- DAZ.online
- News
- Recht
- Warum der BGH keinen Raum...
Urteilsgründe liegen vor
Warum der BGH keinen Raum für Skonti sieht
Die Urteilsgründe zum Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs liegen vor. Sie lassen keinen Zweifel: Skonti auf Rx-Arzneimittel, die der Großhandel Apotheken gewährt und die zu einer Unterschreitung des Mindestpreises führen, sind unzulässig – selbst wenn sie für eine vorfristige Zahlung gewährt werden. Eine angemessene Vergütung der Apotheken sei nicht über unzulässige Rabatte sicherzustellen, sondern über die Apothekenzuschläge. Der DAV sieht nun die Politik gefordert.
Anfang Februar fällte der Bundesgerichtshof (BGH) sein „Skonto-Urteil“, das die Apothekenwelt in Aufruhr versetzte. Die Karlsruher Richterinnen und Richter bestätigten ein Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, das sich mit an Apotheken gewährte Skonti befasst hatte.
Worum ging es?
In dem Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und Haemato Pharm, einem Parallel- und Reimporteur, der Arzneimittel auch im Direktvertrieb an Apotheken abgibt, hatte das Berufungsgericht nach langem Ringen um die Skonti-Frage entschieden, dass hier enge Grenzen einzuhalten sind: Der Großhandels-Mindestpreis, bestehend aus dem einheitlichen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) plus dem Festzuschlag von 70 Cent zzgl. Umsatzsteuer (mittlerweile liegt der Festzuschlag bei 73 Cent), dürfe nicht unterschritten werden. Allein der prozentuale Zuschlag von 3,15 Prozent sei Rabatten und Skonti zugänglich.
Haemato Pharms Nachlässe gegenüber den Apotheken waren allerdings teilweise in einer Größenordnung, dass dieser Mindestpreis unterschritten wurde – damit sah das Gericht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegeben. Es folgte die Revision von Haemato Pharm – doch deren Ergebnis fiel nicht im Sinne des Unternehmens sowie der Apotheken aus.
Mehr zum Thema
Folgen für Apotheken „erheblich“
BGH kippt Skonti bei Rx-Arzneimitteln
Stimmen zum BGH-Urteil
„Eine historische-wirtschaftliche Katastrophe“
Analyse zur Skonto-Entscheidung
Ein weiterer Schritt zu weniger Rabatt
Zwar ging es in dem Rechtsstreit um Skonti eines direktvertreibenden Pharmaunternehmens an Apotheken. Aber in solchen Fällen gelten auch Pharmaunternehmen als Großhändler. Die Apothekerschaft wartete nun gespannt auf die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs – würden sie noch Spielräume eröffnen? Denn wäre das Urteil direkt und ganz allgemein im Verhältnis Apotheken / pharmazeutischer Großhandel anwendbar, würde das für viele Apotheken massive Einbußen bedeuten. Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover sprach etwa von jährlich rund 22.000 Euro weniger für eine Apotheke von durchschnittlicher Umsatzgröße.
Nun liegen die mit Spannung wie auch Sorge erwarteten schriftlichen Gründe des 6. Zivilsenats vor. Sie sind sehr klar und prüfen den Sachverhalt nach den klassischen Auslegungskriterien. Dabei macht das Gericht Aussagen, die verdeutlichen, dass es hier nicht nur um einen Fall geht, der zwei Parteien betrifft, sondern darüber hinaus gehen.
Wortlaut, Systematik, Gesetzeshistorie
Bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) spreche für die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung. Während es früher hieß, der Festzuschlag „dürfe“ erhoben werden, ist seit 11. Mai 2019 bestimmt, dass bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ein Festzuschlag von 70 Cent (seit dem 27. Juli 2023: 73 Cent) sowie die Umsatzsteuer zu erheben „sind“ – allein der 3,15 Prozent-Zuschlag, höchstens 37,80 Euro, „darf“ zusätzlich erhoben werden.
„Da die Regelung nach ihrem im Imperativ gefassten Wortlaut keine Ausnahmen von der Erhebung des Mindestpreises zulässt, sind Skonti, die dazu führen, dass die Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, des Festzuschlags von 70 Cent und der Umsatzsteuer unterschritten wird, unzulässig“.
Aus der Systematik der Regelungen des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung ergebe sich nichts anderes, ebenso wenig aus der viel diskutierten Gesetzgebungsgeschichte. Aus den Gesetzesmaterialien ließen sich gewisse Widersprüche herauslesen. Doch dazu stellt der BGH fest, dass hier nur der objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, zählt. An Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, sei er bei der Auslegung nicht gebunden.
Sicherstellungsauftrag der Großhändler
Besonders interessant sind die Ausführungen des Zivilsenats zu Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV. Er verweist darauf, dass nach § 78 Abs. 2 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) die Preise und Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken abgegeben werden, den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen müssen. Zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehöre auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln durch den Großhandel (§ 52b AMG).
Dieser Auftrag, so der BGH, sei von den Arzneimittelgroßhandlungen unabhängig vom Preis eines Arzneimittels zu erfüllen. Daher solle der Großhandel im Gegenzug eine Vergütung erhalten, die ausreichend ist, eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken zu gewährleisten. Nach der Vorstellung des Normgebers könne nur dadurch, dass der Großhandel den Festzuschlag von 70 Cent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zwingend aufschlagen muss, das mit dem Festzuschlag bezweckte Ziel erreicht werden.
Und was ist mit den Apotheken?
Sodann stellt der BGH auch noch klar:
„Soweit die Revision geltend macht, die Apotheken seien auf die Skonti angewiesen, um eine flächendeckende und wohnortnahe Arzneimittelversorgung sicherzustellen, trägt dies der Regelungssystematik der Arzneimittelpreisverordnung nicht Rechnung. Die angemessene Vergütung der Apotheken wird nicht durch die Gewährung verbotener Rabatte auf die Großhandelspreise, sondern durch die in § 3 AMPreisV vorgesehenen Apothekenzuschläge gesichert, die – sollten sie hierfür nicht ausreichen – bei Bedarf vom Verordnungsgeber angehoben werden können.“
Dies klingt fast nach einem Auftrag an die Standesvertretung, dem Verordnungsgeber klar vor Augen zu führen, dass die Zuschläge dringend zu erhöhen sind.
Üblichkeit zieht nicht
Was der BGH auch nicht als gelten lässt, ist der Einwand von Haemato Pharm, es sei seit langer Zeit üblich, dass pharmazeutische Unternehmer und Großhändler den Apotheken Zahlungsziele gewährten und bei vorfristigen Zahlungen Skonti einräumten. Hier stellt das Urteil klar: Diese Praxis steht seit dem 11. Mai 2019 nicht (mehr) in Einklang mit den Vorgaben der Arzneimittelpreisverordnung. Und: „Ein unlauteres Verhalten wird nicht dadurch zulässig, dass es in der Branche üblich ist.“
Echte und unechte Skonti
Sodann geht es noch um die Frage nach „echten“ und „unechten“ Skonti: Macht es einen Unterschied, ob die Skonti für eine vertraglich nicht geschuldete Zahlung durch den Käufer vor Fälligkeit gewährt werden – also „echt“ einer Gegenleistung gegenüberstehen? Diese Auffassung wird jedenfalls in der juristischen Literatur vertreten.
Der BGH meint aber: Nein, diese Frage muss hier gar nicht geprüft werden.
„Nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck soll § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV in der seit dem 11. Mai 2019 geltenden Fassung mit einer Festlegung eines Mindest- und eines Höchstpreises eine Preisbindung gewährleisten. Die Gewährung von (echten oder unechten) Skonti, die dazu führen, dass tatsächlich Preise außerhalb des festgelegten Preisrahmens gezahlt werden, ist hiermit nicht vereinbar. Die Festsetzung von Preisspannen liefe leer, wenn sie durch Rabatte und Skonti unterlaufen werden könnte.“
Zum Schluss stellt das Gericht noch fest: Diese Auslegung des § 2 AMPreisV unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
DAV: Die Politik muss handeln
Für Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), zeigt das Urteil vor allem eines: „Die Politik muss jetzt handeln.“ Ordnungsrechtlich könne die Arzneimittelpreisverordnung durch das ausdrückliche Zulassen von Skonti ganz schnell geändert werden. Als betriebswirtschaftliche Nothilfe müsse der Apothekenabschlag zugunsten der Krankenkassen dringend gesenkt werden. Und die grundsätzliche Stabilisierung der Apotheken müsse über eine deutliche und dynamische Anhebung des Apothekenhonorars erfolgen. „Herr Minister Lauterbach, legen Sie kein Apothekeneinspargesetz, sondern ein Apothekenstabilisierungsgesetz vor, damit die Menschen auch künftig sicher versorgt werden!“, so Hubmanns Appell.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Februar 2024, Az.: I ZR 91/23
6 Kommentare
Und nun?
von Rainer W. am 15.04.2024 um 9:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Verkompliziereritis - german disease
von Holger am 15.04.2024 um 9:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Kassenabschlag
von Dorf-Apothekerin am 12.04.2024 um 18:47 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Warum der BGH keinen Raum für Skonti sieht
von Bernd Haase am 12.04.2024 um 15:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Warum der BGH keinen Raum für Skonti
von T Kerlag am 12.04.2024 um 22:06 Uhr
AW: Logik?
von Stefan Haydn am 16.04.2024 um 14:32 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.