Referentenentwurf

Was bedeutet die Honorarumverteilung für die einzelne Apotheke?

17.06.2024, 07:00 Uhr

Wie viel Geld wird die einzelne Apotheke am Ende mehr oder weniger haben?. (Foto: jd-photodesign / AdobeStock)

Wie viel Geld wird die einzelne Apotheke am Ende mehr oder weniger haben?. (Foto: jd-photodesign / AdobeStock)


Wie wirkt die geplante Umverteilung vom prozentualen zum festen Zuschlag für Rx-Arzneimittel? DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn zeigt anhand einer Modellrechnung für eine Durchschnittsapotheke, wie sich die Folgen für den Rohertrag ermitteln lassen. Die Rechnung lässt sich mit den jeweiligen Daten auf jede einzelne Apotheke anwenden. So können die Folgen individuell ermittelt werden. 

Wie wird eine einzelne Apotheke betroffen sein, wenn die Preisbildung für Rx-Arzneimittel gemäß dem neuen Referentenentwurf verändert wird? In den Eckpunkten des Bundesgesundheitsministeriums gab es nur den groben Plan, den prozentualen Zuschlag für Rx-Arzneimittel in den Jahren 2025 und 2026 in zwei Stufen von drei auf zwei Prozent zu reduzieren und dafür den Festzuschlag „1 zu 1“ zu erhöhen. Mit dem jüngsten Referentenentwurf ist nun bekannt, wie sich das Ministerium die neutrale Umstellung genau vorstellt. Der Festzuschlag soll von 8,35 Euro auf 8,66 Euro im Jahr 2025 und auf 9,00 Euro im Jahr 2026 steigen.

Genaue Folgen erst nachträglich ermittelbar

Das Ministerium gibt die zugrundeliegenden Daten nicht an, aber sie müssen notwendigerweise auf einer Prognose der künftigen Umsätze beruhen. Da die Einbußen von den künftigen Umsätzen abhängen werden, lässt sich erst nachträglich genau feststellen, ob die Umstellung wirklich neutral gewesen sein wird. Anders als die früher kolportierten Werte erscheinen die Zahlen im Referentenwurf plausibel und sind mit veröffentlichten Schätzungen vereinbar.

Die Plausibilität zeigt sich auch, wenn man ausrechnet, wie eine durchschnittliche Apotheke von den vorgesehenen Änderungen betroffen wäre. Gemäß dem folgenden Rechengang, der hier für eine Durchschnittsapotheke erstellt wird, kann mit den jeweiligen Zahlen auch die Betroffenheit für jede andere Apotheke ermittelt werden.

Einbuße beim prozentualen Zuschlag

Idealer Ausgangspunkt wäre der Netto-Einkaufswert für alle Rx-Arzneimittel zu Taxpreisen, sofern dieser vorliegt. Für die Modellrechnung ist allerdings nur der Netto-Gesamtumsatz zu Verkaufspreisen von 3,443 Millionen Euro für 2023 verfügbar. Bei 79,4 Prozent Wareneinsatz und 83,9 Prozent Rx-Anteil ergibt das 2,294 Millionen Euro Rx-Einkaufswert. Da darin Einkaufsvergünstigungen enthalten sind, wird der maßgebliche Wert zu Taxpreisen höher sein. Außerdem gibt es Unwägbarkeiten bei dieser Schätzung. Der prozentuale Wareneinsatz im Rx-Bereich kann vom Gesamtdurchschnitt abweichen, und es werden auch Rx-Arzneimittel erfasst, die nicht nach dem Kombimodell taxiert werden, zum Beispiel Grippeimpfstoffe.

Vom Netto-Einkaufswert für Rx-Arzneimittel zu Taxpreisen - in der Modellrechnung ersatzweise von den grob geschätzten 2,294 Millionen Euro - müssen im ersten Jahr 0,5 Prozent als Einbuße ermittelt werden. Im Modell wären das 11.470 Euro Rohertragseinbuße mit den Zahlen von 2023. Für 2025 wird die Einbuße wegen der Umsatzsteigerungen höher sein. Wegen der zunehmenden Bedeutung der Hochpreiser können sich erhebliche Veränderungen ergeben. Bei jeweils 7 Prozent mehr Umsatz pro Jahr würde die Rohertragseinbuße im Modell schon 13.132 Euro betragen. Da die Taxpreise höher als die tatsächlichen Einkaufswerte sind, können es durchaus 13.500 Euro oder mehr Einbuße sein.

Einfache individuelle Rechnung

Dieser Einbuße steht der zusätzliche Rohertrag durch das höhere Packungsfixum gegenüber. Die Zahl der Rx-Packungen wird mit den zusätzlichen 31 Cent multipliziert, um den zusätzlichen Rohertrag zu errechnen. Die Packungszahl dürfte für jede einzelne Apotheke bekannt sein. Genau genommen dürfen Packungen, die nicht nach dem Kombimodell taxiert werden, nicht mitgezählt werden. Wenn das Produkt aus der Rx-Packungszahl und 31 Cent höher als die zuvor ermittelte Einbuße ist, hat die Apotheke einen Vorteil von der Umverteilung. Wenn es niedriger ist, ergibt sich eine Rohertragseinbuße. Für die einzelne Apotheke ist das eine recht einfache Rechnung.

Rohertragszuwachs beim Festzuschlag

Für die hier durchgeführte Modellrechnung muss allerdings die durchschnittliche Zahl der Rx-Packungen pro Apotheke ermittelt werden. Dazu werden die 772,9 Millionen Rx-Packungen, die der Nacht- und Notdienstfonds für 2023 ausweist, durch 17.571 Apotheken dividiert. Das ergibt durchschnittlich etwa 44.000 Rx-Packungen pro Apotheke. Damit würden sich 13.640 Euro mehr Rohertrag ergeben. Das liegt dicht bei der oben geschätzten Einbuße und spricht damit für die Plausibilität der angesetzten Zahlen. Allerdings bleiben Unwägbarkeiten in Details. Vor allem bleibt die Einbuße unsicher wegen der erwähnten Differenz zwischen Taxpreisen und tatsächlichen Einkaufswerten. Selbstverständlich ist auch die genaue Zahl der Packungen für 2025 unbekannt.

Für 2026 ergibt sich eine entsprechende Rechnung mit 34 Cent zusätzlichem Festzuschlag. Bei einem Blick, der so weit in die Zukunft geht, sind die Unsicherheiten natürlich noch größer. In den zurückliegenden Jahren sind die Rx-Umsätze wegen der Hochpreiser stärker als die Rx-Absätze gewachsen. Wenn das so weitergeht, wird eine jetzt neutrale Umstellung in den folgenden Jahren nicht mehr neutral sein.

Konsequenzen: kurzfristig gering - langfristig relevant

Die Auswirkungen für einzelne Apotheken können unterschiedlich sein. Apotheken mit vielen eher niedrigpreisigen Rx-Packungen wären im Vorteil. Mit dem beschriebenen Rechenweg lässt sich das Ergebnis für jede einzelne Apotheke ermitteln. Die Zahlen in der Beispielrechnung zeigen auch, dass die Veränderungen - also die Differenzen aus Rohertragszuwachs und -einbuße - kurzfristig wohl höchstens bei wenigen Tausend Euro Rohertrag pro Apotheke und Jahr liegen werden, oft wohl eher unter 1.000 Euro. Ein solcher zusätzlicher Rohertrag wird eine wirtschaftlich bedrohte Apotheke sicher nicht retten. Langfristig verschärft sich aber die Abkopplung von der Preisentwicklung - und das wirkt auf jeden Fall negativ. Denn das ist der Kern der wirtschaftlichen Misere der Apotheken.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

fhdcTXGlkNUWqKQ

von OVidqnAaIW am 19.06.2024 um 21:23 Uhr

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ElOdiDCvRrg

von pDxOAcjvqr am 19.06.2024 um 20:52 Uhr

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Honorarumverteilung

von Dorf-Apothekerin am 17.06.2024 um 17:37 Uhr

Dreißig Jahre! Demütigungen in immer neuer und hinterlistiger Gestalt, was müssen wir uns noch alles bieten lassen. Was bis jetzt durch Gespräche nicht erreicht wurde, wird auch in Zukunft nicht erreicht werden. Frau Overwiening Sie sind nicht den nordrhein-westfälischen Politikern verpflichtet, sondern den Apothekern.
Ein Generalstreik, bis die Politik mit uns redet und auf unsere Forderungen eingeht. Entweder öffnen nur die Notdienst-Apotheken oder die Offizinen bleiben geschlossen und die Kunden werden über Rezeptbriefkästen bedient und beliefert.
Dann werden Sie über die Geschlossenheit erstaunt sein und sie nicht herbeireden müssen. 17500 Gerichtsverfahren wird sich wohl keiner ans Bein binden wollen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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