchbar für eine Strukturreform“.

Telepharmazie

David Matusiewicz sieht die Zukunft der Apotheke vor Ort in einer „hybriden“ Dienstleistungsform. Den Ausbau der Telepharmazie hält er für essenziell. Dennoch sei auch die „Quality Time“ in der Apotheke mit der Fachkraft „im weißen Kittel“ wichtig und für die Patient*innen nicht ersetzbar. Mit der Synthese aus Digital- und Vor-Ort-Angeboten könne die Apotheke zum „Primärversorger“ – Matusiewicz spricht auch von der „Tankstelle“ – im Gesundheitssystem ausgebaut werden.

Müller, der selbst Apotheker und Mediziner ist, versuchte die Vorbehalte gegenüber den telepharmazeutischen Neuerungen zu entkräften, indem er auf die Arbeit seines Ministeriums verwies. Dort arbeite man mittlerweile zu 50 Prozent im Homeoffice, das funktioniere tadellos. Seinen zuständigen Juristen beispielsweise erreiche er fast immer nur aus der Ferne.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

Kommunikation der ABDA

von Christian am 27.06.2024 um 12:14 Uhr

Schon von Beginn an war klar, dass die Forderung von 12 € pro Packung unrealistisch ist, man hatte wohl gehofft mit dem BMG handeln zu können wie auf einem türkischen Basar. Viel geschickter wäre doch folgende Argumentation gewesen:

Wir fordern nicht mehr, wir fordern nur das was uns zusteht, also die vollständige Abschaffung des GKV-Zwangsrabattes und eine jährliche Anpassung der Vergütung an die Inflation (wie in vielen anderen Bereichen z.B. bei der ärztlichen Vergütung, Politikerdiäten etc.). Das würde jeder Bürger (und Politiker) als legitim und verständlich auffassen.

Das kommt nicht so unverschämt rüber wie die stur geforderten 12€ und wäre eine echte Hilfe für die meisten Apotheken. Weiterhin ist das Skontoverbot in diesem Zusammenhang auch für uns auch nutzbar, da ja der GKV Zwangsrabatt angeblich für die schnelle Zahlung erhoben wird - ein Skonto von fast 24%!!!
Ich bin kein Medienprofi sondern nur ein Apothekerlein, leider fehlt den Mitarbeitern der ABDA jegliche Eignung für ihre Aufgaben.

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Blasen hoch 3

von ratatosk am 27.06.2024 um 11:21 Uhr

Ein weitere Beweis für abgehobene Apparatschiks, die in Eingenen Blasen leben - und erschreckenderweise mittlerweile ihre eigenen Parolen glauben.
Für Erkenntnissgewinne in der Realität fehlt offensichtlich auch das Vermögen

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BMG vermisst Vorschläge der ABDA

von Wolfgang Steffan am 27.06.2024 um 8:37 Uhr

Jaja, da sieht man es wieder :
Dem BMG liegen zwar Vorschläge von Adexa und FA vor, aber
kein der ABDA ! Das ist doch ein Skandal, was die ABDA mit
unseren Geldern treibt, Lobby-Arbeit natürlich auch nicht, das
machen nur die Kassen.

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So eine Frechheit vom BMG

von Martin Straulino am 26.06.2024 um 20:25 Uhr

Es ist schon eine Frechheit vom BMG - den Ball an uns zurückgeben zu wollen. Natürlich gibt es einen zentralen Vorschlag bzw. eine Forderung, um die flächendeckende Versorgung aufrecht zu erhalten: nach über 10 Jahren endlich die Vergütung anheben.

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Strukturreform

von Kleiner Apotheker am 26.06.2024 um 17:04 Uhr

Homeoffice beim Kundenverkehr in der Apotheke.
Ist irgenwie anders als im Büro, sollte einleuchtend sein.

Gleiche Enlohnung wie vor 20 Jahren. Kann nicht funktionieren und bitte nicht Umsatz mit Gewinn verwechseln.

Wer bitte soll noch in der Apotheke arbeiten, damit meine ich die in der Apotheke lösbaren Problemfälle. Pen geht nicht. Inhalieren klappt nicht. Welche ist die Blutdruck Tablette?
Kein Geld bedeutet, kein Personal. Eigentlich ganz einfach.

Das BMG kann ja mal auf seinen Lohnzettel vor 20 Jahren schauen und auf den Aktuellen. Und wo ist da die Strukturreform?

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AW: Strukturreform

von Ute Koch am 26.06.2024 um 20:44 Uhr

„Inhalator funktioniert nicht, PTA können das Problem nicht lösen“ ist nun ausgerechnet ein schlechtes Beispiel. PTA dürfen die bezahlte pharmazeutische Dienstleistung „Inhalatorschulung“ durchführen. Diese in Ihrer Apotheke, durchgeführt u. a. von einer/einem PTA, anzubieten, ist ein Schritt in die Zukunft. Zudem kenne ich bereits einige approbierte Kolleg:innen, die ausgewählte Aufgaben im HomeOffice erledigen. Mitarbeiter:innen sind zufrieden, wenn sie hin und wieder im HomeOffice arbeiten dürfen. Und mit Telepharmazie wäre sogar noch mehr drin.

Merken die sich noch?

von Frank am 26.06.2024 um 16:05 Uhr

Also dass in einem reinen Bürojob Telearbeit funktioniert dürfte wohl klar sein. Und Herr Müller, wenn sie keinen Unterschied zwischen der Arbeit in einer Apotheke und dem Bürojob eines angestellten Juristen ausmachen können, disqualifiziert Sie das bereits jeglicher Äußerungen! Und selbst wenn, wer soll denn die Telepharmazie machen? Welcher Inhaber leistet sich bei der spöttischen Apothekenvergütung einen approbierten Apotheker, wenn er das auch gemütlich von zu Hause oder unterwegs selbst machen kann? Wozu sollen Menschen überhaupt noch Pharmazie studieren? In der Hoffnung ihnen fällt günstig eine Apotheke zu? Große Kredite kann keiner mehr mit einer Apotheke bedienen. Und als Nichtinhaber sind für den Beruf des Apothekers keine Chancen mehr. Aber die Agenda sollte mittlerweile klar sein: wenn ein Bundesgesundheitsminister Rauschdrogen legalisiert und die Abgabe auf private Vereine ohne Fachkundenachweis legt, ist ihm auch egal wer Arzneimittel aushändigt. Was kommt dann? Allgemeinarztpraxen ohne Ärzte weil die Schwestern schon jetzt Impfungen durchführen, Blutabnahme machen und unterschriebene Blanko Krankschreibungen austeilen?

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Was für Vorschläge?

von Herbert am 26.06.2024 um 15:53 Uhr

Die Apotheken wurden an den Rand des Abgrunds gespart. Sconti verboten, der Zwangsabschlag an die Kassen erhöht und die Vergütung seit über 10 Jahren nicht angepasst. Es fehlt schlichtweg am Geld um funktionsfähig zu bleiben. Und die einzig logische Vorschlag, nämlich die angemessene Vergütung, lehnt das BMG dank jahrzehntelanger Lobbyarbeit der Kassenspitzen rigoros ab. Ich möchte sehen welche konstruktiven Vorschläge die Bundesärztekammer hätte, wenn die Ärzte seit zehn Jahren keine Anpassung der Vergütung erfahren hätten und die Praxen sich nun nicht mehr rechnen. Es ist so absurd. Nicht die Apotheken machen die Arzneimittel teuer. Die werden mit einem Festbetrag und einer lächerlichen Marge abgespeist, aus der sie alle Kosten decken soll und nach den Schnapsideen des Herrn Lauterbach noch unentgeltlich weitere Dienstleistungen anbieten sollen. Liebes BMG, ein Festbetrag ist ein Festbetrag. Das ändert nichts an den hohen Einkaufspreisen für Arzneimittel, welche die Apotheken übrigens noch auslegen müssen bis die Krankenkassen sich bemüht sehen zu zahlen. Und das auch nur unter Zwangsabschlag, sonst wartet die Apotheke mindestens ein Jahr darauf, dass die Rechnungen beglichen werden. In der Privatwirtschaft wäre das Undenkbar. Man sollte lieber schauen, wo Einsparpotential bei 100 Krankenkassen mit jeweils eigenen Vorständen, Führungspositionen und großer Selbstverwaltung zu holen ist. Ein weiterer Missstand sind die Beitragszahler. Menschen im Mini- und Midi-Jobbereich zehren viel stärker vom Gesundheitssystem, zahlen aber anteilig das geringste ein. Wozu Beitragsbemessungsgrenzen und privat Versicherte Topverdiener, die alle unter sich bleiben und nicht am Solidarsystem beteiligen müssen? Da sitzt das dringend gebrauchte Geld für das Gesundheitswesen! Soll jeder seinen gleichen prozentualen Anteil beitragen, egal wie viel er verdient. Die Reichen und Spitzenverdiener werden geschont und der Mittelstand dafür mitsamt seinen Apotheken zermürbt.

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