Überblick zur Berufspolitik im kleinsten Bundesland

Sinkende Apothekenzahl und mühsame politische Arbeit auch in Bremen

Bremen - 28.05.2024, 16:45 Uhr

Meint, die Proteste hätten nicht weitergeführt: der Präsident der Apothekerkammer Bremen, Klaus Scholz. (Foto: Apothekerkammer Bremen / Cosima Hanebeck)

Meint, die Proteste hätten nicht weitergeführt: der Präsident der Apothekerkammer Bremen, Klaus Scholz. (Foto: Apothekerkammer Bremen / Cosima Hanebeck)


Die großen Trends zeigen sich auch im kleinsten Bundesland Bremen. Dort wird die Apothekenzahl im ersten Halbjahr 2024 um fünf sinken und damit ebenso viel, wie im ganzen Jahr 2023. Auch die Apothekerkammer Bremen bemüht sich mit Überzeugungsarbeit im Land auf die Bundespolitik einzuwirken, wie bei der Kammerversammlung am Montagabend deutlich wurde.

Zum Jahresende 2023 gab es im Bundesland Bremen 130 öffentliche Apotheken, ein Jahr zuvor waren es 135. Nach Kenntnis der Apothekerkammer Bremen werden es Ende Juni dieses Jahres wieder fünf weniger, also nur noch 125 Apotheken sein. Im ersten Halbjahr 2024 gehen demnach in Bremen so viele Apotheken verloren wie im ganzen Jahr 2023. Seit 2021 geht dabei auch die Zahl der Filialen zurück. Dies berichtete Kammergeschäftsführerin Isabel Justus bei der Kammerversammlung am Montagabend.

ABDA-Pressesprecher Benjamin Rohrer stellte dort die „Schwerpunkte der ABDA-Kommunikation“ vor. Dabei machte er deutlich, wie umfassend und mühsam die politische Kommunikation und die Überzeugungsarbeit bei einzelnen Mandatsträgern ist.

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Kammerpräsident Klaus Scholz erklärte in seinem Bericht, Apothekerproteste würden zur Kenntnis genommen, hätten aber nicht weitergeführt. Die Patienten könnten die Apotheken nur über die Bundestagswahlen weiterbringen. Die Kammer habe die Bremer Bundestagsabgeordneten erreicht, die die Forderungen weitergeben wollen. Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) als stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses kenne das Problem, sage aber auch, dass die GKV und der Bund kein Geld hätten. Die Rechnung, dass sich die Finanzierung von Hochpreisern bei einer Kontoüberziehung nicht mehr lohnt, sei ihr neu gewesen, „aber plausibel, und sie wollte sich weiter darum kümmern“, berichtete Scholz. 

Neben dem „uralten Honorar“ nannte Scholz das Skonto-Urteil, Retaxationen und steigende Preise als weitere Probleme und folgerte: „Ich begreife die Ignoranz des Ministers nicht, gerade bei den derzeitigen Schließungszahlen, die unsere Not untermauern.“ Ideen mit „Apotheken ohne Apotheker“ seien „abstrus“, gerade bei sinkenden PTA-Zahlen.

Versorgungsfragen betreffen auch Städte

Alle würden auf den angekündigten Referentenentwurf warten. Dann stehe noch ein langes Verfahren bevor. Wegen der knappen Kassen würden Politiker der Regierungsparteien auf Umverteilung verweisen. „Es spukt dort immer die kleine Landapotheke im Kopf“, und jeder Politiker kenne in Städten die Kreuzung mit drei Apotheken, aber es gebe auch in Städten für die Versorgung wichtige Apotheken, erklärte Scholz. 

Zum 1. Juni würden die Folgen des Skontourteils unter den Nägeln brennen. Dazu verwies Scholz auf die von der ABDA vorgeschlagene Verordnungsänderung, die allerdings zustimmungspflichtig sei. Zum Honorarproblem insgesamt folgerte Scholz, „wir können nur auf Gespräche und Einsicht bauen“, doch das gehe nie schnell.

Ärger um Bremer Ausbildungsplatzabgabe

Zur Bremer Politik berichtete Scholz, die Bremer Gesundheitssenatorin bringe eine Beschlussvorlage in die Gesundheitsministerkonferenz ein, um einen Erstattungsmechanismus für Arzneimittel zu etablieren, die bei einem festgestellten Versorgungsmangel importiert werden. Die Bremer Ausbildungsplatzabgabe hingegen sei „ein Witz“ und werde keine Jugendlichen in Ausbildung bringen, aber es seien fünf Planstellen für die Verwaltung geschaffen worden. Dabei sollen die Unternehmen 0,3 Prozent der Bruttolohnsumme in einen Ausbildungsfonds zahlen. Die Kammer beteilige sich am diesbezüglichen Normenkontrollverfahren.

Das E-Rezept läuft nach Einschätzung von Scholz „überraschend gut“, aber CardLink müsse auch den Apotheken vor Ort und nicht nur den Versendern nutzen. Auf die Dauer setze er auf die Gematik-App. Außerdem erklärte Scholz, die pharmazeutischen Dienstleistungen lägen ihm sehr am Herzen und ergänzte: „Wir müssen aufpassen, denn andere schielen schon auf diesen Geldtopf, der für uns zweckgebunden gesammelt wird.“

Weiter Schwachstellen beim E-Rezept

Dr. Stefan Schwenzer, Mitglied des Kammervorstands, konstatierte beim E-Rezept allerdings weiterhin erheblichen Beratungsaufwand gegenüber Patienten und Arztpraxen und bemängelte die fehlende Transparenz für die Patienten über die verordneten Arzneimittel. Außerdem kritisierte er die nicht ausreichende technische Ausfallsicherheit, die fehlenden Verantwortlichkeiten für die Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI) und die unzureichende Kontrolle gegenüber Missbrauch und Umgehung des Zuweisungsverbots.

Bremer Behörde verteilt Kaliumjodid an Apotheken

Justus berichtete über landesspezifische Themen, darunter die Verteilung von Kaliumjodid-Tabletten an die Apotheken durch die Gesundheitsbehörde. Die Apotheken sollen diese Tabletten bei einem radiologischen Notfall an Personen im Alter bis 45 Jahren verteilen. Weitere Landesthemen sind ein Hitzeaktionsplan, eine Arbeitsgemeinschaft zur medizinischen Versorgung in Pflegeheimen und das Projekt „Apotheke macht Schule“. 

Ergänzend zur sinkenden Apothekenzahl berichtete Justus, dass 58 Prozent der Apotheken im Bundesland über mindestens einen vollzeitbeschäftigten approbierten Beschäftigten verfügen, während 8 Prozent ohne angestellte Apotheker arbeiten. Von den Apothekeninhabern seien 65 Prozent mindestens 50 Jahre und 35 Prozent mindestens 60 Jahre alt.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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